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5.2.4 Therapeutische Ansätze der »Nutritional frailty«
ОглавлениеDie Malnutrition im Alter ist häufig, klinisch relevant und immer noch viel zu selten gesucht, abgeklärt und behandelt ( Kap. 10). Dabei ist es gerade die Malnutrition beim (Hoch-)Betagten, die zentral mit seiner Funktionalität, damit seiner Selbständigkeit und so letztendlich seiner Lebensqualität interferiert. Es ist von eminenter Wichtigkeit zu berücksichtigen, dass die Ursachen der Malnutrition und das diagnostisch-therapeutische Vorgehen stark davon abhängen, in welchem Kontext der betagte Mensch lebt. Praktisch allen Malnutritionszuständen beim Betagten ist aber gemeinsam, dass sie auch die Muskulatur betreffen (»lean body mass«). Diese Sarkopenie in ihrer Verschränkung zum Frailty-Syndrom beim alten Menschen soll deshalb etwas detaillierter beleuchtet werden.
Sarkopenie kann charakterisiert werden als ein progressiver und systemischer Verlust von Muskelmasse und Muskelkraft, der mit einem erhöhten Risiko für funktionelle Einbußen einhergeht (Cruz-Jentoft et al 2019). Unabhängig von kompromittierenden Erkrankungen nimmt die Muskelmasse vom 30.–70. Lebensjahr jährlich um 0,3–1,3 % ab (Pahor et al. 2009). Man könnte also den Verlust an Muskelmasse mit oft konsekutiver Frailty als ein normales Alterungsphänomen betrachten, wird es doch auch bei Athleten, unabhängig davon, ob sie weiter trainieren, beobachtet. Neben diesen intrinsischen alterungsbedingten Prozessen gibt es auch eine ganze Palette extrinsischer und verhaltensbezogener Faktoren, die das Auftreten respektive die Progression einer Sarkopenie beschleunigen können: Fehlende körperliche Aktivität, Malnutrition, chronische Entzündungen und eine parallel bestehende (Multi-)Morbidität. Das Ausmaß sowie die Progression dieser Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Sarkopenie sowie des Frailty-Syndroms ( Kap. 5.3, Kap. 7 und Kap. 10). Die enge Beziehung zwischen Malnutrition und Frailty wurde erst kürzlich klar aufgezeigt (Smit et al. 2012). Sarkopenie kann somit sowohl als Prozess als auch als Outcome gesehen werden.
Als Überbegriff erscheint deshalb der Begriff der »Nutritional frailty« die klinische Beobachtung, die wir täglich am Krankenbett machen, am besten zu umschreiben (Bartali et al. 2006).
Insgesamt ist die quantitativ und qualitativ suffiziente Proteinzufuhr von großer Wichtigkeit. Zuerst muss mit der Fehlannahme abgeschlossen werden, dass auch beim Betagten Diäten und Gewichtsverlust sinnvoll bzw. vorteilhaft sind. Ein Gewichtsverlust im Alter ist ganz im Gegenteil meist ein ungünstiger Prädiktor, der mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert ist (De Groot et al. 2002). Des Weiteren ist die Qualität der Ernährung bei noch zu Hause lebenden Betagten signifikant mit dem Frailty-Syndrom korreliert (Bollwein et al. 2013). Ganz allgemein gilt auch für Betagte und Hochbetagte, dass eine mediterrane Kost bzw. Ernährungsweise auf mehreren Wirkungsebenen positive Effekte erzeugt. In Bezug auf eine ausreichende Proteinzufuhr ist zu sagen, dass sich die Empfehlungen für die tägliche Zufuhr nach oben verschieben. Die gemeinhin angegebenen 0,8 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag können nicht für den Betagten mit Frailty-Syndrom gelten. Die Empfehlungen werden aktuell noch debattiert, doch mindestens 1,0–1,2 g pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag werden sich wohl als unterer Grenzwert durchsetzen (Volkert und Sieber 2011; Volkert et al 2019).
Auch einen Vitamin-D-Mangel, der auch Sarkopenie/Frailty erzeugen kann (Tajar et al. 2012; Shardell et al. 2012), gilt es zu diagnostizieren und bei Bedarf zu substituieren, da Vitamin D eine enge Verbindung zu Knochen- und Muskelstoffwechsel besitzt (Drey und Bollheimer 2011; Kap. 28). Wichtig erscheint auch, dass mit einem Supplement reich an Eiweiß (speziell Leuzin) und Vitamin D Muskelmasse wie Funktionalität auch ohne paralleles körperliches Training aufgebaut werden kann (Bauer et al 2015).
Körperliches Training kann dazu beitragen, die Sarkopenie zu minimieren (Drey et al. 2012; Yamada et al. 2012).
In der Zusammenschau kann man sagen, dass das Frailty-Syndrom viele Überlappungen mit der Malnutrition, der Sarkopenie und teilweise auch mit der Kachexie aufweist (Jeejeebhoy 2012). Von all diesen Syndromen ist die Sarkopenie therapeutisch am besten beeinflussbar.
Frailty wie auch Sarkopenie sind insgesamt Defizit-orientierte geriatrische Syndrome. Um mehr die bestehenden Ressourcen betagter Menschen zu betonen, wird über die WHO versucht, diese besser zu fassen. Inwieweit und wann sich der Begriff der »intrinsic capacity« etablieren wird, steht noch offen (WHO OJ).