Читать книгу Perspektiven für Juristen 2012 - Группа авторов - Страница 21
Nichtregierungsorganisationen
Оглавлениеvon Matthias Miguel Braun
FAKTEN Formale Voraussetzungen: in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium Persönliche Qualifikation: Teamfähigkeit, interkulturelle Kompetenzen, internationale Mobilität, Sprachkenntnisse Einstiegsgehalt: sehr unterschiedlich, abhängig von der jeweiligen Nichtregierungsorganisation, den Aufgaben und dem Einsatzgebiet Aufstiegsmöglichkeiten: ebenfalls sehr unterschiedlich, abhängig von der Personalpolitik der jeweiligen NRO Besonderheiten: viele Nischen - besondere Qualifikationen können den Ausschlag geben Weitere Informationen: erhältlich bei der jeweiligen Nichtregierungsorganisation (ein Überblick findet sich bei www.venro.org)
Ohne dass hier auf verschiedene Definitionen eingegangen werden soll: NGOs bzw. zu Deutsch Nichtregierungsorganisationen (NROs) sind - anders als internationale Organisationen - keine Völkerrechtssubjekte. Unter den Begriff NRO fallen zunächst alle Einrichtungen und Organisationen, die weder dem Staat noch der Wirtschaft zugerechnet werden können. Sie sind Träger bürgerschaftlichen Engagements und Ausdruck der Zivilgesellschaft. Hier sollen unter Vernachlässigung aller lokal agierenden Kleingartenvereine, Sportclubs und Trachtentanzgruppen nur die NROs interessieren, die international tätig sind. Wie viele es genau sind, kann nur vermutet werden - einige Schätzungen gehen von 40.000 NROs aus, die international aktiv sind; konservativere Studien sprechen von ca. 8.000 bis 9.000 NROs, die in mehreren Ländern tätig sind. Nicht nur die bloße Anzahl, auch ihre Bedeutung hat in den letzten beiden Jahrzehnten seit Ende der Blockkonfrontation und der damit einhergehenden Neugestaltung der internationalen Politik stark zugenommen. Vor allem die Weltkonferenzen der Vereinten Nationen, beginnend mit der Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Jahr 1992 in Rio de Janeiro, führten zu einer größeren Akzeptanz der NROs. Ihre gewachsene Bedeutung verdanken die NROs ihrer Mitarbeit, Expertise und Lobbytätigkeit in fast allen Politikbereichen, sodass NROs heute ein fester Bestandteil aller Global-Governance-Ansätze sind.
Parallelen und Unterschiede zu internationalen Organisationen Vieles von dem, was zu einer Tätigkeit bei einer internationalen Organisation gesagt wurde, trifft auf NROs ebenso zu. Oft werden dieselben oder sehr ähnliche Themengebiete bearbeitet, die auch von einer internationalen Organisation behandelt werden, so z. B. bei den Menschenrechten. Es gibt aber auch Unterschiede: Die Größe einer NRO und damit die Spezialisierung der Mitarbeiter kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt viele NROs, die nur ein oder zwei bezahlte Mitarbeiter haben, die als Allround-Kraft schalten und walten, ehrenamtliche Mitarbeiter oder Aktivisten koordinieren und Sekretariatsaufgaben übernehmen. In einem solchen Fall ist oft wenig Raum für einen festangestellten Juristen. Es gibt allerdings NROs, die einen beachtlichen Mitarbeiterstamm haben. In dieser Konstellation ist eine Tätigkeit von Juristen im Verwaltungsbereich vorstellbar. Daneben ist auch hier eine rein juristische Tätigkeit sowie eine Tätigkeit in den Grenzbereichen zu anderen Gebieten denkbar, oft gepaart mit Aufgaben im Projektmanagement.
Ein weiterer Unterschied: Während Diplomaten und Angehörige internationaler Organisationen sich bei ihrer Tätigkeit letztlich immer auf ein demokratisch legitimiertes öffentliches Mandat stützen können, sind NROs in ihrer Natur rein private Zusammenschlüsse von Bürgern. Daraus können sich in der praktischen Arbeit Vor- und Nachteile ergeben. NROs können sich mit Verve und Idealismus ganz einem Anliegen widmen und müssen nicht ein etwaiges übergeordnetes staatliches oder Allgemein-Interesse beachten. Andererseits genießen z. B. Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in einem Konfliktgebiet keinen diplomatischen Schutz und können daher leichter Opfer von Übergriffen einer Konfliktpartei werden.
Die Bezahlung kann ebenfalls sehr unterschiedlich sein, abhängig von Ort und Art der ausgeübten Tätigkeit; in den besten Fällen orientiert sich sie sich am Öffentlichen Dienst, z. B. am TVöD. Die Karriereperspektiven sind oft begrenzt, weil viele Stellen befristet oder an Projekte geknüpft sind, die für eine gewisse Zeit durch öffentliche Zuwendungen gefördert werden. Nur wenige NROs verfügen über einen solchen Spendenzufluss, dass sie sich einen ständigen umfangreichen Mitarbeiterstamm leisten können.
Ein Beispiel: als Juristin im Projektmanagement Eine Auflistung von für Juristen relevanten NROs würde den Rahmen des Beitrages sprengen. Stattdessen sei an folgendem, der Praxis entlehntem Beispiel gezeigt, welche mitunter verschlungenen Wege ein Karriereeinstieg bei einer NRO nehmen kann: Eine Jurastudentin ist während ihres Studiums in der Hochschulpolitik aktiv - in der Fachschaft und im Studentenparlament. In der Internationalisierung von Studiengängen findet sie ein Thema, das sie brennend interessiert. Ihre Universität ist Mitglied in einem europäischen Hochschulnetzwerk, das sich dem intensiven Studentenaustausch verschrieben hat, abgestimmt auf die neuen B.A.- und M.A.-Abschlüsse: In dem fünfjährigen Zyklus sollen Studenten ohne Studienzeitverlängerung zweimal ein Jahr an einer der ausländischen Partneruniversitäten studieren. Innerhalb des Netzwerkes gibt es einen beigeordneten Studentenrat. Sie wird dort Vertreterin ihrer Uni, später Präsidentin des Studentenrates. Als im Sekretariat des Netzwerkes, das seinen Sitz in einem europäischen Nachbarland hat, eine der fünf Stellen frei wird, ist sie die erste Wahl: Sie "kennt den Laden", hat gezeigt, dass sie organisieren kann und bringt neben Wissen über die aktuelle Entwicklung des europäischen Hochschulrechts auch noch ihre juristischen Allround-Kenntnisse mit. Hier wird nicht in erster Linie auf ihre Examensnoten geachtet, sondern eher darauf, ob sie für den Job geeignet ist. Und der besteht aus einer bunten Mischung aus Projektmanagement mit vielen rechtlichen Bezügen. Sie koordiniert ein Pilotprojekt des Studentenaustausches, stellt Vergleiche der verschiedenen Modelle der Studienfinanzierung in Europa an, besucht im nahe gelegenen Brüssel Tagungen zum Thema - und als es gilt, das Netzwerk von einem eingetragenen Verein in eine Stiftung umzuwandeln, entwirft sie zusammen mit einem Fachanwalt für Gesellschaftsrecht, der seine Dienste pro bono anbietet, die Satzung und bereitet die Gründung der Stiftung vor.
Gefragt: Idealismus und gesellschaftliches Engagement Das Beispiel zeigt zweierlei: Zum einen kann sich gerade bei NROs aus dem gesellschaftspolitischen Engagement, dem Steckenpferd des Jura-Absolventen, mitunter der Traumjob ergeben. Das setzt allerdings voraus, dass man sich neben Jura-Paukerei und Examensstress noch Zeit nimmt oder lässt, um ein solches soziales oder gesellschaftliches Engagement zu pflegen. Der Scheuklappen-Blick auf das Prädikatsexamen um jeden Preis, am besten "zweimal zweistellig", ist hier eher abträglich. Und zum anderen zeigt das Beispiel, dass es in NROs, vor allem solcher mittlerer Größe, eine rein juristische Tätigkeit selten gibt, sondern eher einen Aufgabenmix aus Projektmanagement und der Anwendung von juristischem Fachwissen auf einem Spezialgebiet, seien es die Menschenrechte oder, wie hier im Beispiel, das europäische Hochschulrecht. Die Stellensuche im NRO-Bereich ist oft eine Suche nach der Nische, und hier geben fast immer spezialisierte Fachkenntnisse und entsprechendes Engagement den Ausschlag.