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Beispiel

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Die Tatsache, dass zwei alleinerziehende Väter sich durch die Verhaltensauffälligkeit ihres Sohnes in einer vergleichbaren Problemlage befinden, macht die Fälle nicht gleich. Die Väter sind ebenso wenig dieselben wie die Kinder. Der Hintergrund der Auffälligkeit kann verschieden sein. In dem einen Fall können Lösungsmöglichkeiten bestehen, die in dem anderen Fall ausscheiden. Ein Kommunikationsstil, der bei einem Vater aus der Mittelschicht angezeigt sein kann, kann auf einen anderen Vater befremdlich wirken.

Dienstleistungen der Sozialen Arbeit sind Unikate, die sich situativ an den jeweiligen Fall (Einzelfall, Gruppe, Gemeinwesen) und seinen Verlauf anpassen müssen. Erforderlich ist ein hohes Maß an fallbezogenem Verstehen und an kommunikativer Kompetenz, die nicht in antrainierte Gesprächstechniken ausweichen kann. Das Strukturmerkmal der Nichtstandardisierbarkeit stellt einerseits ein grundlegendes Handlungsproblem dar, begründet andererseits aber auch den Status Sozialer Arbeit als Profession (Hochuli Freund & Stotz 2021, S. 56).

Die Nichtstandardisierbarkeit von Interventionen wird als »strukturelles Technologiedefizit« bezeichnet. Das bedeutet: Es gibt keinen sicheren Weg zum Ziel, hingegen ein hohes Maß an Ungewissheit. »Die Soziale Arbeit kann geradezu als der dauernde Versuch bezeichnet werden, die Dominanz des Ungewissen zu akzeptieren und trotz bzw. in ständiger Ungewissheit zu handeln« (Lindenberg & Lutz 2021, S. 78). Ungewissheit darüber, das Richtige zu tun, führt immer wieder zu persönlicher Verunsicherung der Sozialfachkräfte.

Ungewissheit besteht schon bei der Klärung der Ausgangslage. Soziale Diagnosen beruhen hier – anders als im naturwissenschaftlich-technischen Bereich – auf Einschätzungen, die von den dabei zu Recht oder zu Unrecht herangezogenen (Alltags-)Theorien und Berufserfahrungen, von wissenschaftlich bewährtem Wissen, von verfügbaren, zurückgehaltenen und oft auch widersprüchlichen und gefilterten Informationen, von der Komplexität eines Falls und seiner womöglich langen Vorgeschichte, von situativen Konstellationen und der Dynamik des Fallverlaufs und normativen Erwartungen etc. bestimmt werden. Diagnosen in der Sozialen Arbeit haftet immer – und notwendigerweise – etwas Vorläufiges, Hypothetisches, Flüchtiges an. Hinzu kommt Subjektives, weil die an den Einschätzungen beteiligten Personen sich aus ihrem biografischen und beruflichen Erfahrungskontext nicht befreien können.

Ungewissheit entsteht auch durch die Adressat*innen und andere Akteur*innen. Abgesehen davon, dass Änderungsmotivation bei Adressat*innen nicht ›erzeugt‹ werden kann (Klug & Niebauer 2021, S. 81), sind Adressat*innen der Sozialen Arbeit

»oft nicht für verlässliches Handeln bekannt. Auch die sozialen Sicherungssysteme, auf die sich die Fachkräfte in ihrem Handeln beziehen, beruhen zwar auf (einklagbaren) Rechten, doch in ihrer Umsetzung sind alle Handelnden von ungewisser Mitwirkung, der auslegbaren Handhabung von unbestimmten Rechtsbegriffen und unausgesprochenen Wertungen geplagt« (Lindemann & Lutz 2021, S. 78).

Wer Soziale Arbeit in der Erwartung eines linearen Wirksamkeitsmodells studiert (»Diagnose – Auswahl des Mittels – Umsetzung – Erfolg«), sollte rechtzeitig auf einen naturwissenschaftlich-technischen Studiengang umsteigen, wo der Enttäuschungswert nicht nur deutlich geringer liegt, sondern durch die Schließung von Wissenslücken grundsätzlich behebbar ist. In der Sozialen Arbeit gibt es keine Rezepte und erst recht keine Formeln. Es ist nicht gesichert, dass am Ende das herauskommt, was nach den Erwartungen ihrer Auftraggeber herauskommen soll: die maßgebliche und nachhaltige Beseitigung der Hilfebedürftigkeit. Nicht erfolgreich gewesen zu sein, ist daher kein zwingender Hinweis auf Leistungsmängel. Leistungsmängel sind deswegen aber auch nicht ausgeschlossen. Auch die Effizienz des Handelns (Verhältnis von Ergebnis und Aufwand) ist nicht in einfachen Kennzahlen messbar.

Damit werden pädagogische Anstrengungen und methodische Konzepte natürlich nicht weniger wichtig. Handlungserfolg ist sehr wohl möglich und wird mit steigender Qualität der Leistung wahrscheinlicher. Die Qualität der Leistung beruht auf einer Vielzahl von Erfolgsfaktoren (z. B. den Fähigkeiten und persönlichen Merkmalen der Sozialarbeiter*innen, Berufserfahrung, Nutzbarkeit wissenschaftlichen Wissens, bewährte methodische Konzepte und sozialstaatlich verfügbare Rahmenbedingungen). Es bleibt aber dabei: Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht.

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