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Grundkonzepte der Therapie

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Erotische Entwicklung statt sexueller Funktion. Aus systemischer Sicht sind sexuelle Symptome nicht primär Ausdruck einer gestörten Funktion, die möglichst wiederhergestellt werden sollte. Das unterscheidet sie unter anderem von verhaltenstherapeutisch orientierten Ansätzen der Sexualtherapie. Hintergrund ist die Annahme, dass eine rein symptomorientierte Betrachtungsweise häufig individuelle und paardynamische Fragen der erotischen Entwicklung übersieht. Im systemischen Ansatz wird daher die Frage der sexuellen Funktion und des Könnens/Nichtkönnens vernachlässigt zugunsten der Leitunterscheidung Wollen/Nichtwollen bzw. Anderswollen (Clement 2004).

Differenzierung/selbst validierte Intimität. Das Leitkonzept der systemischen Sexualtherapie ist das Entwicklungskonzept der Differenzierung. Der erstmals von Schnarch (1997) sexualtherapeutisch adaptierte Begriff nimmt direkt Bezug auf den Grundkonflikt zwischen den Bedürfnissen nach Individualität und Bindung: Differenzierung bezeichnet die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung eines stabilen Selbstgefühls in nahen Beziehungen. Ein hoher Differenzierungsgrad ermöglicht die wechselseitige Zumutung erotischer Unterschiede auch angesichts von Furcht vor Zurückweisung oder Beschämung durch den anderen. Er drückt sich aus in einer selbst validierten Intimität, im Bekenntnis zum eigenen erotischen Profil – im Unterschied zur partnervalidierten Intimität, die sich von der Bestätigung durch den anderen abhängig sieht. Die Kommunikation dieser erotischen Differenz der Partner wird zur Schlüsselfigur der Therapie.

Therapeutische Haltung. Obwohl sich systemische Sexualtherapie an einer Entwicklungsidee orientiert, ist Veränderungsneutralität wichtig: Klienten gehen sich selbst und dem Partner gegenüber reale Risiken ein, wenn sie sich erotisch neu profilieren. Eine Neuverhandlung nicht nur der sexuellen Beziehung ist im Ergebnis selten vorhersehbar und daher eine ernst zu nehmende und bisweilen hoch ängstigende Angelegenheit. Hinzu kommt noch eine dem Erotischen inhärente Ambivalenz: Erotik spielt an der Grenzlinie von Angst und Lust, Fremdheit und Vertrautheit, Aggressivität und Passivität, Legalem und Verbotenem. Sie ist somit per se emotional riskant.

Konstruktneutralität ist bei sexuellen Themen von spezieller Relevanz. Sie verführen Therapeuten besonders leicht dazu, einseitig die positiven Seiten der Sexualität zu betonen (»gesunde« Sexualität) oder sich zu schnell moralisch, politisch korrekt oder einseitig zugunsten eines Partners zu positionieren, gerade bei kritischen Themen (z. B. Affären, extremen sexuellen Praktiken).

Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch

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