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F. Instrumententypen der Verbundverwaltung
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Instrumentenmix
Die Vielgestaltigkeit der Verbundverwaltung spiegelt sich auch in dem zum Einsatz kommenden Instrumentenmix wider.[202] Dieser reicht – neben der bereits skizzierten normativen Steuerung[203] und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – vom Informationsaustausch und der Verpflichtung zur Amtshilfe über die Schaffung von Zustimmungs- und Vetorechten bis hin zur Einräumung von Weisungsbefugnissen und Selbsteintrittsrechten.
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Informationsaustausch
Basis einer funktionierenden Verbundverwaltung sind der Informationsaustausch und die hiermit verbundene Kompensation entsprechender Asymmetrien.[204] Das EU-Sekundärrecht statuiert daher zahlreiche Mitteilungs-, Berichts- und Beratungspflichten der Beteiligten. Daneben lassen sich auch Informationsbeschaffungspflichten ausmachen. Danach sind die Mitgliedstaaten nicht allein zur Übermittlung bereits vorliegender Informationen, sondern auch zu deren Erhebung beim Bürger oder den Unternehmen verpflichtet.[205] Nicht selten ist der polydirektionale Informationsaustausch mit dem Aufbau unionsweiter Informationssysteme verbunden.[206] Exemplarisch hierfür stehen das von den nationalen Zollverwaltungen gespeiste Zollinformationssystem (ZIS)[207] oder die Schnellwarnsysteme für die allgemeine Produktsicherheit (RAPEX)[208] sowie für Lebens- und Futtermittel (RASFF)[209].[210] Im Wege informationeller Kooperation können Unionseinrichtungen den indirekten Vollzug des Unionsrechts im Übrigen selbst dann niedrigschwellig beeinflussen, wenn ihnen des Weiteren keine Aufsichtsbefugnisse gegenüber den nationalen Behörden zukommen.[211]
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Amtshilfe
Sowohl die Behörden der Mitgliedstaaten als auch die Kommission werden in einer Vielzahl sekundärrechtlicher Vorschriften zur gegenseitigen (vertikalen wie horizontalen) Amtshilfe verpflichtet.[212] Im Hintergrund steht das übergreifende Ziel, die Verwaltung im Unionsraum durch organisatorisch getrennte nationale Behörden funktional zu vereinfachen, zu koordinieren und zu vereinheitlichen.[213] Exemplarisch hierfür steht die Dienstleistungs-RL 2006/123/EG,[214] zu deren Umsetzung die unionale Amtshilfe[215] auch erstmals im deutschen Verwaltungsrecht normiert wurde (vgl. insbes. §§ 8a–8e VwVfG).[216] Ein weiteres prägnantes Beispiel aus dem Binnenmarktrecht bildet die horizontale und vertikale Amtshilfe zwischen den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Ermittlung von Kartellrechtsverstößen (Art. 22 Abs. 1 und 2 Kartell-Verordnung [EG] 1/2003[217]). Von erheblicher Bedeutung ist die Amtshilfe daneben z. B. auch im Bereich des europäischen Steuerrechts (Vollstreckungsamtshilfe, steuerstrafrechtliche Amtshilfe, Informationsaustausch).[218]
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Zustimmungs- und Vetorechte
Als Form der vertikalen Koordination stellen sich Zustimmungs- und Vetorechte der Kommission beim Erlass von Maßnahmen der Mitgliedstaaten dar.[219] Ein überkommenes Beispiel bildet die Genehmigungsbedürftigkeit zu notifizierender neuer Beihilfen (Art. 108 Abs. 3 AEUV). Daneben besteht z. B. im Telekommunikationssektor ein Vetorecht der Kommission sowohl im Hinblick auf die Ermittlung potenziell regulierungsbedürftiger Märkte (Marktdefinition) als auch bei der Identifizierung eines oder mehrerer Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht (Marktanalyse) durch die nationale Regulierungsbehörde.[220] Bisweilen werden auch andere Stellen einbezogen wie beim eng begrenzten Double-lock veto von Kommission und GEREK gegenüber bestimmten, auf Marktdefinition und -analyse aufbauenden nationalen Abhilfemaßnahmen nach Maßgabe des 2018 angenommenen Kodex für die elektronische Kommunikation.[221]
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Weisungsrechte
Eine punktuelle Verwirklichung findet der Gedanke einer Verwaltungshierarchie zudem in sekundärrechtlich eingeräumten Weisungsrechten der europäischen Ebene. Erlangt die Kommission etwa im Bereich des Produktsicherheitsrechts Kenntnis davon, dass bestimmte Güter eine „ernste Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher in mehr als einem Mitgliedstaat“ bedeuten, dann kann sie die Mitgliedstaaten unter näher definierten Voraussetzungen zum Erlass geeigneter Maßnahmen verpflichten.[222] Im Beihilferecht sind die Brüsseler Wettbewerbshüter/-innen ermächtigt, „Aussetzungs-“ und „Rückforderungsanordnungen“ bzw. „Rückforderungsbeschlüsse“ gegenüber den Mitgliedstaaten zu treffen.[223] Bemerkenswert ist im Übrigen, dass Weisungen gegenüber der nationalen Verwaltung auch durch Agenturen ausgesprochen werden können. Exemplarisch hervorzuheben sind insoweit die entsprechenden Befugnisse des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) gegenüber den nationalen Abwicklungsbehörden im Bereich der Bankenabwicklung.[224]
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Selbsteintrittsrechte
Ein weitergehendes Instrument vertikaler Einwirkung bildet die Übernahme der Entscheidungszuständigkeit durch die europäische Ebene.[225] So führt die Einleitung eines Verfahrens durch die EU-Kommission im Kartellrecht dazu, dass die Zuständigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden für den konkreten Fall entfällt.[226] In der Bankenaufsicht kann die EZB zur Sicherstellung der kohärenten Anwendung hoher Standards jederzeit beschließen, die direkte Aufsicht auch über nicht als bedeutend eingestufte (und daher zunächst von den nationalen Behörden beaufsichtigte) Banken zu übernehmen.[227]