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4.5 Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Pflegende

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Alle Bemühungen um eine bessere Zusammenarbeit werden aber wenig nützen, wenn es nicht gelingt die rechtliche Situation, vor allem bezogen auf die Delegationsproblematik, zu verändern. Dies ist natürlich ein neuralgischer Punkt, an dem aber deutlich wird bzw. werden kann, wie ernsthaft Bemühungen einer interprofessionellen Kooperation (von beiden Seiten) in die Tat umgesetzt werden.

Zunächst zur Begriffsbestimmung: »Delegation ist eine berufliche Tätigkeit, die von einer Berufsgruppe auf die andere durch Anordnung übertragen wird, wobei die ausführende Berufsgruppe die Verantwortung für die Durchführung selbst trägt.« Und Substitution bedeutet, »dass Tätigkeiten der einen Berufsgruppe auf eine andere Berufsgruppe übergehen. Die Substitutionsempfänger haben somit volle Verantwortung für die Tätigkeit. Es bedarf also keiner Anordnung mehr. Die Substitution impliziert immer auch die Entscheidungskompetenz« (Schmüling 2015, S. 605).

Die alltägliche Praxis der Delegation ärztlicher Tätigkeiten, ob offiziell delegiert oder individuell angeordnet, hat rechtlich und professionstheoretisch eine größere Bedeutung als angenommen. Die Delegation wird rechtlich nur angerissen und ist dadurch Auslegungssache. Nach § 15 SGB V wird eine persönliche Leistungserbringung der Ärzte vorgegeben, unter Aufsicht und fachlicher Weisung kann eine Leistung von nicht-ärztlichen Mitarbeitern erbracht werden. Der Bundesmantelvertrag sieht vor, dass eine Delegation an qualifizierte nicht-ärztliche Mitarbeitende in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung im Sinne einer Hilfeleistung möglich ist, die Anordnung und Verantwortung bleibt bei den Ärztinnen und Ärzten. Ebenfalls hat die anordnende Person zu prüfen, ob die ausführende Person zur Ausübung der Tätigkeit qualifiziert ist, hier greift dann das Haftungsrecht im Schadensfall (BMV-Ä Anlage 24, § 28 SGB V). In der Berufsordnung sind einige Aufgaben mit Arztvorbehalt aufgelistet, beispielsweise Tätigkeiten nach dem BTMG oder der RöV4, im Berufsrecht der Gesundheits- und Krankenpflege bleibt ein Vorbehalt vage formuliert im Sinne von »Tätigkeiten entlang des Pflegeprozesses«. Dieser Umstand macht es für Pflegende schwierig, Tätigkeiten oder Bereiche für sich selbst als autonome Berufsgruppe zu beanspruchen und erleichtert es anderen Berufsgruppen den Pflegenden Aufgaben zuzuordnen. Die Studie von Dreier et al. (2015) zeigt, dass Pflegende der Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten gegenüber nicht zwingend abgeneigt sind. Das ist möglicherweise zurückzuführen auf die medizinische Orientierung der Ausbildung und der Sozialisation im Beruf, wobei ärztliche Tätigkeiten als höherwertige Tätigkeiten interpretiert werden können. Dies hat jedoch professionstheoretische Folgen für die Pflege. Pflegende führen nun Tätigkeiten eines anderen Berufs aus unter Verantwortung der Mitglieder eines anderen Berufs, individuelle den Patienten betreffende Entscheidungen können nicht autonom getroffen werden. Während das für einige Tätigkeiten durchaus sinnvoll sein kann, schränkt es die Pflege in ihrer Entscheidungsfähigkeit und in ihrer eigenen Verantwortung ein.

Ein Beispiel aus Kanada zeigt, dass die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten an Pflegende durchaus Anlass zur Professionalisierung des Pflegeberufs sein kann. Die Entstehung von Community Health Centers bis hin zu Nurse Practitioner Lead Clinics hat das Aufgabenspektrum von Pflegenden erweitert, von der Übernahme ärztlich delegierter Tätigkeiten zu einer autonomen Versorgung von Patientinnen und Patienten. Die Pflegenden arbeiten hier mit einem Masterabschluss. Die Versorgung findet in enger Absprache zwischen Ärzteschaft und Pflege statt mit jeweiligen autonomen Handlungsfeldern in der Diagnostik, dem Therapiemanagement, Leitungsaufgaben und Gesundheitsförderung. Die Ausgangslage zu Beginn dieser Entwicklung war ähnlich wie in Deutschland heute, der demografische Wandel und ein relativer Ärztemangel haben so zu einem Wandel in der Struktur der Gesundheitsversorgung, aber auch zur Akademisierung von Pflegenden, beigetragen (Schaeffer 2017, S. 18 ff.).

Die Delegation ärztlicher Tätigkeiten an Pflegende wird als Lösung für das Problem des relativen Ärztemangels und als eine Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs gesehen, sie soll die Koordination von Schnittstellen in der Patientenversorgung vereinfachen. Tatsächlich ist der Fokus auf die Delegation allein für den Pflegeberuf hinderlich, da die Versorgung von Patientinnen und Patienten nicht auf Augenhöhe, sondern in einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ärztinnen und Ärzten und Pflegenden stattfindet. Unbestritten ist, dass die hohe Belastung von Ärztinnen und Ärzten und der relative Mangel an ärztlichem Fachpersonal (vor allem in den ländlichen Regionen) ein großes Problem darstellt. Ob jedoch eine höhere Beanspruchung von Pflegenden durch Mehrarbeit gerade in Zeiten eines globalen Pflegefachpersonalmangels die geeignete Lösung ist, muss grundlegend problematisiert werden.

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