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Erinnerung

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E. kann nach Aristoteles’ (384–322 v. Chr.) Schrift Peri mnemes kai anamneseis (451a18–453b11) als das Wiedereinsetzen eines ursprünglichen Sinneseindruckes (↗ Sinn) durch einen Vorgang verstanden werden, der mit diesem in Verbindung steht. Dabei kehrt der sich Erinnernde in ↗ Zeit und ↗ Raum zum Gegenstand seiner E. zurück. Die Entwicklung des lateinischen Konzeptes der memoria, das sowohl mit ‚E.‘ als auch mit ‚↗ Gedächtnis‘ übersetzt werden kann, nimmt seinen Ausgangspunkt von einer vis memoriae, einer dem Menschen angeborenen Fähigkeit der E. Aus der Tradition der antiken Rhetorik entwickelt sich die ars memoriae oder Mnemotechnik ↗ Topik), die auf eine Verbesserung der Gedächtnisleistung durch systematisches Speichern (↗ Archiv) von Informationen ↗ Kanal) ausgerichtet ist. Der wesentliche Unterschied zur E. liegt darin, dass beim Abrufen dieser vorsätzlich gespeicherten Gedächtnisinhalte keine Rückkehr in Raum und Zeit zum gespeicherten Sinneseindruck oder ↗ Ereignis erfolgt, sondern lediglich auf erlernte Informationen zurückgegriffen wird, ohne damit verbundene ↗ Wahrnehmungen abzurufen. Anders als die Anwendung der Mnemotechnik wird E. nicht vorsätzlich erzeugt, sondern sie geschieht unwillkürlich. Aufgrund des ↗ Zeitraums, der zwischen der ursprünglichen Sinneswahrnehmung und dem Abrufen des Erinnerungsinhaltes liegt, kommt es beim ↗ Prozess der E. unweigerlich zu mehr oder weniger bewussten Modifikationen der Information. Dies bedeutet, dass E. in hohem Maße rekonstruktiv verfährt und somit einen Gegensatz zu der exakten Wiedergabe der Information darstellt, wie sie von der Mnemotechnik angestrebt wird. Gerade in der Raummetaphorik, die auf das künstliche Gedächtnis und E. angewendet wird, lassen sich diese Differenzen erkennen: Während das Gedächtnis durch einen strukturierten und einer bestimmten ↗ Ordnung verpflichteten Raum versinnbildlicht wird, stehen für die E. ↗ Metaphern unübersichtlicher, durch ↗ Unordnung charakterisierter Räume zur Verfügung. Wesentlich bei diesen Metaphern ist das durch bestimmte Wahrnehmungen oder Reize ausgelöste Element des Freilegens verschütteter Gedächtnisinhalte ↗ Ruine) als Prozess einer von Marcel Proust (1871–1922) in der zwischen 1913 und 1927 erscheinenden Recherche du temps perdu sog. ‚unwillentlichen E.‘ (frz. mémoire involontaire). Diese wird in seinem Werk immer wieder thematisiert: Eine äußere Wahrnehmung löst eine Reihe von Assoziationen aus, die allmählich die verborgenen ↗ Schichten der E. aufdecken. In einer mit der Meditation vergleichbaren aktiven E.sarbeit kann der Inhalt dieser E. geborgen und an die ↗ Oberfläche des Bewusstseins zurückgeholt werden.

Literatur: Assmann 1999; Jünger 1957; Yates 1990.

Assmann, Aleida (1999): Erinnerungsräume, München.

Jünger, Friedrich G. (1957): Gedächtnis und Erinnerung, Frankfurt a. M.

Yates, Frances (1990): Gedächtnis und Erinnern, Weinheim [engl. 1966].

Monika Hanauska

Lexikon Raumphilosophie

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