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|41|2. Praxisphilosophie als Geistphilosophie?
ОглавлениеHegel fasst die verwickelte Teilnahme an Vernunft, die unsere menschliche Lebensweise charakterisiert, unter dem Problemtitel des „Geistes“. Dieser Umweg zur Praxis hat Gründe: Dass bei Hegel das Wort „Praxis“ kaum je auftaucht, passt einerseits zum zeitgenössischen (auch terminologischen) Sprachgebrauch. Es spricht jedenfalls nicht gegen die Bedeutung, die der Begriff „Praxis“ in seinen Überlegungen spielen mag – zumal Hegel natürlich die aristotelische Leitunterscheidung von poiesis und praxis kennt (vgl. etwa seine Referate der aristotelischen Philosophie, v.a. Hegel 1833, II 132ff.), und verwandte Ausdrücke verwendet, um vergleichbare begriffliche Unterschiede zu markieren: „Tun“, „Tätigkeit“, „Herstellen“, „Produzieren“. Trotzdem sollte man Hegels Formulierungen andererseits vielleicht nicht allzu beherzt in das terminologisch scheinbar schlankere Modell der poiesis-praxis-Unterscheidung übersetzen. Erstens wäre „ein affektierter Purismus da, wo es am entschiedensten auf die Sache ankommt, am wenigsten am Platze“ (Hegel 1831, 21). Hegels differenziertere (damit aber auch deutungsbedürftige) Redeweise entspricht seiner Überzeugung, dass „Philosophie […] überhaupt keiner besonderen Terminologie“ bedürfe (Hegel 1831, 21). Hat man ein denkerisches Problem, dann lässt es sich auch in alltäglicher Rede hinreichend streng ausdrücken, und würde durch bloßes Umdefinieren allenfalls versteckt, aber nicht geklärt. Hegels Formulierungen sind zweitens vom terminologischen Modell der „Praxis“ dadurch klar unterschieden, wer oder was in ihnen jeweils als das grammatische Subjekt der Beschreibung auftaucht. „Praxis“ ist eine menschliche Angelegenheit: das Tun und Handeln menschlicher Subjekte und Personen. Wie man diese menschlichen Angelegenheiten befragt, zeichnet vor, was als brauchbare Antwort durchgeht. Zeitgenössisch wurde nach der Bestimmung (endlicher) Subjekte und ihrer Vermögen, Erkenntnis und Handeln, gefragt, und in Rücksicht auf unsere menschliche Verfassung geantwortet. Man fragte, was wir (überhaupt) können, müssen und dürfen, und versprach sich Aufklärung darüber durch die Einsicht, wer „wir sind“ (nämlich: endliche Vernunftwesen, und näher „Menschen“).
Hegel befragt die menschlichen Angelegenheiten dagegen daraufhin, was in welcher Weise getan wird. Er fokussiert auf das Tätigsein selbst. Verstehen, was auf welche Weise getan wird, ermöglicht verstehen, was den Tätigen auszeichnet – nicht umgekehrt. Diese Herangehensweise verspricht, dass wir uns als Subjekte unseres Denkens und Handelns in einer Weise verstehen, die nicht von äußerlichen („dogmatischen“, vorausgesetzten) Annahmen abhängt, sondern unbedingte („absolute“) Selbst-Erkenntnis ist. Weil man aber über solche Tätigkeit schlechterdings nicht sprechen und nachdenken kann, ohne ein tätiges Subjekt zu nennen, versetzt Hegels Darstellung die Beschreibung von Tätigkeit ins Medium des Geistes. Sie schreibt die untersuchten Tätigkeiten einem formalen Subjekt zu, einer darstellungstechnischen Kunstfigur. Weil es ihm um menschliche Angelegenheiten geht, sind die Tätigkeiten, die er beschreibt, zumindest grundsätzlich |42|nicht vom Denken unabhängig. Deshalb besetzt Hegel die Stelle des grammatischen Subjekts solcher Tätigkeitsbeschreibungen mit „dem Geist“.