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3.2.3 Umgang mit Modellen
ОглавлениеWie kann sinnvoll mit einem Modell gearbeitet werden? Zunächst ist es wichtig, sich klar zu machen, was ein Modell nicht kann: Es garantiert nicht den „richtigen“ Verlauf der Diskussion oder die „richtige“ Entscheidung, sondern es hilft, die Diskussion zu strukturieren und alle wichtigen Aspekte in einer sinnvollen Reihenfolge einzubeziehen. Das Modell soll den Diskussionsprozess in Fluss bringen, unterstützen, manchmal auch kanalisieren und fokussieren, nicht jedoch regieren und einengen. Auch das differenzierteste Modell wird die Komplexität einer realen Situation und die spezifischen Fragen, die sich darin stellen, nicht vollständig erfassen und vorweg nehmen können. Der Diskussionsprozess sollte so offen gestaltet werden, dass die Reflexion selbst die Kriterien hervorbringt, die für diese Situation bedeutsam sind [v. d. Arend u. Gastmans 1996: 124].
Deshalb ist es wichtig, ethische Falldiskussionen zu Entscheidungsfindungen oder Beratung moderieren zu lassen. Die Moderatorin sollte nicht Teil des Teams sein, damit sie unabhängig von Hierarchien und von möglicher Betroffenheit die Aufgabe wahrnehmen kann, eine gute Entscheidungsfindung bzw. Klärung zu begleiten und zu unterstützen.
Die Aufgaben der Moderatorin werden im Folgenden stichpunktartig zusammengefasst:
Aufgaben der Moderatorin bei ethischen Falldiskussionen/ Entscheidungsfindung [Rabe 2017: 132 ff.]
das Gespräch durch Impulse steuern
zurückhaltende Teilnehmer ermutigen – allzu aktive bremsen
sehr kurze oder unklare Äußerungen durch Nachfragen präzisieren; dabei aber nicht den Eindruck entstehen lassen, das Gesagte sei nicht gut genug
Eingreifen bei Polemik, Monologen oder Dialogen
Zusammenfassungen zwischendurch (z. B. am Ende jedes Schrittes des Modells) und am Ende der Diskussion
Überleitung zur ethischen Analyse durch geeignete Impulse: Es besteht grundsätzlich die Gefahr, in der Situationsanalyse hängen zu bleiben
Begründungen einfordern, ethische Begriffe (z. B. Prinzipien) situationsbezogen mit Inhalt füllen
„Zeitmanagement“ der Diskussion
Dissense ausdrücklich benennen und als positives Diskussionsergebnis würdigen
ein abschließendes „Blitzlicht“ lässt auch diejenigen zu Wort kommen, die sich in der Diskussion wenig geäußert haben
Ein geordnetes, gar moderiertes Gespräch zwischen Ärzten und Pflegenden über Therapieziele oder andere Entscheidungsfragen ist in den meisten Kliniken allerdings eher die Ausnahme. Entscheidungen werden vielerorts ohne Absprachen, oft „aus dem Bauch“ eines Einzelnen heraus getroffen, mit der Folge, dass andere Akteure die Entscheidung nicht akzeptieren und vielleicht sogar unterlaufen – zum Schaden von Patienten und Angehörigen.
Somit können unbefriedigende Formen der Entscheidungsfindung selbst zum ethischen Problem werden. Da die Modelle nur ein Baustein und kein „sicherer“ Weg zur guten Entscheidungsfindung sind, ist die Frage sinnvoll, welche zusätzlichen Faktoren gute Entscheidungsfindung ausmachen.