Читать книгу Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik - Группа авторов - Страница 91
4. MehrfachidentitätMehrfachidentität
ОглавлениеDer Begriff der Identität (↗ Art. 1) ist gleichfalls ein Begriff, der sich zum einen auf Individuen richtet (personale Identität), zum andern aber auch genutzt wird, um soziale Gruppen zu charakterisieren (Gruppenidentität). Sprache und gemeinsame kulturelle Merkmale (Religion, gemeinsame Geschichte) machen eine Gruppe erst zur Gruppe – erst recht bei der ‚nationalen Identität‘Identitätnationalenationale Identität, bei der ein Mensch sich erst durch solche Merkmale als zugehörig erweisen kann. Analog zu der nationalstaatlichen Entwicklung der letzten 200 Jahre in Europa mit der Vorstellung „ein Staat – eine Sprache“ hat auch hinsichtlich der kulturellen Prägungen und Zugehörigkeiten der Gedanke der gemeinsamen Kultur Fuß gefasst, gleich ob damit die religiösen Grundlagen oder ein geteiltes Geschichtsbewusstsein oder zentrale gesellschaftliche Konzepte gemeint sind; zur klassischen Vorstellung von kultureller Identitätkulturelle IdentitätSiehe Identität, kulturellekulturelle Identität werden durchweg EthnizitätEthnizität, ReligionReligion, SpracheSprache und NationalitätNationalität gerechnet (↗ Art. 10). Gleichzeitig wird in allen Konzepten zur personalen Identität betont, dass es sich nicht um ein starres, unveränderliches Konstrukt handelt; je nach Entwicklung und Erfahrungen kann sich die Identität eines Menschen wandeln und damit auch die Rolle, die sprachlich-kulturelle Prägungen dabei spielen (vgl. Thim-Mabrey 2003). Das jedoch ist in monokulturellen Konzepten nicht vorgesehen: Mehrkulturelle IdentitätIdentitätmehrkulturelle bedeutet, dass Normalitätsannahmen monokultureller Gesellschaften nicht mehr funktionieren, dass auch andere kulturelle Deutungen als die der Mehrheitsgesellschaft für einen Menschen bedeutsam sind. Ob und in welcher Form sich eine mehrkulturelle IdentitätIdentitätmehrkulturelle entwickeln kann, also ein Selbstverständnis, in dem Menschen sich verschiedenen kulturellen Räumen und Gruppen zugehörig fühlen und verschiedene kulturelle Merkmale gleichrangig integriert haben, oder ob Mehrkulturalität als Bedrohung abgelehnt wird, hängt von den Lebensumständen und insbesondere der Offenheit der Gesellschaft (Schule und Aufnahmeland) ab. Im Laufe von Migrationsprozessen entstehen im günstigen Fall transnationale Räume, die die gleichzeitige und sich überlagernde Zugehörigkeit zu verschiedenen Sprach- und Kulturwelten erlauben und zur Entwicklung einer Mehrfachidentität führen können. Für die Entwicklung und Anerkennung einer solchen mehrkulturellen (und mehrsprachigen) Identität bedarf es einer Gesellschaft, die ihrerseits Mehrkulturalität als konstitutives Merkmal ihrer Verfasstheit ansieht und auf monokulturelle Normierungen verzichtet. Kulturelle Identität in diesem Sinne würde bedeuten, dass die Zugehörigkeit gerade durch die Anerkennung von Verschiedenheit entsteht (↗ Art. 38, 39). In diesem Sinne ist der Begriff der „democratic citizenshipcitizenshipdemocratic“ ausdrücklich nicht nur auf NationalitätNationalität bezogen, sondern auf die gemeinsame Verpflichtung auf Grundwerte wie z.B. fundamentale Menschen- und Freiheitsrechte (vgl. Starkey 2002).