Читать книгу Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik - Группа авторов - Страница 83
2. Vorteile des Englischen in der EUEU
ОглавлениеInfolge einer informellen Vereinbarung hat sich faktisch nach dem Beitritt der osteuropäischen Länder in die Union das Englische als VerkehrsspracheVerkehrssprache der europäischen Bürger Eurosprachedurchgesetzt (↗ Art. 97, 98). Die Breite und Tiefe der ThemenThemen, die über das Englische transportiert werden können, stehen und fallen mit der Englischkompetenz der KommunikationspartnerEnglischkompetenz der Kommunikationspartner. Laut den Eurydice-Statistiken (z.B. 2017: 71) beherrschen die Europäer Englisch mehrheitlich besser als jede andere Fremdsprache. Zudem erkennen sie die Vorteile von guten Englischkenntnissen an. Dies erklärt, weshalb die meisten europäischen Schüler das Englische als erste Fremdsprache lernen. Klippel (2009: 15) rechnet einer funktionalen EnglischkompetenzEnglischkompetenz den StatusPrestigevon Englisch einer notwendigen „Kulturtechnik“ ähnlich der Lese- und Rechenfähigkeit zu. Die Verbreitung des Englischen in den Medien, unserer Produktwelt, dem Internet, in Beruf und Studium befördert die Englischkenntnisse der europäischen Bevölkerungen. (Zugleich droht sie aber auch, Menschen aus der notwendigen Kommunikation auszuschließen, weil sie gar kein Englisch verstehen).
Als eine Art JokerspracheJokerspracheEnglisch bietet sich Englisch immer dann an, wenn die Kommunikationssituation Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen und operablen Fremdsprachenkenntnissen, jedoch ohne Kenntnis der beteiligten Partnersprachen, zusammenführt. Englisch wird dann von allen Teilnehmern noch am ehesten verstanden (doch wird auch stillschweigend vorausgesetzt, dass diese sich in englischer Sprache hinreichend präzise ausdrücken können); weil es auf den ersten Blick ökonomischer scheint, in Englisch zu kommunizieren als das ÜbersetzenÜbersetzen in mehrere Sprachen; weil es den Vorteil der kulturellen NeutralitätNeutralitätkulturelle genießt (zumindest solange keine nativ Anglophonen und deren NormenNormen im Spiele sind). In dieser Weise ist Englisch alternativlos, solange man Kunstsprachen (Esperanto usw.) ausklammert. Natürlich darf der Blick auf Euro-Englisch den globalen StatusPrestigevon Englisch von Englisch (besser vielleicht von „the EnglishesEnglishes“) nicht ausblenden. Ob es ein Sesam-öffne-dich für die internationale Kommunikation ist (und wie weit es das tut), entscheidet die interkulturelle Kommunikationsfähigkeit einer amorphen intersocietyintersociety. So bezeichnet Hüllen (1987) die sich täglich neuformierende, mindestens 1,5 Mio starke Gemeinschaft derer, die sich des Englischen als non-natives in internationaler KommunikationKommunikation bedienen. Weitgehend läuft deren Kommunikation in konkreten Situationen mit enger Mitteilungsintention – im Flughafen, beim Einkaufen usw. – ab. Ihr fehlen sehr oft weiter reichende „common groundscommon grounds“ von ThemenThemen. Gerade deren Repertoire aber macht, wie Luhmann (1991) betont, eine KulturKultur aus. Fehlende Sprachloyalität stellt auch die Orientierung an ein und derselben linguistischen Norm, etwa des britischen Englisch, in Frage. Das, was gedacht wird, läuft also weiterhin in Chinesisch oder Deutsch ab, die Oberfläche liefert indes das Englische (oft in einer fragwürdigen Form). All das kann zutreffen, muss aber nicht! Begegnet hier ein „GlobalesischGlobalesisch“ (Trabant 2005)? Die Frage wird letztlich von den Menschen entschieden, die sich des Englischen als lingua francalingua franca, als ArbeitsspracheArbeitssprache oder als internationale Alltagssprache / Zweitsprache bedienen. Die Zuordnungen sind nicht leicht voneinander zu unterscheiden.
Die Frage der Qualität der Kommunikation ist nicht plakativ zu beantworten. Der in den Wissenschaften geführte Diskurs um die Verwendung des Englischen z.B. im Deutschen betont die Unterschiede der Bindung von Sprache an Themen und Inhalten: Während die Inhalte der juristischen FachspracheFachsprache erst in der jeweiligen Rechtsgemeinschaft kreiert und kodifiziert werden, sind die Fachsprachen der Naturwissenschaften weitgehend unabhängig von einzelkulturellen Inhalten. Dieser Sachverhalt bedeutet Einiges für die Übertragung von Gedanken in eine fremde Sprache. Deutsche juristische oder geisteswissenschaftliche Zusammenhänge in englischer Sprache zu formulieren (nicht: zu übersetzen) ist nur zum Preis der Aufgabe von KonnotationenKonnotationen möglich. In diesem Zusammenhang unterstreichen mehrere Autoren das Risiko des Verlusts von DiskursdomänenVerlust von Diskursdomänen in den gegenüber der internationalen Sprache schwächeren nationalen oder gar regionalen Sprachen.
In allen Ländern der EUEU ist Englisch faktisch eine schulische Pflichtfremdsprache (Eurydice 2017: 71), zumeist wird es als erste Fremdsprache belegt. Ihr Unterricht beginnt überwiegend in der GrundschuleGrundschule, sodass das Kriterium, die geographisch nächstgelegenen NachbarsprachenNachbarsprachen zu priorisieren, oft nur in den Grenzräumen Bestand hat. Der erhoffte Effekt, mit nahezu allen Nachbarn in Europa zumindest partiell auf Englisch kommunizieren zu können, lässt sich zwar aus der quantitativen Privilegierung des Englischen, das EU-weit von 85 % der Schüler auf der Sekundarebene erlernt wird (Eurydice 2017: 167) und mit 38 % die meistgesprochene Fremdsprache in Europa ist, ablesen, ist jedoch sicherlich noch eher eine Projektion als Realität.