Читать книгу Sind wir noch ganz sauber? - Hanne Tügel - Страница 22

Schmutz fordert von allen Kreaturen kreative Lösungen. Er hat die Evolution dazu getrieben, faszinierende und verrückte Sauber-Zaubertricks in die Welt zu setzen. Er lässt mit sich handeln: Kein Problem, das Bad kann bis morgen warten. Ach nein, der Mantel muss doch noch gar nicht in die Reinigung. Wenn Schmutzränder und schlierige Fenster dann doch Dringlichkeit signalisieren, ist es eine kluge Idee, sich fröhlich in Erinnerung zu rufen: Sich selbst und seine Umgebung zu putzen, ist für alle Lebewesen so wichtig wie Essen, Trinken und Sex.

Es hilft auch, sich in jene Epochen hineinzuversetzen, in der es noch keine Waschmaschine und noch nicht einmal warmes Wasser aus der Leitung gab. Die weitaus längste Zeit unseres Homo-sapiens-Daseins waren wir Menschen ja wie Ameise, Tiger und Flamingo allein auf die von der Natur bereitgestellten Putzmittel und -geräte angewiesen. Unsere Vorfahren wuschen sich mit kaltem Wasser. Benutzten wie Schimpansen ihre Finger, um oberflächliche Schmutzkrusten abzukratzen und Zecken oder Kopfläuse bei sich und anderen unschädlich zu machen. Hielten Exkremente von Nahrungsmitteln und Schlafstätten fern.

Die Menschheit hat die lange Epoche in der Wildnis überstanden. Wehrlos ausgeliefert war sie auch dieser Umgebung voller Krankheitskeime nicht. Unsere frühen Ahnen leckten ihre Wunden, ohne das antibakterielle Lysozym im Speichel zu kennen, das die Heilung fördert. Sie wurden krank, bekamen Fieber, schliefen und wurden anschließend häufig wieder gesund – ohne Ahnung von einer Supermacht namens Immunsystem, die Schmutz aller Art erkennen und abwehren kann. Von der genialen Erfindung dieser Körperabwehr, deren Anfänge Hunderte Millionen Jahre zurückreichen, wird in Kapitel 7 noch die Rede sein.

Der Blick auf die Anfänge lehrt Bescheidenheit. Er ist ein Anlass, die 18 Milliarden Euro etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, die wir heute in Deutschland für Flaschen und Dosen und Sprays und Tuben zum Zweck der Reinigung ausgeben. Was hilft, was ist überflüssig oder sogar schädlich? Wie sahen die Wege und Irrwege vom ersten Seifenrezept bis zum intelligenten Geschirrspüler mit WLAN-Steuerung und beladungsoptimierter Spülprogramm-App aus? Kann und soll man den heutigen Gerätepark samt Dirt-Devil-Dampfbesen und Herzilein-Klobürste noch toppen?