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KAPITEL 2 Strukturen der ELKB § 5Kirchliche Körperschaften, Einrichtungen und Dienste – verfasste Kirche und freie Träger im Überblick 1.Körperschaftlicher Aufbau der Landeskirche
ОглавлениеNach der Kirchenverfassung der ELKB haben die (Gesamt-)Kirchengemeinden und die Dekanatsbezirke jeweils für die ihnen zugewiesenen Aufgaben das Recht der Selbstverwaltung. Sie sind – wie die ELKB – rechtlich selbstständige kirchliche (Gebiets-)Körperschaften. Damit ist die ELKB körperschaftlich dreistufig aufgebaut. Im Gegensatz dazu kennt der Freistaat Bayern einen vierstufigen Aufbau, weil neben ihm nicht nur die politischen Gemeinden und die Landkreise, sondern zusätzlich auch noch die Regierungsbezirke selbstständige (Gebiets-)Körperschaften sind.
BEACHTE:
Die Rechtsordnung erkennt neben natürlichen Personen unter bestimmten Voraussetzungen auch sog. juristischen Personen die Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit zu, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. In der Regel handelt es sich bei den juristischen Personen um Personenvereinigungen oder auch um ein Zweckvermögen. Die Zuerkennung eigener Rechtsfähigkeit als juristische Person hat bei einer Personenvereinigung z.B. den Vorteil, dass nicht alle Mitglieder zusammen jeweils handeln müssen, sondern dass sein Organ, der Vorstand, für die Personenvereinigung verbindlich handeln kann und dass deren Existenz von ihrem jeweiligen Mitgliederbestand bzw. -wechsel grundsätzlich unabhängig ist. Insoweit handelt es sich um eine die Rechtspraxis erleichternde Hilfskonstruktion.
Man unterscheidet zwischen juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts. Die bekannteste juristische Person des Privatrechts ist der eingetragene Verein als mitgliedschaftlich organisierter Personenverband. Nicht mitgliedschaftlich organisiert sind dagegen z. B. Stiftungen als zweckgebundene Vermögen.
Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden in Körperschaften, Anstalten und Stiftungen unterteilt.
–Bei der Körperschaft handelt es sich um einen mitgliedschaftlich (körperschaftlich) organisierten Verband, also eine Personenvereinigung. Beispiele aus dem staatlichen Bereich sind (Frei-)Staat, Gemeinde, Landkreis als Gebietskörperschaften, Universitäten, Industrie- und Handelskammern, Ärztekammern usw. als Personalkörperschaften.
–Die Anstalt ist ein als eigene Rechtspersönlichkeit behandelter Bestand von persönlichen und sachlichen Verwaltungsmitteln, der einem besonderen (öffentlichen) Zweck dauernd zu dienen bestimmt ist, in der Regel in der Form einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungseinrichtung; Beispiele aus dem staatlichen Bereich sind die Sparkassen und die Rundfunk- und Fernsehanstalten. Hier geht es nicht um eine Mitgliedschaft, vielmehr steht die Benutzung im Vordergrund. Sehr häufig sind Anstalten ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Diese bilden dann nur organisatorisch, nicht aber auch rechtlich selbstständige Einheiten (z. B. kommunale Versorgungsbetriebe, öffentliche Schulen und Bibliotheken).
–Die Stiftung wiederum ist eine als eigene Rechtspersönlichkeit behandelte Vermögensmasse, deren Erträgnisse einem bestimmten Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind. Als Stiftung des öffentlichen Rechts hat sie einem allgemeinen gemeinnützigen oder kirchlichen Zweck zu dienen.
Diese drei Rechtsformen, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, existieren, wie sich aus Art. 2 und Art. 8 KVerf ergibt, auch im kirchlichen Bereich:
–Körperschaften sind etwa die ELKB selbst, ihre Kirchengemeinden, Gesamtkirchengemeinden, Dekanatsbezirke und die kirchlichen Zweckverbände, nicht dagegen die Kirchenkreise (Art. 8 Abs. 1 Nr. 1).
–Anstalten sind der Versorgungsfonds (dieser allerdings ohne eigene Rechtspersönlichkeit – vgl. dazu u. § 27.3 b) und das rechtlich selbstständige Evangelisch-Lutherische Studienheim mit Knabenchor Windsbach (vormals Evang.-Luth. Pfarrwaisenhaus Windsbach1).
–Kirchliche Stiftungen sind vor allem die Kirchenstiftungen, die Evang.-Luth Pfründestiftung in Bayern und die zahlreichen sonstigen Stiftungen.
Vom körperschaftlichen Aufbau ist die Gliederung der Landeskirche in personale Zuständigkeitsbereiche für die Wahrnehmung der geistlichen Leitung und Begleitung zu unterscheiden. In diesem Sinne ist die Landeskirche in Kirchenkreise eingeteilt. Den Kirchenkreisen sind jeweils eine Anzahl von Dekanats- und Prodekanatsbezirken in ihrer Eigenschaft als Zuständigkeitsbezirke von Dekanen und Dekaninnen (Dekanate/Prodekanate) zugeordnet. Diese wiederum sind unterteilt in Pfarreien als räumlich bestimmte Seelsorge- und Verwaltungsbereiche, für die Pfarrern und Pfarrerinnen der Dienst zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung übertragen ist (§ 13 Abs. 3 S. 2 KGO – RS 300); wenn in einer Pfarrei mehrere Pfarrer und Pfarrerinnen tätig sind, ist diesen jeweils ein eigener (Pfarr-)Sprengel zugewiesen, in welchem sie eigenverantwortlich die seelsorgerliche Betreuung der dort wohnenden Gemeindeglieder wahrnehmen (zum Parochialrecht s. u. § 21.3).
Die Bildung und Abgrenzung dieser Untergliederungen der ELKB ist als Maßnahme auf dem Gebiet des Organisationsrechts eine innerkirchliche Angelegenheit im Sinne von Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV.
Alle kirchlichen (Gebiets-)Körperschaften können für bestimmte Aufgaben besondere Einrichtungen und Dienste unterhalten. Auf kirchengemeindlicher Ebene sind dies vor allem Kindergärten, Friedhöfe, zuweilen auch Schulen. Die Dekanatsbezirke sind z.B. Träger von Verwaltungseinrichtungen (Verwaltungsstellen) im Sinne von § 75 KGO und § 40 a DBO (RS 310).
Auf der landeskirchlichen Ebene bestehen für die verschiedenen kirchlichen Handlungsfelder Einrichtungen und Dienste, die die Erfüllung des kirchlichen Auftrages auf den körperschaftlichen Ebenen unterstützen und ergänzen (vgl. u. §§ 50 ff.). Zur Koordinierung und Steuerung der landeskirchlichen Einrichtungen und Dienste haben die 1997/1998 von den kirchenleitenden Organen verabschiedeten „Perspektiven und Schwerpunkte kirchlicher Arbeit in den nächsten Jahren“, die 2013 durch die Handreichung „Grundlagen und Orientierungen kirchlichen Lebens in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern“ fortgeschrieben worden sind, mit dem darin entwickelten Handlungsfeldkonzept einen grundlegenden Beitrag geleistet. Ausgehend von den vier Grunddimensionen des kirchlichen Auftrags – Zeugnis und Orientierung (martyria), Gotteserfahrung und Selbstbesinnung (leiturgia), Gemeinschaft (koinonia), Hilfe und Begleitung (diakonia) – sind die von den unterschiedlichen kirchlichen Organisationseinheiten und Einrichtungen geleisteten vielfältigen Aktivitäten zehn Handlungsfeldern zugeordnet worden, nach denen mittlerweile auch der Haushaltsplan der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern gegliedert ist:
–HF 1: Spiritualität, Gottesdienst, Verkündigung und Kirchenmusik
–HF 2: Gemeindeaufbau und Gemeindeentwicklung
–HF 3: Erziehung, Bildung und Unterricht
–HF 4: Seelsorge und Beratung
–HF 5: Themen- und zielgruppenbezogene gesellschaftliche Dienste
–HF 6: Ökumene, Mission, Entwicklungsdienst und Partnerschaft
–HF 7: Diakonisches Handeln
–HF 8: Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Medien
–HF 9: Aus-, Fort- und Weiterbildung
–HF 10: Kirchenleitung und Verwaltung.