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Ereignis

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In seiner Speziellen Relativitätstheorie nennt Albert Einstein (1879–1955) das E. den elementaren Gegenstand der ↗ Wahrnehmung: Es besitzt in jedem Bezugssystem drei Raum- und eine Zeitkoordinate und wird in verschiedenen Bezugssystemen mit unterschiedlichen Koordinatenwerten gemessen, wobei ↗ Raum und ↗ Zeit nicht mehr unabhängig voneinander existieren. Ein Versuch von Albert A. Michelson (1852–1931) und Edward W.Morley (1838–1923) von 1886 ergibt für das Sternenlicht denselben Wert seiner Geschwindigkeit (↗ Beschleunigung), unabhängig von der Relativbewegung (↗ Bewegung) der Messapparatur zur Lichtquelle (Michelson/Morley 1886). Hendrik A. Lorentz (1853–1928) schlägt 1892 vor, dies mit einer Verformung der Messapparatur im Verlauf ihrer ↗ Bewegung durch den ↗ Äther zu erklären, die genau die Größe des Effektes hat, der in der Relativitätstheorie Längenkontraktion heißt (Lorentz 1907). Einstein (1905) zieht aus dem Relativitätsprinzip (↗ Relativität) – nach dem alle physikalischen Vorgänge, insbesondere die mechanischen und die elektrodynamischen, in jedem gleichmäßig gegen ein anderes bewegten Bezugssystem die selbe Gestalt haben müssen – und aus der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit den Schluss, dass einem ↗ absoluten Raum und einer absoluten Zeit keine physikalische Realität mehr zuzumessen ist. Sowohl die Gleichzeitigkeit zweier E.se als auch deren Raumabstand (↗ Distanz) wird von gegeneinander bewegten Beobachtern unterschiedlich bewertet (↗ Metrik); Längen verkürzen sich, die Zeit wird gedehnt. Die Lorentz-Transformation rechnet die einen in die anderen Werte um. Raum- und Zeitverhältnisse lassen sich nicht mehr separat voneinander beurteilen, erst die Gesamtheit der vier Koordinaten eines E.ses und die Transformationen, die diese Koordinaten miteinander vermischen, erlauben die Gültigkeit des Relativitätsprinzips und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Sind E.se an eine Substanz gebunden, bewegen diese sich auf einer ↗ Weltlinie durch die ↗ Raumzeit. Einstein deutet Längenkontraktion und Zeitdilatation als Eigenschaften der Raumzeit selbst, die in der Allgemeinen Relativitätstheorie in ↗ Anwesenheit von Gravitation (↗ Kraft) zu einem gekrümmten Raum wird. In der Literaturtheorie hat Juri Lotman (1922–1993) auf die besondere Funktion des E.ses im narrativen Raum hingewiesen: Lotman (2006, 532) gilt das E. als „kleinste unauflösbare ↗ Einheit des Sujetaufbaus“, indem es durch ↗ Abweichung von der Norm Bedeutung (↗ Semantik) konstituiert. In ähnlichem Sinne ist das physikalische E. auch die Abweichung von der Norm des isotropen und des homogenen Raums, etwa als die Voraussetzung für einen Messvorgang (↗ epistemisches Objekt).

Literatur: Badiou 2005; Einstein 2009; Feynman et al. 2006, 209–224.

Badiou, Alain (2005): Das Sein und das Ereignis, Zürich/Berlin [frz. 1988].

Einstein, Albert (1905): Zur Elektrodynamik bewegter Körper, in: Annalen der Physik 322/10, 891–921.

Ders. (72009): Grundzüge der Relativitätstheorie, Berlin/Heidelberg [1922].

Feynman, Richard P./Leighton, Robert B./Sands, Matthew (52006): Mechanik, Strahlung, Wärme, München [amerik. 1964].

Lorentz, Hendrik A. (1907): Die relative Bewegung der Erde und des Äthers, in: ders.: Abhandlungen über theoretische Physik, Leipzig, 443–447 [niederl. 1892].

Lotman, Juri (2006): Künstlerischer Raum, Sujet und Figur, in: Raumtheorie, hg. v. J. Dünne u. S. Günzel, Frankfurt a.M., 529–543 [russ. 1970].

Michelson, Albert A./Morley, Edward W. (1886): Influence of Motion of the Medium on the Velocity of Light, in: American Journal of Science 31/185, 377–386.

Martin Warnke

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