Читать книгу Evangelisches Kirchenrecht in Bayern - Hans-Peter Hübner - Страница 61

b)Säulen des Staatskirchenrechts

Оглавление

Es sind im Wesentlichen die folgenden tragenden Grundsätze („Säulen“), die unser staatskirchenrechtliches System bestimmen:

–die Religionsfreiheit (Art. 4 GG),

–die grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche: „Es besteht keine Staatskirche.“ (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV),

–das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV; Gleichstellung der Weltanschauungsgemeinschaften in Art. 137 Abs. 7 WRV),

–der Korporationsstatus (Kirchen- und Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV),

–das Vertragsstaatskirchenrecht (vertragliche Regelungen zwischen Staat und Kirchen oder Religionsgemeinschaften, (vgl. z. B. den bayerischen Kirchenvertrag vom 15. November 1924 – RS 110 – und den auf Bundesebene vereinbarten Militärseelsorgevertrag vom 22. Februar 1957 – RS 192).

Dieses System zeichnet sich aus durch die Bestimmung des Staates

–als weltanschaulich religiös neutraler Staat (Grundsatz der Neutralität),

–der sich mit keiner auf seinem Gebiet vorhandenen Religion oder Weltanschauung identifizieren darf (Grundsatz der Nicht-Identifikation),

–der diese Religionen und Weltanschauungen formal gleich zu behandeln hat (Grundsatz der Parität), was freilich nicht ausschließt, dass an tatsächlich bestehende Unterschiede angeknüpft werden kann (z. B. Größe, Relevanz in der Öffentlichkeit usw.),

–der die Eigenständigkeit und die Selbstbestimmung der Kirchen und der Religionsgemeinschaften innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze anerkennt und gewährleistet und ihnen hierfür das Wirken in den Formen des öffentlichen Rechts ermöglicht,

–der schließlich allen seinen Bewohnern ein umfassendes Recht auf Religionsfreiheit zugesteht.


Der Staat anerkennt den Freiheitsbereich des einzelnen im religiösen Bereich. Dies muss er schon deshalb tun, weil ihm die Würde des Menschen vorgegeben und deren Schutz oberste staatliche Aufgabe ist (Art. 1 Abs. 1 GG). Zu dieser Menschenwürde gehört notwendigerweise auch ein positiver – wie negativer – Transzendenz-Bezug. In dieser Freiheitsgewährung unterscheidet sich unser Staat von ideologisch geprägten Staaten, die dem Menschen auch seine Wertvorstellungen in ihrem Sinne vorgeben. Der Staat unseres Grundgesetzes anerkennt nicht nur den Freiheitsbereich des einzelnen, sondern auch den der religiösen Vereinigungen, der Kirchen, Religionsgemeinschaften oder auch Weltanschauungsgemeinschaften. Durch seine verfassungsrechtlichen Gewährleistungen bietet er diesen einen rechtlichen Rahmen für die Gestaltung ihres Wirkens, den diese durch ihr eigenes geistliches oder weltanschauliches Selbstverständnis füllen. Was Glaube, Bekenntnis, Religionsausübung, kirchliches Selbstverständnis u.ä. ist, unterliegt daher nicht der staatlichen Definition, sondern der je eigenen Ausführung und Sinnbestimmung des einzelnen oder der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Unser staatskirchenrechtliches System ist daher stark freiheitlich geprägt. Es ist ein System der „freiheitlichen Zuordnung der beiderseitigen Aufgaben und des beiderseitigen Wirkens“ von Staat und Kirche.

Da Staat und Kirche sich – je von ihrem Ansatz und Auftrag her – jedoch für dieselbe Gesellschaft und für dieselben Menschen verantwortlich fühlen (als Staatsbürger und als Kirchenmitglieder), und es durch die zunehmende Verantwortung des Staates als Sozialstaat mit dem Ziel einer umfassenden Daseinsvorsorge oft zu einer Überlagerung und Konkurrenz staatlicher und kirchlicher Aktivitäten kommt, bedarf es einer „verständigen Kooperation“ zwischen Staat und Kirche. Diese modifizierte oder auch positive Trennung stellt sich daher dar als „wechselseitige Selbstständigkeit innerhalb eines Koordinationssystems oder als Partnerschaft zwischen Kirche und Staat“. Ausgehend von beiderseitiger Freiheit und Unabhängigkeit voneinander hält dieses Modell also Kirche und Staat zu Kooperation an. Gerade weil der Staat Religiöses nicht selbst bestimmen darf, bedarf es dieser Kooperation und Verständigung, wenn beide – Staat und Kirche – in sich berührenden oder auch überlagernden Arbeitsfeldern tätig werden.

Evangelisches Kirchenrecht in Bayern

Подняться наверх