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5.2.2 Frailty – ein geriatrisch-gerontologisches Syndrom 5.2.2.1 Der konzeptuelle und pathophysiologische Rahmen von Frailty

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Wir haben immer bessere Kenntnisse über die pathophysiologischen Grundlagen der physischen (Fried at al. 2001) und auch der psychischen (Strawbridge et al. 1998) bzw. psychosozialen Frailty. Man kann Frailty als ein klassisches geriatrisches Syndrom definieren ( Kap. 3.1 und Kap. 6). Dies ist verursacht durch eine reduzierte funktionelle Reserve (Reservekapazität) in mehreren physiologischen Systemen, welche alle eine erhöhte Vulnerabilität für diverse geriatrische Komplikationen haben wie Stürze, Hospitalisierung, Verlust der Selbständigkeit (ADL, IADL, Barthel-Index) und Tod (Abizanda et al. 2013). Es wäre somit folgerichtig, dass ein gemeinsamer biologischer Prozess dem Frailty-Syndrom zugrunde liegen würde. Konzeptuell werden heutzutage vor allem die drei Modelle inflammatorische Prozesse, hormonelle Muster sowie Veränderungen in der Körperzusammensetzung favorisiert. Verschiedene pathophysiologische Prozesse werden mit Frailty in Verbindung gebracht, wobei inflammatorische Veränderungen eine prädominante Rolle spielen. So sind erhöhte Plasmaspiegel (Exzess-Modell) von C-reaktivem Protein (CRP) sowie von diversen Zytokinen – wie dem Interleukin 6 – mit dem Frailty-Syndrom assoziiert (Payette et al. 2003; Leng et al. 2007). Hier ist kleine eine Übersicht über die wichtigen Mediatoren/Proteine aufgelistet, denen in diesem Zusammenhang eine Bedeutung zugeschrieben wird (nach Bauer und Sieber 2008):

• Interleukine (IL-1, IL-6 usw.)

• Tumor necrosis factor alpha

• C-reaktives Protein (CRP and hCRP)

• Adhäsionsmoleküle

Diesem Exzess-Modell von Frailty steht das Defizitmodell von Frailty entgegen, welches v. a. eine Abnahme folgender Hormonachsen als pathophysiologische Grundlage des Frailty-Syndroms sieht:

• Menopause (Östrogene)

• Andropause (Testosteron)

• Adrenopause (Kortikosteroide)

• Somatopause (Wachstumshormon)

• Dehydro-Epiandosteron-Sulfat (DHEA)

Über lange Zeit wurden primär solche hormonellen Veränderungen mit Frailty verbunden ( Kap. 28. Es sind dies – neben Dehydroepiandrosteron (DHEA) als Prohormon der Nebennieren – folgende altersbedingt deaktivierte endogene Hormonsysteme: Östrogene (Menopause), Testosteron (Andropause), Wachstumshormon (Somatopause) und Kortison (Adrenopause). Deaktiviert in diesem Kontext meint, dass für diese Hormonachsen über die Lebensspanne ein kontinuierlicher Funktionsabfall gemessen werden kann.

Die Wahrheit dürfte aber einmal mehr in einer Kombination beider Modelle liegen, insofern auch die erwähnten Hormonachsen mit Entzündungsvorgängen interagieren. So wurde in der Cardiovascular Health Study auch beschrieben, dass eine Zunahme der Fettmasse mit einem höheren Körpergewicht wie auch mit einer damit verbundenen Insulin-Resistenz, ein Risikofaktor für das Frailty-Syndrom darstellt (Xue et al. 2008). In Abbildung 5.2.1 werden diese Faktoren zusammengefasst, wobei deutlich wird, dass gerade die Sarkopenie für das Frailty-Syndrom eine zentrale Rolle einnimmt.


Abb. 5.2.1: Der Frailty-Zyklus (adaptiert nach Xue et al. 2008)

Bis jetzt wurde der Hauptfokus in der Forschung auf den physischen und damit den krankheitsassoziierten Bereich gelegt. Dennoch bestehen klare Querverbindungen zwischen physischer und psychischer Frailty, bei letzterer v. a. mit der Depression und der Demenz (Macuco et al. 2012; Kap. 14 und Kap. 15). Dabei kann Frailty als ein Kontinuum von Frühformen, die noch nicht klinisch apparent sind, bis hin zu Spätformen, welche mit den Aktivitäten des täglichen Lebens negativ interferieren, gesehen werden. Die meisten Forscher sind der Meinung, dass das Frailty-Syndrom nicht ohne mindestens eine vorbestehende chronische Erkrankung auftreten kann, was allerdings bei (hoch)betagten Menschen zumeist der Fall ist.

Dennoch zeigen einige Charakteristika von Frailty Parallelen zu normalen Alterungsprozessen wie eine verminderte physiologische Reserve, eine verringerte Organfunktion und eine reduzierte funktionelle Anpassungsfähigkeit. Es kann somit sehr schwierig sein, Frailty immer klar von fortgeschrittenen Alterungsprozessen zu unterscheiden. Diese Herausforderung spiegelt sich auch in der Schwierigkeit wider, geeignete Assessment-Instrumente für Frailty zu finden (s. u.).


Abb. 5.2.2: Modell der Assoziation zwischen Lebensspanne und dem Frailty-Syndrom (adaptiert nach Xue et al. 2008)

In einer für die medizinisch-pflegerische Versorgung am Lebensende wichtigen Studie wurden zwischen drei Krankheitsverläufen (»trajectories«) in der letzten Lebensphase differenziert (Murray et al. 2005): (a) Tumorerkrankungen (diese sind zunächst durch eine relativ lange Zeit mit vergleichsweise geringen Einschränkungen im Alltag charakterisiert; innerhalb weniger Monate treten körperlicher Abbau, Funktionsverlust und Tod ein); (b) Herz-, Lungen- oder Nierenerkrankungen (diese erstrecken sich über mehrere Jahre mit mehr oder minder stark ausgeprägten Einschränkungen im Alltag; gelegentlich treten akute Verschlechterungen ein, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen; die sich anschließende Erholung erreicht das frühere Funktions- und Leistungsniveau nicht mehr); (c) Frailty, vielfach assoziiert mit neurokognitiven Störungen und einem über mehrere Jahre bestehenden, kontinuierlich steigenden Niveau der Hilfsbedürftigkeit oder Pflegebedürftigkeit. Wie die Autoren dieser Studie hervorheben, sind für den Tod alter Menschen nur in geringem Maße die Tumorerkrankungen verantwortlich und in sehr viel stärkerem Maße Herz-, Lungen- und Nierenerkrankungen oder Frailty. Dabei ist hier die Frailty so stark ausgeprägt, dass das Individuum die verbliebenen physischen Ressourcen ausschließlich für die Aufrechterhaltung grundlegender Lebensfunktionen benötigt (Clegg et al. 2013). Allerdings gelingt dies immer weniger, sodass sich wiederholt abrupte Verschlechterungen des allgemeinen Gesundheitszustandes ergeben, die sich auch immer weniger kompensieren lassen. Daraus resultiert – betrachtet man den gesamten Krankheitsverlauf in der letzten Lebensphase – eine zunehmend geringere physiologische Leistungs- und Restitutionskapazität, die schließlich in einen Finalzustand mündet.

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