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Putzen als Lohnarbeit – du machst mich sauber, ich mach dich satt

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Die ungewöhnlichsten Reinigungskontakte reichen über Artgrenzen hinweg. Der erste und schönste Bericht zum Thema Putzpersonal im Tierreich stammt aus dem alten Griechenland vom legendären „Vater der Geschichtsschreibung“, Herodot. Er lebte im 5. Jahrhundert vor Christus. Ausgiebige Reisen führten ihn unter anderem nach Ägypten. Dort beschreibt er einen kleinen Vogel namens Trochilos, der scheinbar Selbstmörderisches tut. Er pickt im offenen Maul eines Krokodils herum. Doch das Krokodil schnappt nicht nach ihm, sondern lässt die Frechheit zu. Herodot weiß, dass Krokodile von Blutegeln im Maul gepeinigt werden. Er notiert, dass der Trochilos diese Blutegel verzehrt und beide Seiten profitieren: „Das nutzt dem Krokodil, das zufrieden ist und dafür sorgt, dass der Trochilos unversehrt bleibt.“


Putzdienst in der Gefahrenzone – der Trochilos © Henry Scherren 1906

Herodots Trochilos ist ein kleiner Singvogel, der aufgrund der antiken Anekdote im Deutschen Krokodilwächter und auf Englisch „crocodile bird“ heißt. Doch bis heute ist nicht klar, ob die Geschichte stimmt. Wer die Google-Bildersuche befragt, findet zwar aktuelle Fotos, die den hübschen kleinen Vogel im weit aufgerissenen Krokodilrachen zeigen. Seltsam ist nur, dass die Aufnahmen sich erstaunlich ähneln und es sich immer um denselben Vogel zu handeln scheint. Bei der Quellensuche folgt die Aufklärung im Kleingedruckten. Es handelt sich um eine „digitale Rekonstruktion des Mythos“. Photoshop macht es möglich.

Ist Herodots Bericht rund um den Wagemut von Trochilos also nur Fake News aus der Antike? Vielleicht haben die Vögel ihr einstiges wagemutiges Verhalten inzwischen verlernt. Oder nervöse Krokodile haben doch zu oft zugeschnappt – in Ägypten ist der Vogel, anders als in den Nachbarländern, jedenfalls inzwischen ausgestorben.

Auch wenn Herodots Geschichte 2500 Jahre danach keinem Faktencheck mehr zugänglich ist: Bei vielen anderen Tierpartnerschaften ist das Prinzip „Putzen gegen Naturalien“ bis in die Gegenwart gut dokumentiert. Madenhacker befreien mit ihren Schnäbeln Dickhäuter von Parasiten und füllen sich dabei den Magen. Kuhreiher und Stärlinge sind bei Büffeln, Zebras und Rinderherden aktiv.

Besonders zahlreich sind die Putzsymbiosen im Meer. Und hier gibt es wie in Herodots Beispiel Situationen, bei denen die kleinen Putzer statt als Reinigungskraft durchaus als Nahrung der großen Raubfische enden könnten. Kunden sind zum Beispiel Zackenbarsche, die regelrechte Warteschlangen vor „Putzstationen“ im Korallenriff bilden, damit sich kleine Lippfische um ihre Parasiten kümmern.

Inzwischen hat es sich auch bei zweibeinigen Landlebewesen herumgesprochen, dass Putzkolonnen aus Gewässern Gutes tun können. „Fish Spa“ heißen die Wellnessstudios, in denen Kunden und Kundinnen die Füße ins Aquarium stecken. 14 Zentimeter lange Fischchen der Art Garra rufa, auch Rötliche Saugbarbe oder Knabberfisch genannt, kommen angeschwommen, um sich über Hautschuppen und Hornhaut herzumachen. Sie sind ursprünglich in Süßwasserseen Anatoliens und im Nahen Osten heimisch. Von dort aus hat sich die Pediküre der ungewöhnlichen Art in Richtung Westeuropa verbreitet – ein leichtes, wohliges Zwacken bei den einen, eine leckere Mahlzeit für die anderen.

Ein ähnliches Zwacken empfinden vielleicht jene Vögel, die eine skurrile Säuberungstechnik entwickelt haben. Sie aktivieren Ameisen als „Putzmittel“: Eichelhäher legen sich mit ausgebreiteten Flügeln auf den Ameisenhaufen und lassen sich von den Insekten, die ihr Volk vor dem vermeintlichen Eindringling beschützen wollen, mit Ameisensäure besprühen. Die „Dusche“ hilft, Parasiten loszuwerden. Andere Vogelarten wie Amseln und Krähen picken aus demselben Grund einzelne Ameisen mit dem Schnabel auf und stecken sie sich zwischen die Federn.

Sind wir noch ganz sauber?

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