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2 VON TIEREN UND PFLANZEN LERNEN: KEINE ART, DIE HEUTE EXISTIERT, HÄTTE OHNE HYGIENETRICKS ÜBERLEBEN KÖNNEN

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Staub und Krankheitskeime sind ärgerlich, aber sie sind gute Lehrer. Schmutz zwingt alle Lebewesen seit Urzeiten dazu, der Körperpflege sehr viel Zeit zu widmen – sie ist für das Überleben so wichtig wie Essen, Trinken und Sex. Von den im Lauf der Evolution entwickelten Hygienestrategien bei Tieren und Pflanzen ist viel zu lernen: Auch ganz ohne schwer abbaubare Chemikalien lassen sich Schmutz und Schadstoffe gut in Schach halten.

Natur, die sich selbst überlassen ist, erscheint auf den ersten Blick schmutzfrei. Ob welkes Laub, abgestorbene Bäume, aufgegebene Vogelnester oder Tierkadaver – für alle Abfälle stehen jede Menge spezialisierte Klein- und Kleinstwesen bereit, die ihren Lebenssinn darin finden, fremde Reste zu verzehren, zu verdauen, zu zersetzen. Tote Materie aus organischen Quellen verwandelt sich nicht in Problemmüll, sondern in Humus, in Boden und neues Leben. Die natürlichen Kreisläufe erscheinen als gigantisches Recyclingprojekt.

Allerdings bedeutet perfektes Recycling nicht automatisch eine saubere Welt. Die Natur hat ihre Bewohner schon immer vor große Aufgaben in puncto Reinlichkeit gestellt. Auch lange vor dem Auftritt des Menschen regneten bei Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüchen gigantische Mengen von Lava, Staub und Asche auf Berge und Täler herab und verdreckten Ökosysteme samt dem Leben darin gründlich. Rauch- und Rußpartikel stammen nicht erst aus Kraftwerks- und Fabrikschloten, sondern auch aus Waldbränden nach Blitzeinschlägen. Schimmelpilze, Zecken, Läuse, Viren und Bakterien greifen nicht nur Menschen an, sondern so ziemlich alle Lebewesen.

Und die wehren sich dagegen wie wir – mit gründlicher Reinigung. Wenn es Schmutz in den Jahrmillionen vor unserer Zeit gar nicht gegeben hätte, warum sollten dann Tiere so enormen Aufwand treiben, um Haut, Fell, Federn und Sinnesorgane sauber zu halten? Die Antwort ist einfach. Ohne diese Prozeduren wären sie verloren. Survival of the fittest heißt auch: Überleben der Reinlichen. Keine Art, die heute existiert, wäre ohne angepasste Hygienetricks noch auf der Welt.

Leben bedeutet also, sich ständig mit Schmutz aller Art herumzuschlagen. Und dabei möglichst eine gute Figur abzugeben. Das gilt für Menschen mit Hygienebewusstsein und Putzmitteletat wie für Tiere in freier Natur.

Als Menschen des 21. Jahrhunderts nehmen wir die Aufgabe sehr ernst. Wir jonglieren mit einer Unzahl spezieller reinigender, pflegender und waschaktiver Substanzen, um uns selbst und unser Drumherum sauber zu halten. In Deutschland gibt die Kundschaft nach den aktuellen Angaben des Industrieverbands Körperpflege und Waschmittel IKW jährlich etwa 18 Milliarden Euro für Körperpflege und Putzmittel aus, Tendenz weiter steigend, die größten Posten betreffen mit jeweils 3 Milliarden Euro Haar- und Hautpflege.

Was tun andere Kreaturen, um ihre Schmutzprobleme zu lösen? Ihnen verspricht kein Werbeslogan Hilfsmittel für Nutri-Gloss-Luminizer-Glanz für den Pelz oder Urban-Skin-Frische mit Moisture Boost für die Gesichtspflege. Erstaunlich sauber sind sie trotzdem. Und die Patente der Natur sind genauso pfiffig, seltsam und lehrreich wie unsere eigenen.

Sind wir noch ganz sauber?

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