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Therapeutischer Zugang Symptomstabilisierende Muster

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Zu den in der Sexualtherapie am häufigsten geschilderten Problemen zählt die Lustlosigkeit oder eine als problematisch erlebte Diskrepanz im Begehren der Partner. Die Definition von »mehr« oder »weniger« Lust ist nicht absolut, sondern systemisch als Ergebnis ihrer Kommunikation zwischen ihnen zu sehen (Schnarch 2009): Die Bewertung der Lust des einen Partners ist abhängig von der des andern.

Wenn im Vordergrund die Bedeutung der Sexualität als versicherndes Partnerschaftsritual steht, gewinnt die Lustlosigkeit eines oder beider Partner jedoch schnell bedrohliches Potenzial: Sie ist Ausdruck eines »So nicht (mehr)!«. Oft setzt dies auf beiden Seiten Mechanismen der Angstreduktion in Gang. Neben der Bagatellisierung sexueller Unterschiede besteht eine Möglichkeit der Angstreduktion im Streit. Warum im Streit? Vorwürfe und Streit suggerieren Veränderungsdruck, dienen aber häufig der Problemaufrechterhaltung, da die Logik des Streits implizit einem Harmonieideal folgt: Wer streitet, glaubt an die Möglichkeit der Gemeinsamkeit im Ziel, strebt nach Konsens und blendet die Möglichkeit einer grundlegenden, eventuell sogar die Beziehung gefährdenden Unterschiedlichkeit des anderen aus (Clement 2004).

Die Interaktion um das sexuelle Problem lässt sich häufig als Kollusion (Dicks 1967; Willi 2012) beschreiben, bei der die Partner unbewusst durch den gleichen ambivalenten Konflikt (z. B. über Abgrenzung und Nähe) verbunden sind. Die beiden Seiten der Ambivalenz werden an je einen der Partner delegiert und dort bekämpft. Aus einer intrapsychischen Konfliktlage (Ambivalenz) wird eine interindividuelle (Streit). Ein Partner besetzt z. B. die progressive Position des Sex Einfordernden, der andere den regressiven Part dessen, der Sex verweigert oder sich als Symptomträger zeigt. Der progressive Partner reklamiert meist die Definitionshoheit über den »richtigen« Sex, die Norm, von der der andere abweicht. Dessen Nein ist faktisch jedoch mächtiger: Der regressive Partner bestimmt letztlich, ob und wie es zum Sex kommt. Seine Haltung des »So nicht!« hindert ihn aber an der Beantwortung der Frage, welche Sexualität er stattdessen leben könnte oder möchte. Beide kommen in dieser Konstellation nicht weiter.

Systemische Therapie und Beratung – das große Lehrbuch

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