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3. „Der monokulturelle Habitusmonokultureller Habitus“ des multikulturellen Bildungswesens

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Die von Gogolin (1994) für die Schule geprägte Wendung vom „monolingualen Habitus der multilingualen Schule“ lässt sich durchaus auch auf die kulturelle Perspektive übertragen: Fast überall in Europa ist das Bildungswesen ungeachtet der Tatsache, dass Kinder aus unterschiedlichen Kulturräumen und mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen sie besuchen, auf homogene Lerngruppen hin orientiert und verfügt über ein großes Instrumentarium, um diese Homogenität zu sichern bzw. herzustellen, von der Jahrgangsklasse, den Einschulungs- und Versetzungsbestimmungen über Notengebung und LeistungsbeurteilungBeurteilungTests u. Schülerarbeiten, standardisierte Lehrpläne, Unterrichtsmethoden und Vergleichsstudien bis hin zu zentralen Bildungsstandards und Prüfungen. Nur unter der Voraussetzung der Homogenität kann es nämlich – so glaubte man lange und glaubt es vielfach immer noch – gelingen, 20 bis 30 Kinder in der gleichen Klasse, in der gleichen Lernzeit und nach den gleichen Unterrichtsmethoden erfolgreich zu unterrichten. Diese Homogenitätserwartung hat dazu geführt, dass Instrumente zur Assimilation anderssprachiger und kulturell anders geprägter Kinder entwickelt wurden, neben segregierenden Sprachförderprogrammen z.B. Werte- oder Orientierungskurse, die nicht immer dem differenzierenden Eingehen auf die mitgebrachten RessourcenRessourcenKonstituenten von Kompetenz, sondern der Anpassung an die Rituale und Normalitätsvorstellungen der Aufnahmegesellschaft dienen. „Kultur“ bekommt in dieser Perspektive die Konnotation der Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit, erlaubt es, Unterschiede zu machen; IntegrationIntegration wird zunehmend als AssimilationAssimilation verstanden (↗ Art. 37). Eine Mischung von Kulturen, aus der dann etwas Neues entsteht und die bisherigen Unterschiede und Differenzen aufgehoben sind, wie das etwa auch im Begriff des Schmelztiegels zum Ausdruck kommt, ist in vielen europäischen Gesellschaften unerwünscht (↗ Art. 32). Der Begriff der multikulturellen Gesellschaft wird in der politischen Debatte daher zunehmend auch kritisch gesehen, das Konzept einer multikulturellen Gesellschaft als gescheitert betrachtet. Andererseits bleibt es Ziel der BildungspolitikBildungspolitik, das Zusammenleben in der ‚multikulturellen Schule‘ zu fördern und zu erleichtern und die SchulentwicklungSchulentwicklung so zu gestalten, dass sich das monokulturelle Grundverständnis zugunsten einer multikulturellen Schule ändert. Seit die deutsche Bildungspolitik (↗ Art. 21) inklusive Erziehung zu einer ihrer Prioritäten erklärt hat und eine Pädagogik der DiversitätDiversitätPädagogik der anstrebt, gibt es hierfür eine Perspektive, wobei kritisch anzumerken ist, dass sich die deutsche Diskussion im Gefolge der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 entwickelt hat. Erst allmählich gewinnt der Menschenrechtsgedanke (↗ Einleitung) für alle Lernenden und die Erkenntnis an Boden, dass es darum geht, auf Unterscheidungen zwischen Menschen auf der Grundlage willkürlich gewählter Merkmale insgesamt zu verzichten und Bildungsgerechtigkeit herzustellen (vgl. Burwitz-Melzer u.a. 2017).

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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