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4 Interprofessionelle Kooperation Hermann Brandenburg und Katharina Steinhauer 4.1 Einleitung
ОглавлениеDie berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit gilt nach wie vor als eine zentrale Herausforderung im Gesundheitswesen und gilt hier vor allem im Kontext chronischer Erkrankungen und langzeitpflegerischer Versorgung bei alten Menschen. Die Kooperation zwischen dem ärztlichen Team und den nichtärztlichen Professionen – hier im Besonderen die Pflege – kann dabei als die zentrale Herausforderung angesehen werden ( Kap. 50). Ärzte bemängeln häufig, dass ihnen die Arbeit der Pflegenden intransparent/nicht nachvollziehbar erscheint. Sie zögern daher, sich voll auf die Pflegenden zu verlassen und zeigen – so Umfragen im In- und Ausland – generell wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Pflegenden. Umgekehrt fühlen sich die Pflegenden häufig mit den Problemen ihrer Patienten im Stich gelassen, klagen über mangelnde Präsenz der Ärzte und vermissen einen fallbezogenen Dialog mit den behandelnden Ärzten (Garms-Homolová 1998, S. 7). Schon früh wurde von psychologischer Seite darauf hingewiesen, dass sich hinter den aktuellen Konflikten auch grundlegende Fragen verbergen. Die Arbeit von Stein (1967) zum »Doctor-Nurse-Game« hat die Dinge bereits auf den Punkt gebracht: Es ist vor allem (aber nicht nur) das Machtgefälle zwischen der (männlich dominierten) Medizin und der (weiblich dominierten) Pflege, welches zu beachten ist. Daran hat sich substanziell wenig geändert, denn Tan et al. (2017) kommen in ihrem Review zur »nurse-physician-communication«, bei dem sie 22 internationale Studien gesichtet haben, zu folgendem Ergebnis: Die Kommunikation zwischen den betroffenen Gruppen »still remains ineffective«. Diese Ausgangslage wird verschärft durch aktuelle Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen, die sich in vier Aspekten grob zusammenfassen lassen:
• Erstens führt der demografische Wandel zu einem veränderten epidemiologischen Spektrum, insbesondere zu einer höheren Prävalenz chronischer Krankheiten und dauerhafter Funktionsbeeinträchtigungen ( Kap. 2); die damit verbundene Multimorbidität ist mit komplexen Anforderungen verbunden und setzt Teamarbeit zwingend voraus.
• Zweitens ist in den letzten 35 Jahren die Technisierung der Medizin immens fortgeschritten; die Steuerung und Überwachung der entsprechenden Geräte im Sinne einer gezielten Therapieplanung ist ohne dezidierte Absprachen zwischen den Verantwortlichen undenkbar.
• Drittens lässt sich ein steigender Bedarf an rehabilitativen und kompensatorischen Leistungen beobachten, auch im Krankenhaus; die beste Operation nützt nichts, wenn die nachsorgenden Bereiche nicht optimal kooperieren und so z. B. Immobilität nicht systematisch verhindern können ( Kap. 7).
• Viertens schließlich nehmen Querschnittsaufgaben im Gesundheitswesen zu; ein Beispiel dafür sind sektorenübergreifende Maßnahmen, etwa im Rahmen der integrierten Versorgung; ohne multiprofessionelle Kooperation (und das geht über die Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegenden hinaus) sind kontraproduktive Effekte vorprogrammiert, Drehtüreffekte zu erwarten, unnötige Kosten (und persönliches Leid für die Betroffenen) sind Konsequenzen.
Unbestritten ist, dass eine vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Medizin und Pflege eine Herausforderung darstellen. Defaitismus – von welcher Seite auch immer – ist allerdings nicht zielführend. Denn nicht nur die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinisch-pflegerischen Versorgung verweist auf die Notwendigkeit einer interprofessionellen Kooperation im Gesundheitswesen. Auch die Forschungslage weist sehr deutlich auf positive Effekte einer gelungenen Zusammenarbeit hin, die insbesondere in Deutschland stärker in den Blick genommen und intensiver genutzt werden sollte. Wenn dieser Text hierzu einen marginalen Beitrag leistet, dann hätte er sein Ziel erreicht.
In den folgenden Ausführungen werden zunächst einige definitorische Hinweise zum Verständnis der für unsere Thematik zentralen Begriffe wie Interdisziplinarität, Interprofessionalität und Kooperation gegeben. Dies geschieht deswegen, weil die Klarheit in der Begrifflichkeit die erste Voraussetzung für eine Verständigung überhaupt ist. Daran anschließend wird auf das eigentliche Thema dieses Beitrags, die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegenden im Krankenhaus, eingegangen. Dabei wird neben der alten Forschungslandschaft auf einige aktuelle Studien aus dem internationalen Kontext Bezug genommen. Deutlich wird die vielschichtige Komplexität der Problematik. Mut macht aber eine wachsende Zahl innovativer Projekte, die in die richtige Richtung weisen. Vor allem die interprofessionelle Ausbildung ist weiter voranzutreiben, diesbezüglich hinkt Deutschland der internationalen Entwicklung hinterher. Als alltägliche Ausprägung der Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und Ärzten wird die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an Pflegende rechtlich und professionstheoretisch kurz analysiert. Den Abschluss bilden Empfehlungen für die Praxis, bei denen wesentliche Ergebnisse noch einmal komprimiert dargestellt werden.