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(1) Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten
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De lege ferenda
Rechtlich dürfte eine solche Kodifikation nach derzeitigem Stand jedoch unzulässig sein. So fehlt es der Union wie bereits dargestellt an einer hinreichenden Kompetenzgrundlage. Und selbst wenn eine solche de lege ferenda in die Verträge eingefügt würde, wäre äußerst fraglich, ob einer Ausübung dieser Kompetenz nicht die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit entgegenstünden,[79] wie sie insbesondere im Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten[80] zum Ausdruck kommen.
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Verfahrensautonomie und Subsidiaritätsprinzip
Als Konkretisierung des allgemeinen Gedankens der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ein auch in der Rechtsprechung des EuGH anerkannter allgemeiner Rechtsgrundsatz.[81] Mit dem Begriff der „Autonomie“ wird nicht etwa eine absolute Kompetenzgrenze definiert, sondern vielmehr geht es ganz im Sinne von Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip darum, die verfahrensmäßige Eigengesetzlichkeit der mitgliedstaatlichen Unionsrechtsanwendung so weit wie möglich zu schützen.[82] Der Begriff des „Verfahrens“ bzw. des Verfahrensrechts wiederum bezieht sich vorrangig auf diejenigen Regelungen, die auch in der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik dem Verfahrensrecht zuzuordnen sind, umfasst als autonomer unionsrechtlicher Begriff darüber hinaus aber auch das Verwaltungsorganisations- und Verwaltungsprozessrecht sowie das Staatshaftungsrecht.[83] Beim Vollzug von Unionsrecht gelangen demnach grundsätzlich die nationalen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zur Anwendung, soweit das Unionsrecht keine spezifischen primär- oder sekundärrechtlichen Regelungen bereithält.[84] Auch die Auslegung, Konkretisierung und Ausfüllung von Ermessensspielräumen ist, von wenigen Bereichen abgesehen, Aufgabe der Mitgliedstaaten.[85]
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Grundentscheidung für die mitgliedstaatliche Verwaltung
Im Ergebnis ist der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten keine absolute Garantie des nationalen Verwaltungsverfahrens und der nationalen Verwaltungsorganisation, er ist jedoch auch mehr als eine rein deklaratorische Zustandsbeschreibung.[86] Vielmehr kommt in ihm eine abwägungsfähige „Grundentscheidung der Verträge für die mitgliedstaatliche Verwaltung“[87] und das mitgliedstaatliche Verfahrensrecht zum Ausdruck. Normativ ist der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten bereits in Art. 4 Abs. 1 EUV sowie in der Stoßrichtung der die Kompetenzausübung der EU steuernden Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV verortet. Mit dem Vertrag von Lissabon kommt er nunmehr auch in Art. 291 Abs. 1 und 2 AEUV zum Ausdruck, wonach die Mitgliedstaaten alle zur Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union erforderlichen Maßnahmen „nach innerstaatlichem Recht“ ergreifen.