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2 Zur Setzung bzw. Nicht-Setzung des Subjektpronomens im Altfranzösischen

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Nach einem satz-einleitenden Nicht-Subjekt, im Folgenden „X“ genannt,1 steht das nominale Subjekt regelmäßig in Inversion (cf. Foulet 1968 [1930]:§ 450). Es heisst also

 (1) Li rois dist: …

aber:

 (2) Lors dist li rois: …

Das ist die berühmte „V2“-Regel des Altfranzösischen (cf. etwa Marchello-Nizia 1999:41).2 Ist das Subjekt hingegen pronominal, wird es meist nicht gesetzt, wenn es in Inversion nach „X“ stünde. Es heisst also

 (3) Il dist: …

aber:

 (4) Lors dist Ø: …

Die Nicht-Setzung des Subjektpronomens, stünde es in Inversion, wurde auf klare Weise von Foulet (1968 [1930]) und Franzén (1939) beschrieben. Foulet nennt dieses Merkmal zu Recht „un des faits les plus curieux de la syntaxe médiévale“:

[L]’inversion du sujet est souvent masquée par une habitude qui constitue un des faits les plus curieux de la syntaxe médiévale […]: si le sujet est un pronom personnel, il sera très souvent sous-entendu. C’est là un point fondamental de la syntaxe du vieux français: l’inversion du sujet entraîne facilement dans le cas du pronom personnel l’omission du sujet. (Foulet 1968 [1930]:§ 457; Hervorhebung von ihm)

Franzén beschreibt die Nicht-Setzung des Subjektpronomens sowohl in Haupt- als auch in Nebensätzen. Zur Nicht-Setzung in Hauptsätzen bemerkt er:

[Le sujet n’est pas exprimé quand] [l]e verbe est précédé d’un membre de phrase accentué, ce qui entraîne le plus souvent l’omission du pronom sujet. (Franzén 1939:24)

Dasselbe gilt auch für Nebensätze:

[Q]uand le verbe de la subordonnée était précédé d’un membre de phrase à accent propre, le pronom sujet était à l’ordinaire omis. (Franzén 1939:27)

Allerdings ist die Position des nicht-gesetzten Subjektpronomens im Haupt- und Nebensatz nicht identisch: während sie sich im Hauptsatz nach dem Prädikat befindet (cf. Beisp. (4)), ist sie im Nebensatz vor dem betonten Element anzusetzen:

 (5) Quant Ø infans fud (Leodegarlied V. 13)3

Cf. Foulet (1968 [1930]:§ 466) und das folgende Beispiel

 (6) Qu’elle Deo raneiet (Eulaliasequenz V. 6)

wo das Subjektpronomen ausnahmsweise gesetzt wird.4

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig festzuhalten, dass die Nicht-Setzung des pronominalen Subjekts nicht etwa von seiner Referenzidentität mit einem unmittelbar zuvor genannten Subjekt abhängt; cf. Franzén zu Haupt- und Nebensätzen: „[I]l n’est pas nécessaire que le sujet sous-entendu soit identique à celui de la proposition précédente“ (1939:26)5 und „Cette règle était observée, que le sujet de la subordonnée fût identique, ou non, à celui de la principale“ (Franzén 1939:27, Anm. 5). Die Nicht-Setzung des Subjektpronomens ist also syntaktisch bedingt. Dasselbe gilt auch für seine Setzung: „The use of the unstressed subject pronoun in OFr depends mainly on the structure of the clause“ (Price 1979:§ 11.5.2). Sie hat, den Bemerkungen von Foulet, Franzén und Price zufolge, nichts mit einem etwaigen „Subjektwechsel“, „Topicwechsel“6 oder einer besonderen Hervorhebung des Subjektreferenten7 zu tun, sondern stellt den „Normalfall“ dar. Wenn diese Auffassung richtig ist, müssen wir also nicht die Setzung, sondern im Gegenteil die Nicht-Setzung des Subjektpronomens erklären.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die unterschiedliche Frequenz der Setzung des Subjektpronomens in Haupt- und Nebensätzen. Da Hauptsätze im Altfranzösischen sehr häufig durch ein Element „X“ eingeleitet werden, das die Inversion auslöst, kommen Subjektpronomina in Hauptsätzen viel seltener als in Nebensätzen vor, wo die einleitende Konjunktion oder das Relativpronomen8 nicht als „X“ zählen (cf. Foulet (1968 [1930]:§ 459). Das Subjektpronomen steht folglich ganz regulär nach der Konjunktion oder dem Relativpronomen (sofern nicht ein betontes Element dem Verb vorausgeht):

 (7) la nef […] ou il deveit entrer (Alexiusleben V. 77)

Franzén (1939:29) fasst diesen Sachverhalt folgendermaßen zusammen:

Quand le sujet n’était pas un substantif, la principale se construisait, dans l’immense majorité des cas, complément + verbe, tandis que, dans la subordonnée, la construction conjonction + pronom sujet + verbe (+ complément) prédominait dès l’époque de l’Alexis.

Daraus ergibt sich eine offensichtliche „Asymmetrie“ zwischen Haupt- und Nebensätzen,9 ohne dass dafür etwaige pragmatische Gründe geltend gemacht werden können.

Im Folgenden sollen im Licht dieser Erkenntnisse die ältesten Sprachdenkmäler des Altfranzösischen einer genauen Analyse in Bezug auf die Setzung/Nicht-Setzung des Subjektpronomens unterzogen werden, von den Straßburger Eiden (9. Jh.) bis zu den Quatre Livre des Reis (12. Jh.).10 Dass die meisten der bis dahin überlieferten Texte metrisch gebundene Texte sind, ist für eine syntaktische Untersuchung ein Nachteil, der sich aber nicht umgehen lässt.

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