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4.2 Interdisziplinarität, Interprofessionalität und Kooperation – definitorische Grundlagen
ОглавлениеInterdisziplinarität beschreibt im Kern die Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, z. B. Medizin und Soziologie oder Pflegewissenschaft und Ethik. Interdisziplinarität meint aber mehr als das bloße Nebeneinander verschiedener Disziplinen, vielmehr ist hier eine wechselseitige Integration sowohl der Forschungsprogramme wie auch der Forschungsorganisation notwendig. Das Hauptmoment ist die »Interaktion zwischen den Disziplinen oder Fächern, die sich an einem gemeinsamen Dritten orientiert« (Kälble 2004, S. 38). Die Gerontologin Ursula Lehr hat, auf Erfahrungen von großen Längsschnittstudien zurückgreifend, diesen Aspekt wie folgt formuliert. Sie ist der Auffassung, dass interdisziplinäre Forschung den Willen und die Bereitschaft zur gleichberechtigten Kooperation voraussetzen, »welche auch die Fähigkeiten einschließen, die eigenen Interessen – wenn erforderlich – dem gemeinsamen Ziel unterzuordnen« (Lehr 1998, S. 54; aktuell und wegweisend für die Alternsforschung hierzu: Schulz-Nieswandt 2018). Obwohl der Begriff der Interdisziplinarität ursprünglich aus dem Forschungskontext1 stammt, wird er auch häufig auf die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, d. h. Professionen, bezogen. »Interprofessionalität steht für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit verschiedener Professionen im Rahmen der Versorgungspraxis – er ist für den hier interessierenden Diskurs von zentraler Bedeutung« (Reichel und Herinek 2017, S. 10). Deutlich muss gesagt werden, dass hier die Zusammenarbeit verschiedener Professionen im Blick ist – in unserem Fall zwischen Medizin und Pflege. Typischerweise ist hier nämlich das erste Missverständnis vorbereitet, denn der Begriff wird nicht selten auf die Zusammenarbeit innerhalb einer Profession bezogen, z. B. auf die Abstimmung von Arbeitsvorgängen zwischen Anästhesie und Chirurgie. Ein dritter Begriff fehlt noch – die Kooperation, denn der Kern der Problematik (sowohl im akademischen wie auch im praktischen Bereich) ist nicht die Disziplin oder die Profession, sondern die Art und Weise der Kooperation. Damit ist zunächst nur die »planmäßige, zielbewusste und funktionsorientierte Zusammenarbeit der Akteure« (Höhmann et al. 1998, S. 37 f.) gemeint. Voraussetzung dafür sind gemeinsame Werte und Ziele, auch ein gewisses Maß an Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Betroffenen sowie wechselseitige Kommunikation (Höhmann et al. 1998, S. 20). Spieß (1998) unterscheidet zwischen strategischer und empathischer Kooperation – und das ist für unser Thema sehr wichtig. Denn einmal geht es um die häufig in Wirtschaft und Gesundheitswesen dominierende »strategische« Kooperation. Hierunter wird ein Handeln verstanden, das rational, zielgerichtet und ergebnisorientiert ist. In Ergänzung (nicht unbedingt in Differenz) hierzu steht die »empathische Kooperation«. Der Handelnde bemüht sich um ein Verständnis mit seinem Kooperationspartner, er versucht sich in ihn hineinzuversetzen, der Dialog steht dabei im Vordergrund. Wenn wir nun alle drei genannten Begriffe – Interdisziplinarität, Interprofessionalität und Kooperation – miteinander verbinden und auf die Berufspraxis in der medizinisch-pflegerischen Versorgung beziehen, dann kann festgestellt werden: »Interprofessionelle oder Berufsgruppen-übergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen heißt, dass Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen mit unterschiedlichen Spezialisierungen, beruflichen Selbst- und Fremdbildern, Kompetenzbereichen, Tätigkeitsfeldern und unterschiedlichem Status im Sinne einer sich ergänzenden, qualitativ hochwertigen, patientenorientierten Versorgung unmittelbar zusammenarbeiten, damit die spezifischen Kompetenzen jedes einzelnen Berufes für den Patienten nutzbar gemacht werden« (Kälble 2004, S. 40).