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III. Transnationaler Verwaltungsakt

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Transnationalitätsmodell

Zu den verbundtypischen Handlungsformen zählt auch der transnationale Verwaltungsakt.[175] Hierunter sind behördliche Einzelfallentscheidungen zu verstehen, die auf die Erzeugung von Rechtswirkungen im Ausland abzielen.[176] Formal betrachtet handelt es sich um ein Rechtsinstitut des indirekten Vollzugs.[177] Zugleich ist die materiell prägende unmittelbare Transnationalität Ausdruck der differenzierten Verbundstrukturen im europäischen Verwaltungsraum.[178] Obgleich nur von einem Mitgliedstaat erlassen und damit formal den Handlungsformen des jeweiligen nationalen Rechts zugeordnet,[179] entfaltet der transnationale Verwaltungsakt ipso iure verbindliche Wirkung in allen Mitgliedstaaten.[180] Daraus resultiert eine horizontale Zentralisierung des Vollzugs auf mitgliedstaatlicher Ebene.[181] In diesem Sinne stellen sich die nach dem Transnationalitätsmodell[182] ergangenen Verwaltungsentscheidungen als Ausdruck sowohl des Herkunftslandprinzips als auch des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung dar.[183] Beispiele bilden Entscheidungen der nationalen Zollverwaltungen nach Maßgabe des Zollkodex[184] oder die Freisetzungsgenehmigung für genetisch veränderte Organismen.[185]

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Rechtmäßigkeit und demokratische Legitimation

Die Rechtmäßigkeit des transnationalen Verwaltungsakts beurteilt sich (ebenso wie seine Wirksamkeit,[186] Korrektur oder Aufhebung sowie der Rechtsschutz[187]) nach dem für die Erlassbehörde einschlägigen Recht, während seine Anerkennung durch die übrigen Mitgliedstaaten auf Unionsrecht beruht.[188] In kritischer Perspektive wird zwar darauf hingewiesen, dass transnationale Verwaltungsentscheidungen nur im Erlassstaat nach den allgemeinen Grundsätzen demokratisch legitimiert sind, nicht aber in den anderen Mitgliedstaaten.[189] Zu bedenken ist aber, dass auch der sekundärrechtlichen Grundlage eine legitimationsstiftende Funktion zukommt.

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Referenzentscheidungsmodell

Der transnationale Verwaltungsakt i. e. S. ist abzugrenzen von Fällen, in denen das Handeln der nationalen Behörde eine bloße „mittelbare Transnationalität“ entfaltet.[190] Konkret ist an Verwaltungsentscheidungen zu denken, die nach dem sog. Referenzentscheidungsmodell[191] ergehen. Auch hier wird zwar zunächst die Entscheidungsbefugnis bei einem (Referenz-)Mitgliedstaat konzentriert. Zum Eintritt der grenzüberschreitenden Wirkungen bedarf es aber noch eines Anerkennungsaktes durch den jeweiligen (anderen) Mitgliedstaat in einem vereinfachten Verfahren mit reduziertem Entscheidungsprogramm. Zur Auflösung von Konflikten ist regelmäßig ein mehrstufiges „Divergenzbereinigungsverfahren“ mit Übergang der Entscheidungskompetenz auf die Kommission vorgesehen.[192] Exemplarisch hierfür steht die sukzessive Zulassung von Arzneimitteln nach den Kodizes für Human-[193] bzw. Tierarzneimittel[194]. Danach ist das in einem anderen Mitgliedstaat bereits zugelassene Arzneimittel grundsätzlich unionsweit anzuerkennen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine „potenzielle schwerwiegende Gefahr“ für die öffentliche Gesundheit bzw. die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt[195] diagnostiziert wurde. Können die Mitgliedstaaten keine Einigung erzielen, liegt die Entscheidung bei der im Komitologieverfahren entscheidenden Kommission.[196]

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Abgrenzung

Der bisweilen fließende Übergang zwischen Transnationalitäts- und Referenzentscheidungsmodell lässt sich anhand der gegenseitigen Anerkennung ausländischer Führerscheine innerhalb der EU veranschaulichen. Die einschlägige Regelung in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG[197] statuiert zwar im Grundsatz eine Anerkennungspflicht für in anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Fahr erlaubnisse, die an keine weiteren Handlungen der nationalen Verwaltungsbehörden geknüpft ist.[198] Zugleich wird es den Mitgliedstaaten aber durch Art. 11 Abs. 2 und 4 RL 2006/126/EG gestattet, „sich unter bestimmten Umständen und insbesondere aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs auf ihre innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis in Bezug auf jeden Inhaber eines Führerscheins zu berufen, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet hat“.[199] Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die im Schrifttum erfolgende primäre Zuordnung zum Referenzentscheidungsmodell,[200] wenngleich die Grundaussage des Art. 2 Abs. 1 RL 2006/126/EG eher in Richtung des Transnationalitätsmodells weist.[201]

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