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(Internationale) Großkanzlei, Mittelstand oder Selbstständigkeit - Welcher Kanzleityp passt zu mir?

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von Falk Schornstheimer

Was lässt der gelernte Jurist Goethe seinen Magister Faust sagen? "Habe nun ach [...] auch Juristerei durchaus studiert, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!" Blicken Sie auch so ratlos auf Ihre Zukunft und fragen sich: Was soll ich werden, welcher Beruf kommt für mich infrage? Dann gehören Sie zur satten Mehrheit der Jura-Absolventen. Seit Jahren beantworten konstant 80 Prozent aller Juristen mit dem Zweiten Staatsexamen in der Tasche diese Frage nach ihrer Zukunft mit der Entscheidung für den Anwaltsberuf. Damit haben sie aber allenfalls einen Rahmen bestimmt. Denn unter der Überschrift "Anwalt" lässt sich ein Berufsbild mit vielen unterschiedlichen Facetten subsumieren.

Häng' das Schild raus Viele Jurastudenten starten mit einer durchaus idealistischen Vorstellung in ihr Studium: Ich will etwas Solides machen, etwas vielseitig Verwendbares, und wenn mir keine zündende Idee zu meiner Karriere kommt (als Medienstar wie Claus Kleber, als Politiker und Vorstandsvorsitzender wie Roland Koch, als Kultkoch wie Klaus Trebes, die alle einen juristischen Abschluss haben), dann kann ich es immer noch als Freiberufler mit einer eigenen Kanzlei versuchen. Ich hänge einfach ein Schild vor meine Haustür! Dass diese Idee gut gemeint, aber nicht gut ist, muss wohl nicht weiter ausgeführt werden. Ohne gefestigte Mandatsbeziehungen, die ein Anwalt aus vorheriger Tätigkeit mitbringt, ohne glasklares Geschäftskonzept und Marktanalyse, ohne genaue Kenntnis und Erfahrung des Anwaltsgeschäfts reichert die eigene Kanzleigründung mit großer Wahrscheinlichkeit nur die jährliche Statistik der BRAK über masselose Insolvenzen von Rechtsanwälten an. Das Referendariat ist wie ein Praktikum ein guter Anlass, um festzustellen, inwieweit der Anwaltsberuf für die eigene Zukunftsplanung überhaupt in die engere Wahl zu ziehen ist. Als Ausbildungsstation zur Kanzleigründung reicht es nicht aus. Damit der Traum von der Selbstständigkeit kein Alptraum wird, darf man sich bei der Existenzgründung schlicht keinen Fehler leisten. Sie sollte deshalb am Ende einer Lehrzeit stehen, nicht am Anfang. Ob man nun bei einer Großkanzlei, einer mittelständischen oder kleinen Sozietät oder einer sogenannten Boutique in die Lehre geht oder bei einem erfahrenen Einzelanwalt mit professionellem Sekretariat, hängt von einigen Überlegungen und äußeren Faktoren ab, über die sich jeder juristische Berufsanfänger vor dem Start Rechenschaft ablegen sollte. Familien-, Verkehrs-, Bau- und Mietrecht, natürlich auch Strafrecht, sind Beratungsfelder, die die natürliche Person in ihrer Lebensvielfalt und Alltagsproblematik zum Gegenstand haben. Unzählige kleine Kanzleien oder Einzelanwälte bieten hier ihre Dienste an. Auch wenn höchst erfolgreiche Geschäftsmodelle zum Betrieb einer solcherart ausgerichteten Kanzlei entwickelt werden können, ist der kaufmännisch interessantere Ansatz grundsätzlich die Beratung von Unternehmen.

Die Großkanzlei = Wirtschaftsrecht Die Entscheidung für die Großkanzlei (ab ca. 100 Rechtsanwälte lässt sich eine Economy of Scale nur durch bestimmte Organisationsstrukturen und Optimierungsmaßnahmen entfalten. Diese Größenordnung und Struktur bezeichnet man gemeinhin als Großkanzlei.) bedeutet in jedem Fall eine Entscheidung für die Wirtschaftsberatung. Weitere Kennzeichen der Großkanzlei sind ein hoher Spezialisierungsgrad und oft eine internationale Tätigkeit, die sich auf ein Netzwerk stützt. Sie weist darüber hinaus eine hohe Service-Dichte auf (d. h. interne Unterstützung durch Übersetzer, Finanz- und IT-Fachleute, HR- und PR-Profis usw.). Ferner verfügt sie, unabhängig von einer partnerschaftlichen Verfassung, über ein Management zur Verwaltung und Steuerung der Kanzlei, das eine gewisse Unterordnung des einzelnen Partners unter die volontee generale erfordert.

Insofern ist man als Associate einer Großkanzlei, gleich ob deutscher oder angelsächsischer Herkunft, eher Teil eines Unternehmens (als einer Partnerschaft) und hat auch ausschließlich mit Unternehmen und Unternehmern zu tun. Die Geschäftssprache - teilweise sogar intern - ist Englisch. Man muss lange Arbeitszeiten in Kauf nehmen und wird über bestimmte Karrierestufen hinweg befördert. Mit der Zeit kommt ein beträchtlicher Reiseaufwand hinzu, wobei die Ziele immer Flughafenhotels und Besprechungsräume internationaler Unternehmen, nie dagegen Sehenswürdigkeiten oder attraktive Innenstädte sind. Nicht nur auf Reisen im Flieger oder Erste-Klasse-Abteil der Bahn stellt sich mit der Zeit natürlich auch die Frage der langfristigen Perspektive. Jeder Junganwalt einer Großkanzlei muss sich darüber im Klaren sein, dass er mit der absoluten fachlichen Spitze des Jahrgangs konkurriert. Was in der Examens-Vorbereitungsgruppe noch als Geniestreich bewundert wurde, ist in der Kanzlei nichts anderes mehr als solide Durchschnittsarbeit. Die Luft ist mit einem Mal dünn, zumal es mit der juristischen Leistung nicht getan ist. Mandanten und Partner stellen hohe Anforderungen an strategisch-taktisches Denken (sowohl bei gutachterlichen Einschätzungen als auch in Verhandlungen und Besprechungen), an wirtschaftlich-kaufmännisches Verständnis, an Präsentationsgeschick usw. Nur diejenigen, die über Jahre innerhalb ihrer Peergroup mit Bravour abschneiden, werden in Reichweite der Partneraufnahme kommen. Für alle anderen heißt es nach spätestens fünf bis sieben Jahren Abschied nehmen von der Großkanzlei. Der Wechsel zu anderen Großkanzleien und die weitere Partnerperspektive ist nach einer solchen Zeitspanne nur in Ausnahmen (dann meist in Richtung einer weniger "renommierten" oder spezialisierten Adresse) möglich. Dagegen eröffnen sich viele gute Chancen, zu kleineren Kanzleien oder auch in Rechtsabteilungen zu wechseln. Denn auf der Habenseite stehen für Associates aus Großkanzleien nicht nur ein über die Jahre gutes Gehalt und die Segnungen eines Großunternehmens bei der Arbeitsunterstützung (Bibliothek, IT, Sekretariate, Business Services), sondern auch eine in aller Regel hervorragende Ausbildung.

Mittlere und kleine Kanzleien und Boutiquen Mittlere und kleinere Kanzleien, die ihrerseits vielfach von ehemaligen Partnern oder Associates von Großkanzleien gegründet wurden, haben großes Interesse, gut ausgebildete und anwaltlich bereits erfahrene Mitarbeiter aus Großkanzleien aufzunehmen. Das ist schon mal ein Argument, warum es grundsätzlich leichter ist, von einer größeren Einheit in eine kleinere zu wechseln als umgekehrt. Aber auch wer sich von vornherein für den sogenannten anwaltlichen Mittelstand interessiert, hat eine riesige Auswahl unter zum Teil höchst interessanten Arbeitgebern. Jene Strukturen, die in mittelständischen Kanzleien im Vergleich zu den großen häufig unterentwickelt sind, z. B. strategische Führung und das aktive Management eines profitablen Mandanten-Portfolios, Personalentwicklung und Marketing, werden wettgemacht durch kürzere Kommunikationswege, größeren persönlichen Gestaltungsspielraum und unternehmerische Beteiligungsmöglichkeiten. In fachlicher Hinsicht befinden sich viele Mittelständler dabei ohne Weiteres auf Augenhöhe mit den Großen. Ihnen fehlen lediglich die personellen Ressourcen, um ganz große Mandate abwickeln zu können, und infolgedessen sind sie nicht immer Vorreiter bei der juristischen "Produktentwicklung". Dieses Problem wiederum haben Boutiquen nicht. Sie sind sowieso in fachlichen Nischen tätig bzw. ausschließlich auf ein Gebiet spezialisiert, und stehen im öffentlichen Recht, im gewerblichen Rechtsschutz oder Vergaberecht den Teams aus den Großkanzleien gegenüber. Wer sich also sicher ist, in der heutigen Zeit kein M& A-Spezialist, kein Finanzrechtler, kein Transaktionsanwalt werden zu wollen, der ist in Boutiquen hervorragend aufgehoben.

Hier wie dort, in Großkanzleien wie Boutiquen, in mittelständischen wie kleinen Kanzleien muss man natürlich erst einmal eingestellt werden, womit wir beim Thema Noten wären, das einen eigenen Beitrag wert ist. Zweimal "vollbefriedigend" und oftmals, jedoch mit abnehmender Tendenz, auch der Doktortitel sind - offiziell - Pflicht. Viele Kanzleien, die in ihrer Geschichte eine strikte Einstellungspolitik verfolgten, halten sich ganz unabhängig von der Konjunktur nach wie vor streng an ihre Vorgaben. Hier bieten kleinere Kanzleien mit personalisierten Entscheidungsstrukturen und Kanzlei-Neugründungen ein breiteres Einfallstor. Wer in einem Praktikum oder während der Station einen tollen Job gemacht hat, kann einen Patzer im Examen durchaus vergessen machen. Wichtig ist, sich frühzeitig und weit vor dem Examen mit der Zeit danach auseinanderzusetzen. Habe ich Jura studiert und will Politiker, Koch, oder Heute-Journal-Anchor-Man werden, ist die Examensnote wichtig, aber nicht kriegsentscheidend. Will ich als Anwalt in die (Groß-)Kanzlei, geht ohne "vollbefriedigend" wenig bis nichts. Die Doktorarbeit abzuschreiben oder einfach mal ein Schild rauszuhängen sind jedenfalls keine Lösungen.

Perspektiven für Juristen 2012

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