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Smuz – das, was nicht da sein sollte

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Was also ist Schmutz heute? Gebräuchlich ist der Begriff smuz seit dem 15. Jahrhundert in der Bedeutung von „anhaftender Dreck, Schmiere, Fett“, verwandt mit dem englischen Wort smut für „Schmutzfleck“ und „Ruß“; auch die Wurzel mu für „feucht, modrig“ ist enthalten.

Den Schmutz des 21. Jahrhunderts definiert der Duden abstrakter und ziemlich hilflos als „etwas, was irgendwo Unsauberkeit verursacht“. Was das konkret sein mag, bleibt der eigenen Vorstellungskraft überlassen. Die rattert schnell los. Spinnweben, Wollmäuse, Blattläuse, Kakerlaken, Ungeziefer. Verkrustete Pfannenböden, Kalkränder, Zahn- und Urinstein, grüner Schleim, Matsch, Erbrochenes, Hundekot unter dem Schuh. Ein Ölfilm auf dem Wasser. Plastik im Meer. Schweißgeruch. Ein muffiger Raum mit ungemachten Betten. Der Gestank einer Fußgängerunterführung, die als Pissoir missbraucht wird. Verschimmeltes Brot, Rotwein- und Kaffeeflecken auf dem Teppich, überquellende Aschenbecher, Berge von ungespültem Geschirr, verklebt mit Pizza- und Getränkeresten. Ein verstopftes Klo. Übervolle Abfalleimer, Gerümpel am Straßenrand, Giftmüll, Atombrennstäbe … Alles, was besser nicht da sein sollte.

Und dazu noch vieles, was man gar nicht sehen kann. Feinstaub, alle möglichen Gase wie Stickoxide aus Dieselmotoren, Bakterien.

Ärmel aufkrempeln und Gummihandschuhe bereitlegen, bitte! Wir schauen in den Spiegel und sehen: Wir sind gerüstet. Wer uns da entgegenblickt, ist Herrscher/in über etliche Armeen im Auftrag der Sauberkeit. Brigade 1: Shampoo, Duschgel, Deo & Co. für den leiblichen Bedarf. Brigade 2: die Wasch- und Putzmittel-Trupps für Kleidung, Schuhe, Möbel, Kacheln, Böden, Teppiche, Geschirr, Besteck, Fenster. Brigade 3: Schwadronen von Bürsten, Lappen, Schrubbern, Pads, Schwämmen, Mikrofasertüchern. Brigade 4: die kilowattstarken Helfer wie Staubsauger, Wasch- und Spülmaschine …

Wo anfangen? Überall!

Schmutz macht Gänsehautschlagzeilen. Die Signale scheinen eindeutig: 100 Millionen Bakterien tummeln sich auf jedem Quadratzentimeter Wischmoppoberfläche und 113 000 Millionen Bakterien auf 10 Quadratzentimeter Kühlschrank! 1,5 Millionen Milben lauern in einem Durchschnittsbett! 362 verschiedene Bakterienarten haben deutsche Wissenschaftler auf 14 gebrauchten Spülschwämmen entdeckt. Vor 45 giftigen Chemikalien im Hausstaub warnen amerikanische Studien und malen die möglichen Folgen aus: Krebs, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit, Schilddrüsenerkrankungen.

Ketzerische Fragen drängen sich auf: Wenn sich auf dem Wischmopp schon Milliarden Bakterien drängeln, hat es dann Sinn, noch mehr zu wischen? Oder ist der Bakterienalarmismus vielleicht doch übertrieben? Er ist es. Die schönste wissenschaftliche Antwort darauf hat 2014 das Team um den niederländischen Mikrobiologen Remco Kort in seiner „Knutsch-Studie“ geliefert. Danach tauschen bei einem 10-Sekunden-Zungenkuss im Durchschnitt 80 Millionen Bakterien die Wirte. Von anschließenden Gesundheitsproblemen war keine Rede.

Lassen wir die Milben erst einmal im Bett und die Bakterien im Kühlschrank. Ohne Einordnung sind große Zahlen wertlos. Als Grundregel bleibt die Lektion: Man sollte Staubflusen nicht mit dem Löffel essen, nicht in Spülschwämme beißen und keine Wischmopps küssen.

Um mehr zu erfahren, scheint es angebracht, die Schmutzarten etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Ein paar Leitfragen können helfen: Wo kommt das alles her? Wie geht der Schmutz wieder weg? Wo bleibt er, wenn wir ihn aufgewischt, aufgefegt, aufgesaugt, weggewaschen, weggespült haben? Und: Wie gefährlich ist welcher Schmutz wann und wo?

Sind wir noch ganz sauber?

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