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14. Gesamtsprachencurriculum

1. Begrifflichkeit

Der Begriff des GesamtsprachencurriculumsGesamtsprachencurriculum steht einerseits generisch für Unterrichtskonzepte, Stundentafeln und Strukturplanungen, die sprachenübergreifend organisiert sind und echte MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitechte in Schulen (und anderen Bildungsinstitutionen) anstreben (vgl. Hufeisen 2005, 2011) (↗ Art. 7, 21). Andererseits steht der Begriff des Gesamtsprachencurriculums als Prototyp für PlurCur®PlurCur®. Dies ist das Akronym für den Namen eines ursprünglich am Europäischen Fremdsprachenzentrum in Graz angesiedelten Projektes, dessen Einsatz an 16 europäischen Schulen erprobt und erforscht wurde. Es gibt andere Konzepte, die sprachenübergreifendes Arbeiten ermöglichen sollen, z.B. stufenübergreifende MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitstufenübergreifende (vgl. Wode et al. 1999), für Österreich Reich & Krumm (2013), für die Schweiz Manno & Egli Cuenat (2018).

PlurCur® zeichnet sich allerdings nicht nur durch das Merkmal des Sprachenübergreifenden, dem die interkulturellen Dimensionen inhärent sind, aus, sondern auch durch die Merkmale des Fächer- und Jahrgangsübergreifenden sowie die konsequente Projektorientierung, die die vorgenannten Merkmale überhaupt erst möglich machen (vgl. Allgäuer-Hackl et al. 2015).

2. Problemaufriss

Der Entwicklung sprachenübergreifender Konzepte und Modelle liegt zunächst das bildungspolitische Ziel zugrunde, mit der Erstarkung einzelner überregionaler Verständigungssprachen in Bildungsinstitutionen andere und weitere FremdsprachenFremdsprachen zu erhalten und ebenfalls zu stärken. So soll verhindert werden, dass immer weniger Fremdsprachen immer häufiger und länger und so genannte zweite und weitere Fremdsprachen immer seltener und kürzer gelernt werden oder dass sie mit Verweis auf andere, vermeintlich wichtigere, Fächer ganz aus dem Lehrplan genommen werden. Für den deutschen Bildungsraum gilt dies beispielsweise für die typischen zweiten (Fremd)Sprachen Französisch oder Latein, für den weltweiten Raum gilt dies u.a. für die Fremdsprache DeutschDeutsch, die praktisch nirgends mehr als erste, sondern allenfalls als zweite Fremdsprache, meist nach Englisch oder einer anderen überregionalen Verständigungssprache, oder sogar erst nach beiden gelernt wird.

Eine zweite Begründung für die Entwicklung gesamtsprachencurricularer Ansätze ist der Versuch, die lebensweltliche Mehrsprachigkeitlebensweltliche Mehrsprachigkeit (↗ Art. 100) curricular aufzunehmen und abzubilden. Dies geschieht durch den systematischen Einbezug einerseits der jeweiligen UmgebungsspracheUmgebungssprache(n) (in Deutschland also deutsch), andererseits, wenn möglich, der jeweiligen Herkunftssprachen (↗ Art. 106) der Mitglieder einer Bildungsinstitution. Schließlich sollen in gesamtsprachencurricularen Rahmungen auch die so genannten klassischen Fremdsprachen einen Platz haben (vgl. Hufeisen 2015).

3. Forschungsstand

Einzelberichte zu Forschungsstudien finden sich in Allgäuer-Hackl et al. (2015), z.B. zu den Einstellungen zur eigenen Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern, die im Rahmen einer mehrsprachigen Theater-AG untersucht wurden (vgl. Henning eingereicht). Kordt (2018) erarbeitete im Rahmen der Untersuchung ihrer an EuroComGermEuroComGerm orientierten mehrsprachigen Projektwochen einen affordanztheoretischen Bezugsrahmen. Allgäuer (2017) zeigte den Nutzen mehrsprachigen Arbeitens für die Ausbildung von SprachenbewusstheitSprachenbewusstheit und -sensibilisierung und die Auswirkungen für andere Fächer.

4. Praxisrelevanz

Angesichts der kulturell und sprachlich immer heterogener werdenden Bevölkerungen sind gesamtsprachencurriculare Implementierungen an Bildungsinstitutionen eigentlich eine zwingende Notwendigkeit; insofern ist von einer hohen Praxisrelevanz auszugehen. Jede Form der systematischen gesamtsprachencurricularen Umsetzung bedarf jedoch grundsätzlicher (Um)Strukturierungen, die auf allen Seiten der Beteiligten Geduld und einen langen Atem erfordern und sich nicht im Rahmen einzelner Legislaturperioden durchführen lassen. Einzelaspekte lassen sich unproblematisch in den Wahlpflichtbereich (vgl. Fasse 2014) oder in Projektwochen (vgl. Kordt 2015) und manchmal sogar ad hoc in den Unterricht einfügen; diese werden jedoch kaum so nachhaltig sein können wie umfassende Umstellungen (vgl. Hufeisen 2019).

5. Perspektiven

Das ERASMUS+-Folgeprojekt PlurEPlurE hat den Umsetzungsdimensionen die digitale Komponente hinzugefügt (vgl. PlurE). Es gibt zunehmend Schulen, die sich für die Implementierung gesamtsprachencurricularer Strukturen interessieren und entsprechende Begleitforschung einplanen (vgl. formatio), so dass anzunehmen ist, dass Gesamtsprachencurricula noch eine Weile eher an individuellen Schulen ausprobiert und eingeführt werden, dass aber auch die offizielle BildungspolitikBildungspolitik diese Entwicklungen nicht dauerhaft ignorieren sollte.

Literatur

Allgäuer, E. (2017): Multilingual/metalinguistic awareness in school contexts within a dynamic systems and complexity theory perspective. The effects of training on multiple language use and multilingual awareness. Innsbruck, unveröffentlichte Dissertation an der Universität Innsbruck.

Allgäuer-Hackl, E., Brogan, K., Henning, U. et al. (Hrsg.) (2015): Mehr Sprachen? – PlurCur! Berichte aus Forschung und Praxis zu Gesamtsprachencurricula. Baltmannsweiler.

Fasse, G. (2014): Im Meer der Sprachen. In: Fremdsprache Deutsch 50, 36-41.

Henning, U. (eingereicht): Zum Wandel der Einstellungen von SchülerInnen zu Mehrsprachigkeit und einzelnen Sprachen. Darmstadt, Dissertation.

Hufeisen, B. (2005): Gesamtsprachencurriculum: Einflussfaktoren und Bedingungsgefüge. In: B. Hufeisen & M. Lutjeharms (Hrsg.): Gesamtsprachencurriculum – Integrierte Sprachendidaktik – Common Curriculum. Theoretische Überlegungen und Beispiele der Umsetzung. Tübingen, 9-18.

Hufeisen, B. (2011): Gesamtsprachencurriculum: Überlegungen zu einem prototypischen Modell. In: R. Baur & B. Hufeisen (Hrsg.): "Vieles ist sehr ähnlich." – Individuelle und gesellschaftliche Mehrsprachigkeit als bildungspolitische Aufgabe. Baltmannsweiler, 265-282.

Hufeisen, B. (2015): Zur möglichen Rolle der sog. klassischen Sprachen für Gesamtsprachencurriculumskonzepte. In: S. Hoffmann & A. Stork (Hrsg.): Lernerorientierte Fremdsprachenforschung und -didaktik. Tübingen, 45-57.

Hufeisen, B. (2019): Förderung des DAF-Unterrichts durch Mehrsprachigkeitskonzepte. In: U. Ammon & G. Schmidt (Hrsg.): Förderung der deutschen Sprache weltweit. Vorschläge, Ansätze und Konzepte. Berlin, 337-350.

Kordt, B. (2015): Sprachdetektivische Textarbeit. In: Praxis Fremdsprachenunterricht 4, 4-9.

Kordt, B. (2018): Herausforderungen und Chancen eines affordanztheoretischen Ansatzes in der Fremdsprachenlehr-/lernforschung. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 29/2, 147-168.

Manno, G. & Egli Cuenat, M. (2018): Sprachen- und fächerübergreifende curriculare Ansätze im Fremdsprachenunterricht in der Schweiz. Curricula in zwei Bildungsregionen und Resultate aktueller empirischer Studien in der Deutschschweiz. In: Zeitschrift für Fremdsprachenforschung 29/2, 217-243.

Reich, H. H. & Krumm, H.-J. (2013): Sprachbildung und Mehrsprachigkeit. Ein Curriculum zur Wahrnehmung und Bewältigung sprachlicher Vielfalt in Unterricht. Münster.

Wode, H., Burmeister, P., Daniel, A. & Rohde, A. (1999): Verbundmöglichkeiten von Kindergarten, Grundschule und Sekundarstufe I im Hinblick auf den Einsatz von bilingualem Unterricht. In: Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 4/2. [http://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/655/631].

Internet

formatio: www.formatio.li/neuigkeiten/nachrichten/detailansicht/datum/2018/02/28/mehrsprachigkeit-als-schulkonzept-das-5-bildungsforum-an-der-formatio.html

PlurCur®: www.ecml.at/plurcur

PlurE: https://danmar-computers.com.pl/en/projekty-archiwum/europejskie/eu2015/plure-erasmus/] und [http://www.daf.tu-darmstadt.de/forschungprojekte/laufende_projekte/gesamtsprachencurricula/inhalt_mit_marginalienspalte_43.de.jsp

Britta Hufeisen

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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