Читать книгу Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln - Arved Fuchs, Hannes Lindemann - Страница 107
Fische klettern auf Bäume
ОглавлениеInteressanter noch ist der Schlammspringer, den ich am Du-River in Liberia häufig antraf. Er hat Augen, die er beim Schwimmen wie ein Periskop über Wasser halten und in jede beliebige Richtung drehen kann, jedes Auge in eine andere. Er klettert mit Hilfe seiner Brustflossen auf Mangroven und springt bis zu einem Meter weit; sonnt er sich in der heißen Tropensonne, braucht er keine Sonnenbrille, kann er seine Augen doch ganz in die Augenhöhlen zurückziehen. Hält er sich an der Land-Wasser-Grenze auf, steckt er seinen Schwanz ins Wasser, um zu „atmen“: der Schwanz ist voller Blutgefäße, die dem Wasser Sauerstoff entziehen können und auf diese Weise die dicht verschließbaren Kiemen ersetzen. Der Schlammspringer fängt wie ein betrunkener Gecko Fliegen und schwimmt wie ein kranker Fisch! Bloß fliegen kann er noch nicht – zoologisch gesehen ist er ein Fisch!
Weitere Vertreter der Tierwelt im Mangrovensumpf sind die Milliarden von Moskitos und kleinen Stechgnitzen, gegen deren Bösartigkeit man sich kaum schützen kann, schlüpfen sie doch selbst durch Moskitonetze hindurch. Die Indianer Floridas lebten jahrhundertelang in von diesen Moskitos verseuchten Sümpfen; sie rieben sich zum Schutz mit dem Extrakt einer Pflanze ein, der die Insekten vertreibt. Auch diese Art von Moskitos hat sich an die eigenartige Umwelt angepaßt: ihre Larven gedeihen bestens im Salzwasser.
Stehen Mangroven im klaren Wasser, so wachsen manchmal Austern an ihren Wurzeln – als treibendes Plankton setzten sich die Schalentiere in ihrer Jugend an den Wurzeln fest und beginnen zu wachsen.
Die Mangrove ist eine Landpflanze, die im Laufe von Millionen von Jahren ihre Liebe zur See entdeckte und von der Land- in die Randzone übersiedelte, in die Gezeitenzone. In dieser langen Zeit hat sie auch genügend Muße gefunden, sich an ihre neuen Aufgaben im salzigen Wasser zu gewöhnen. Wie, zum Beispiel, pflanzt sie sich fort? Fruchtkapseln würden doch ins Meer hinausgetrieben, wie sollten sie je den Boden erreichen?
Mutter Natur hat vorgesorgt: die Mangrove bekommt „Junge“, sie ist sozusagen lebendgebärdend, denn ihre Früchte keimen bereits auf den Bäumen. Die jungen Pflanzen haben dann die Form einer länglichen Bombe; fallen sie in den Schlammgrund, bilden sie sofort Wurzeln und wachsen weiter. So geschieht es bei Ebbe; bei Hochwasser hingegen fällt der Sämling ins Wasser und kann irgendwo an fernen Ufern angetrieben werden, viele Meilen vom Mutterbaum entfernt. Es gibt sogar Forscher, die vermuten, die afrikanischen Mangroven seien durch Äquatorialströmungen nach Südamerika gelangt; demnach müßten die Sämlinge wochenlang auf dem Meer treiben können, ohne ihre Lebensfähigkeit zu verlieren.
Auch nach ihrem Tode hat die Mangrove noch Wert für den Menschen, sei es, daß man ihre bizarren Wurzelgeflechte zu dekorativen Zwecken ins Zimmer stellt, zu Leuchtern, Aschenbechern und Blumentopfhaltern umarbeitet, oder sei es, daß Eingeborene die Rinde der roten Mangrove zum Lohen von Netzen und Segeln benutzen.