Читать книгу Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik - Группа авторов - Страница 101
17. Pluri- und Multikulturalität im fremdsprachendidaktischen Diskurs 1. Problemaufriss
ОглавлениеZwischen ‚Sprache‘ und ‚KulturKultur‘ werden in fremdsprachendidaktischen Kontexten seit Langem enge Verbindungen gesehen (↗ Art. 1). Wie Werner Hüllen (1997: 50) metaphorisch schreibt, bildet ihre konzeptuelle Verknüpfung gleichsam den „Sockel eines Kontinents, auf dem die Wellen [i. e. die unterschiedlichen auf den Fremdsprachenunterricht bezogenen Konzeptionen und Methoden, L. K.] zwar immer wieder den Sand überspülen, dem sie aber letztlich nichts anhaben können“. Dies gilt besonders für den deutschen Sprachraum, in dem sich unter dem Einfluss der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts eine eigene kulturalistische Tradition etablierte, die sich – so Hüllen (ebd.: 50f.) – deutlich von den stärker utilitaristischen Diskursen in England oder Frankreich abhob.
Während im 19. und 20. Jahrhundert hierzulande die Leitkonzepte der Kultur- und Landeskunde (↗ Art. 35) die fremdsprachendidaktischen Diskurse bestimmten (vgl. Raddatz 1996), setzten sich seit den 1990er-Jahren die Konzepte der InterkulturalitätInterkulturalität und des interkulturellen Lernens durch (↗ Art. 32). Man könnte geradezu von einem Boom einschlägiger Schriften sprechen, der nicht zuletzt dem Gießener GraduiertenkollegGießener Graduiertenkolleg „Didaktik des Fremdverstehens“ um Lothar Bredella und Herbert Christ zu verdanken ist (↗ Art. 36). Wie das Präfix „inter“ bereits erkennen lässt, sind die Zielsetzungen des interkulturellen Lernens bzw. später der interkulturellen Kompetenz von der Vorstellung einer Dichotomie bzw. einer Bipolarität geprägt. Zwischen der eigenen Sprache und der Zielsprache und über diese vermittelt zwischen der „eigenen“ und der „fremden Kultur“ Brücken zu bauen, war und ist das Anliegen einer interkulturellen Pädagogik und Didaktik.
In anglophoner Forschung artikulierten sich demgegenüber schon früh Stimmen, die fremdsprachliches Lernen und Lehren in einen übergreifenden Rahmen stellten, so z.B. Michael Byram (1989) mit seinem Konzept der „tertiary socialisationtertiary socialisation“ und vor allem Claire Kramsch (1995) mit ihren Vorstellungen eines dritten Orts. Es ist zum einen der zunehmenden GlobalisierungGlobalisierung unserer Lebensverhältnisse mit den aus ihr resultierenden Vermischungen und HybridisierungenHybridisierungvon Kulturen zuzuschreiben, dass in aktueller fremdsprachendidaktischer Forschung eine auf Kulturkontrastivität angelegte Ausrichtung auch im deutschen Sprachraum als nicht mehr zeitgemäß betrachtet wird. Zum anderen manifestiert sich hier aber zugleich (und vermutlich vor allem) der Einfluss poststrukturalistischen Denkens, welches das Strukturprinzip binärer Oppositionen radikal ablehnt (↗ Art. 40, 41).