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|56|4. Die Elemente „sittlicher Wirklichkeit“

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Hegels Praxisphilosophie versteht die Form des geistigen Tätigseins als die Spannung zwischen seiner subjektiven und objektiven Beschreibung. Es wurde deutlich, dass die Gegenstände der Beschreibungen – unsere geistigen Vollzüge – nichts sind, das auch unabhängig von solchen Beschreibungen vorstellbar wäre. Man „hat“ ihren Begriff, indem man sie tatsächlich und angemessen begreift und ausspricht (nicht konstitutionstheoretisch: dadurch, dass man sie ausspricht!). Hegel umschreibt ein derart gelingendes Begreifen als eine „Versöhnung“ des Nachdenkens „mit der Wirklichkeit“ und als „Einheit der Form und des Inhalts“ (Hegel 1821, 27). Darin, dass eine Sache angemessen so gedacht wird, wie sie ist, ist das Nachdenken „mit der Wirklichkeit versöhnt“ – freilich nicht mit derjenigen der gedachten Sache, sondern mit seiner eigenen: „die Form in ihrer konkretesten Bedeutung“, schreibt Hegel in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, „ist die Vernunft als begreifendes Erkennen, und der Inhalt die Vernunft als das substantielle Wesen der sittlichen wie der natürlichen Wirklichkeit“ (Hegel 1821, 27). Ausgehend von diesem methodischen Kern differenziert Hegel sein Projekt und diskutiert Problemlagen, die traditionell den philosophischen Subdisziplinen überantwortet waren, als unterschiedliche Perspektiven auf ein und dieselbe Praxis des Geistes. Dabei bildet die Frage nach unseren menschlichen Angelegenheiten das Leitmotiv, in dem die Frage nach der „sittlichen“ und die nach der „natürlichen“ Wirklichkeit zusammenhängen. Man kann diesen Zusammenhang unterschiedlich perspektivieren – also eher auf die allgemeine kategoriale Systematik fokussieren, die unser Denken überhaupt strukturiert (das Projekt der Wissenschaft der Logik), oder auf die Art, in der die empirischen Wissenschaften Teil der Selbstreflexion unserer Praxis sind (das Projekt der Naturphilosophie im zweiten Teil der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften), oder schließlich auf die Art und Weise, in der unsere menschlichen Angelegenheiten sich in unserer Praxis manifestieren. Um diese letzte Perspektive geht es nun zuletzt. Sie ist einerseits für die „Geschichte der Praxisphilosophie“ interessant, weil sie traditionelle „praktisch-philosophische“ Aspekte behandelt. Vor allem aber ist sie andererseits für die Systematik der Praxisphilosophie zentral, weil zur Form geistiger Tätigkeiten ihre Normativität gehört. Hegel fasst das in der Frage nach der „sittlichen Wirklichkeit“: Das Wirksamsein praktischer Normativität im Handeln und Denken zu begreifen heißt, diese Normativität „substantiell“, also als objektiv und selbstgenügsam zu verstehen. Ihre Geltung hängt nicht von unserer Zustimmung ab; nur deshalb können diese Normen uns vernünftigerweise binden. Zugleich aber ist „in dem, was substantiell ist, ebenso die subjektive Freiheit zu erhalten“ – denn sonst wäre die freie Anerkennung normativer Autorität von bloßem Zwang, Vollzüge von Widerfahrnissen ununterscheidbar. Die Praxisphilosophie löst diese Spannung nicht (nach der Seite des Subjekts hin, oder nach der Seite etwa der „Struktur“ hin) auf, sondern markiert sie als das, was geistiges Tätigsein ausmacht: Die innere Spannung unseres Tätigseins steht „nicht in |57|einem Besonderen und Zufälligen, sondern in dem, was an und für sich ist“ (Hegel 1821, 27). Methodisch beginnt die Praxisphilosophie mit dem Aufweis der Notwendigkeit dieser Spannung, indem sie die Form unserer wirklichen Vollzüge reflektiert, um die „Vernunft als die Rose im Kreuze der Gegenwart zu erkennen“ (Hegel 1821, 26), also: gerade in dem, was uns als Problem irritiert, die Form zu verstehen, die sich darin exemplifiziert. Wie die Vernunft selbst ist dieses Fragen nach ihrer Manifestation deshalb unhintergehbar situiert: es ist seiner Form nach durch das bedingt, was es anstieß. Diese Erfahrung und Hegels Umgang mit ihr wird im Folgenden nachvollzogen: Der Anstoß ist das irritierende Dilemma, in das das subjektive Nachdenken über praktische Normativität führt (4.1.). Ganz unproblematisch wirklich ist „objektive“ Normativität dann, wenn sie verleiblicht ist: als Gewohnheit (4.2.). Gewohnheit allein reicht aber nicht, um die unser Handeln bestimmende Normativität zu verstehen. In intentionalen Vollzügen zeigt sich vielmehr, dass das, was (in der Gewohnheit) rein individuell aussah, sachlich schon auf die Allgemeinheit praktischer Formen bezogen ist (4.3.) – sodass die Form des individuellen Wollens seiner Form nach immer schon inter-subjektiv, oder ein Anerkennungsverhältnis ist (4.4.).

Philosophien der Praxis

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