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4.2 Zu einer Erklärung: Sprachkontakt mit dem Altwestfränkischen

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Kuen (1970 [1957]) hatte mit überzeugenden Gründen die Meinung vertreten, dass die Existenz des Subjektpronomens im Altfranzösischen auf Interferenzen des Altwestfränkischen mit dem Galloromanischen zurückzuführen sei. Die Entdeckung, die die Nicht-Setzung des Subjektpronomens unter bestimmten syntaktischen Voraussetzungen erklären kann, ist Hilty (1968) zu verdanken, der zufällig Kenntnis von der Züricher Dissertation Eggenbergers (1961) bekommen hatte, in der die Setzung des Subjektpronomens im Althochdeutschen beschrieben wird. Daraus geht hervor, dass in der Inversion das Subjektpronomen im Althochdeutschen fehlen kann und meist auch fehlt (cf. Eggenberger 1961:143–144). Nach Auskunft von Damaris Nübling (Mainz) ist diese Tatsache bei den Germanisten „Standardwissen“. Die Parallelen mit dem Altfranzösischen sind frappierend. So vergleicht z.B. Kattinger (1971) in Kap. III seiner Arbeit die Daten des Altfranzösischen mit denjenigen des Althochdeutschen und Altenglischen.1 Nicht nur im Althochdeutschen, sondern auch im Altenglischen erfolgt nach „betonten Ausdrücken“ am Satzanfang Inversion oder Nicht-Setzung des Subjektpronomens (zu Unterschieden des Altenglischen gegenüber dem Althochdeutschen und Altfranzösischen cf. Kattinger 1971:167). Zum Althochdeutschen konstatiert Kattinger: „Ähnlich wie im Afrz. ist […] auch im Ahd. die ungerade Wortfolge (Typ VI, VIa) für den Hauptsatz, die gerade Wortfolge (Typ I) für den Nebensatz charakteristisch“ (ibid. 170).2 Mit anderen Worten: auch im Althochdeutschen ist die Setzung des Subjektpronomens in Nebensätzen wesentlich häufiger als in Hauptsätzen (cf. Eggenberger 1961:143, Sonderegger 1979:268, Szczepaniak 2011:119 und Fleischer 2011:199–200, 202). Man ist erstaunt zu sehen, dass Hiltys wichtige Bemerkungen, die die identischen Phänomene in beiden Sprachen miteinander in Verbindung bringen, in der Forschung bislang offenbar unbeachtet blieben.3 Vermutlich hat das mit der Abneigung der Forschung in den Sechziger Jahren gegenüber jeder Art von „Substrat- und Superstrat-Theorie“ zu tun, mit der zugegebenermaßen oft übertrieben wurde. Die negativen Besprechungen von Hiltys Artikel (1968) durch Stempel (1970) und Hunnius (1975) werden dazu beigetragen haben.4

Die Regel der Nicht-Setzung des Subjektpronomens nach „X“ gibt es übrigens noch in den aktuellen bairischen und alemannischen Dialekten bei der 2. Ps. sg. (cf. auch Kaiser 2014:269). So heisst es im Bairischen zwar Du spinnst!, aber in Inversion

 (67) Jetzt spinnst Ø aber

 (68) Da legst Ø di nieder!

Da hier eventuell der auslautende Dental der Verbform in der 2. Ps. sg. das Subjektpronomen absorbiert haben könnte, seien noch eindeutige Beispiele aus dem Alemannischen angeführt. Im alemannischen Dialekt heisst es Du bisch, aber

 (69) Mit Achtzig bisch Ø en alte Maa.5

 (70) jetz bisch Ø aber verschrocke6

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