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Entwicklung

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E. bezeichnet einen ↗ Prozess oder Vorgang, der die Entstehung und/oder Veränderung einer Realität oder von Dingen fokussiert, und ist zunächst neutral. Indem das Subjekt-Objekt-Verhältnis von E. fokussiert wird und damit bspw. die Frage der Genese und Ausprägung der ↗ Wahrnehmung bzw. ↗ Erfahrung von ↗ Raum ins Zentrum rückt, wird der Begriff raumrelevant. Ursprünglich die Ab- und ↗ Auswicklung eines Gegenstandes bezeichnend, wird das Verb ‚(sich) entwickeln‘ ab dem 18. Jh. vermehrt transitiv verwendet und mit einer übertragenen Bedeutung des ‚(sich) Entfaltens‘, ‚(sich) stufenweise Herausbildens‘ versehen. Mit diesem Bedeutungswandel verbunden ist die Vorstellung, E. beinhalte zwingend, d.h. gesetzmäßig, einen ↗ Anfangs- und einen (normativ anzustrebenden) Endpunkt (↗ Ende) oder -zustand, den es – wie bei einer Leiter – stufenweise zu erklimmen gelte, wie die beiden folgenden Diskurse zeigen: Die E. des Raumwissens (↗ Wissen) als geometrische (↗ Geometrie) und arithmetische Erfahrung steht im Einklag mit dem Stadienmodell der kognitiven E. Dementsprechend lasse sich eine genaue Abfolge dieser Stufen beschreiben, wie die E.spsychologen Jean Piaget (1896–1980) und Bärbel Inhelder (1913–1997) in ihren phänomenologischen Studien mit Kindern, die sie 1948 in dem Werk La représentation de l’espace chez l’enfant zusammenfassen: Die E. von Geometrie und Raumerfahrung sei vom räumlichen, d.h. dem subjektbezogenen, egozentrischen (↗ Origo) und dem objektbezogenen, allozentrischen (↗ Schema) – d.h. dem fixierten (↗ Fixierung) bzw. dem koordinierten – Bezugssystem (↗ Nullpunkt) abhängig und lasse sich anhand relevanter räumlicher, d.h. topologischer (↗ Topologie) – elementare qualitative Verhältnisse zwischen Objekten im Raum, wie Nähe (↗ Ferne), Reihenfolge (↗ Serie) und Trennung – und projektiver (↗ Projektion) Verhältnisse, die aus einer speziellen ↗ Perspektive bzw. Anordnung heraus entstehen, beschreiben: so etwa Objekt in einer geraden ↗ Linie oder geometrische Eigenschaften des Raums, wie ↗ Winkel, ↗ Richtung und ↗ Distanz, als ↗ Relationen. Das Verdienst dieser entwicklungspsychologischen Arbeiten ist nach Piaget und Inhelder (1971, 15) die Einsicht, dass in der kindlichen E. „das Problem des Raumes von erstrangiger Bedeutung“ ist. Die durchgeführten Experimente beschränkten sich jedoch auf das ↗ Handeln in pädagogischen ↗ Situationen. Dadurch findet man weder Aussagen über die ↗ Aneignung des gesellschaftlichen Raums, noch zur Frage, wie sich die E. von Raumkognition außerhalb solcher Settings (↗ Schauplatz) bzw. auch quer zu E.sstadien vollzieht. Die Vorstellung unaufhaltsamer und unumkehrbarer E.sstadien taucht auch in polit-ökonomischen Diskursen wie bspw. der E.sländerforschung auf, wie dies bspw. Walt W. Rostow (1916–2003) in seinem Buch The Stages of Economic Growth von 1959 als Abfolge von der ‚traditionellen‘ zur ‚modernen‘ Gesellschaft (in Analogie zur USA) beschreibt (Rostow 1960). In neueren Diskussionen wird dieser universell gültige E.sweg als Wachstum kritisch hinterfragt (↗ Zyklus): Indem von einem prozessualen sozialen E.sbegriff ausgegangen wird, gelingt es, die aktuellen Verhältnisse der raumzeitlichen (↗ Raumzeit) E., angesichts sich entgrenzender und sich zunehmend globaler (↗ Globalisierung) gestaltender sozialer Prozesse, aufzuzeigen und für alle Menschen soziale Ermöglichungsräume (↗ Möglichkeit) zu konstruieren, die von dem aktiv handelnden Menschen mitgestaltet werden.

Literatur: Nigl 1981; Piaget et al. 1974; Reutlinger 2008.

Nigl, Alfred J. (1981): The Development of Children’s Understanding of Space Relations among Objects, Bern u.a.

Piaget, Jean u.a. (1974): Die natürliche Geometrie des Kindes, Stuttgart [frz. 1948].

Ders./Inhelder, Bärbel (1971): Die Entwicklung des räumlichen Denkens beim Kinde, Stuttgart [frz. 1948].

Reutlinger, Christian (2008): Raum und soziale Entwicklung, Weinheim.

Rostow, Walt W. (1960): Stadien des wirtschaftlichen Wachstums, Göttingen [amerik. 1959].

Christian Reutlinger

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