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II. Europäische Agenturen und Ämter
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Herausbildung einer Vielzahl von Agenturen
Auf Unionsebene kam es in den letzten Jahrzehnten zur Herausbildung einer Vielzahl dezentralisierter Einrichtungen, die sich als „europäische Ämter und Agenturen“ zusammenfassen lassen.[122] Die durch eigene Rechtspersönlichkeit und ein Mindestmaß an Autonomie gekennzeichneten Agenturen mit operativen Aufgaben[123] basieren auf Unionsrechtsakten und sind formal der europäischen Ebene zuzuordnen.[124] Als Teil der Eigenverwaltung erfüllen sie administrative Regulierungs- oder Exekutivaufgaben im Rahmen einer vertikalen Verwaltungskooperation.[125] Während Exekutivagenturen von der Kommission selbst zur administrativen Durchführung finanzieller Förderprogramme eingesetzt werden,[126] erfolgt die Gründung der unabhängigen Regulierungsagenturen (auch als dezentrale Agenturen bezeichnet) zur Wahrnehmung spezifischer Aufgaben in bestimmten Sektoren.[127] In den Gremien der im wissenschaftlichen Fokus stehenden Regulierungsagenturen wirken neben der Kommission auch nationale Vertreter/-innen (in einem Verwaltungs‑ oder Regulierungsrat) mit.[128] Das Aufgabenspektrum reicht von bloßen Abstimmungs-, Beratungs- und Dokumentationsfunktionen bis hin zu individuell bindenden Verwaltungsentscheidungen oder der Befugnis zur exekutiven Rechtsetzung mit allgemeiner Geltung.[129]
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Meroni-Doktrin, Kompetenzgrundlage und Legitimation
Die Frage nach den rechtlichen Grenzen der Errichtung von (Regulierungs‑)Agenturen wird seit Beginn des Integrationsprozesses diskutiert. Mit Blick auf das institutionelle Gleichgewicht kommt eine Delegation von Ausführungsbefugnissen nach der sog. Meroni-Doktrin nur in Betracht, wenn diese „genau umgrenzt“ sind und unter der Aufsicht des jeweiligen EU-Organs stehen.[130] A priori ausgeschlossen ist die Übertragung „weitreichende[r] Ermessensspielräume“ mit politischem Charakter. Daneben hat der Gerichtshof in kompetenzrechtlicher Perspektive wiederholt anerkannt, dass (neben Art. 352 AEUV) auch Art. 114 AEUV eine taugliche Basis zur Schaffung supranationaler Agenturen bilden kann.[131] Hierin wird vielfach ein Anwendungsfall der implied powers-Lehre erblickt.[132] Zugleich betont das BVerfG im Bankenunion-Urteil vom 30. Juli 2019, dass eine Beseitigung bloßer Erschwernisse des dezentralen Vollzugs allein die Schaffung von Agenturen und ihre Betrauung mit Vollzugsaufgaben auf Basis von Art. 114 AEUV nicht rechtfertigen kann.[133] Intrikate Fragen wirft zudem die demokratische Legitimation unabhängiger (Regulierungs-)Agenturen auf.[134] In unionsrechtlicher Perspektive wird insoweit über einen Rückgriff auf Kriterien wie Fachkompetenz, Transparenz, Effizienz, Expertise und Partizipation diskutiert.[135] Aus Sicht des Grundgesetzes hat wiederum das Bankenunion-Urteil einen – vom Einheitlichen (Banken-)Abwicklungsausschuss (SRB)[136] bestandenen – Zwei-Stufen-Test entwickelt. Danach bedarf es neben einer „spezifische[n] Rechtfertigung“ überdies „gegebenenfalls“ der zusätzlichen Kompensation eines festgestellten Mangels an demokratischer Legitimation.[137] Zu denken sei insoweit neben einer (verstärkten) gerichtlichen Kontrolle und der Einräumung besonderer parlamentarischer Kontrollrechte auch an die Etablierung von Rechenschaftspflichten.[138]