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Konsequenzen für die systemische Praxis

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In der Beratung und Therapie mit Einzelnen, Paaren und Familien sind Geschlecht und Geschlechterverhältnis immer implizit, manchmal auch explizit präsent und oft ein relevanter Hintergrund für Probleme und Konflikte der Klienten. Beratung und Psychotherapie sind Orte, an denen Prozesse der (Re-)Konstruktion männlicher, weiblicher oder queerer Identitätsentwürfe gestaltet und Machtkonstellationen repräsentiert und aktualisiert werden (können). Es stellt sich daher die Frage, welche Position Beraterinnen bzw. Therapeutinnen darin einnehmen.

Jeder Berater und Therapeut strickt an der »heterosexuellen Matrix« mit – über Art und Inhalt von Fragen, Aussagen, Reflexionen, über Blicke, Stimme und Tonfall, aber auch darüber, wofür man sich (nicht) interessiert, was (nicht) gehört wird oder werden kann. Dieses Mitstricken war der Fokus einer qualitativen Untersuchung von Paartherapien (Kirschenhofer u. Kuttenreiter 2006), die u. a. zu folgenden Empfehlungen führte:

•Widersprüchliche Erwartungen von Männern und Frauen an sich selbst und aneinander sind eine soziale Realität, die nicht über das Herstellen von Eindeutigkeit aufgehoben werden kann: Von therapeutischer Seite bedarf es eines behutsamen Ambivalenzmanagements.

•Achtsamkeit im Umgang mit Metaphern und ihrer Passung in Bezug auf die von Klientinnen bevorzugten Geschlechtsidentitätsentwürfe.

•Der Verführung widerstehen, von Klientinnen zur Komplizin des Veränderungsprojekts Mann zu werden.

•Mut zum Hinhören und Nachfragen, wenn bedrohliche oder gewaltsame Interaktionen angedeutet oder ausgesprochen werden: Desinteresse bedeutet Parteilichkeit für denjenigen, der einschüchtert, bedroht oder Gewalthandlungen setzt.

•Raum für affektive Kommunikation für beide Geschlechter ermöglichen: Nicht nur die Tränen des Mannes sind kostbare förderungswürdige Emotionen, auch die Frau soll sie im Paarsetting zeigen dürfen, ohne eines »Mehr desselben« verdächtigt und umgehend in »konstruktivere« Bahnen geführt zu werden.

•Autonomie und Macht: Derjenige, der sich als der Autonomere präsentiert, bringt denjenigen, der davon spricht, die Beziehung unbedingt erhalten zu wollen, immer wieder in eine Position, noch mehr dafür zu tun. Wie jeder Diskurs ist auch dieser von Genderprämissen geprägt, was von therapeutischer Seite im Sinne einer Dekonstruktion genutzt werden kann.

Dafür, die eigenen unbeabsichtigten Genderzuschreibungen zu durchkreuzen, kann ein imaginierter Tausch des Geschlechts des Klienten hilfreich sein: Wie würde ich das jetzt sehen/wahrnehmen/empfinden, wenn sie er bzw. er sie wäre? Was verändert das? Wenn z. B. Mütter sich über den Egoismus pubertierender Töchter beschweren, so relativiert sich dieser Egoismus manchmal, wenn man die Töchter hypothetisch in Söhne verwandelt – genderbezogene Maßstäbe werden sichtbar, ihre Wirkweise und Erwünschtheit besprech- und gestaltbar.

Sowohl die Auseinandersetzung mit Gender und der Bedeutung von Unterschieden als auch das Offenbleiben für die Einzigartigkeit und das Entwicklungspotenzial jenseits von Geschlecht machen den therapeutischen Balanceakt aus, den es dafür braucht, Klienten in ihrem sozialen Gewordensein wie in ihrer Individualität gerecht zu werden.

Eine Auseinandersetzung damit, wie Wirklichkeitskonstruktionen im Zusammenhang mit Geschlecht das therapeutische Tun beeinflussen, kann zu mehr Achtsamkeit gegenüber der eigenen Mitwirkung an ihrer (De-)Konstruktion führen. Ähnlich wie bei anderen Themen (z. B. Sexualität) werden die Grenzen dessen, was im therapeutischen Kontext gespürt, gedacht und gesagt werden kann, u. a. mitbestimmt durch das Ausmaß an Differenziertheit aufseiten der Therapeutin. Eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Thema »Geschlecht« liegt daher in der professionellen Verantwortung von systemischen Beratern und Psychotherapeuten.

Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch

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