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Überlegenheits- und Inkongruenztheorien

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Thomas Hobbes erklärt in seinem Traktat über den Menschen die Entstehung des Lachens aus einer plötzlichen Überlegenheit heraus: „Laughter is nothing else but a sudden glory arising from some sudden conception of some eminency in ourselves by comparison with the infirmity of others.“19 Er formuliert damit die erste Superioritätstheorie des Lachens und verlegt so den Fokus vom lächerlichen Objekt in das wahrnehmende Subjekt und vom Theater bzw. der Rede in den Bereich der Affekte und des gesellschaftlichen Konflikts. Mit dieser Position verlässt Hobbes die Ebene des Körpers vollkommen und behandelt das Lachen als (negativ bewertete) soziale Funktion: Es soll andere einschüchtern, indem es sie erniedrigt. Der Körper ist zwar als Lachanlass noch spürbar, auch das Lachen selbst wird mit der Metapher der Grimasse bezeichnet, doch beides wird gewissermaßen entmaterialisiert. Im Leviathan schreibt Hobbes zusammenfassend:

Sudden glory is the passion which maketh those grimaces called laughter; and is caused either by some sudden act of their own that pleaseth them; or by the apprehension of some deformed thing in another, by comparison whereof they suddenly applaud themselves; who are forced to keep themselves in their own favour by observing the imperfections of other men. And therefore much laughter at the defects of others is a sign of pusillanimity.20

Das Lachen ist hier zur Grimasse geworden und der Lachanlass die Wahrnehmung einer Deformation; welche Art Deformation jedoch gemeint ist, wird nicht gesagt. Hobbes bedient sich zwar Körpermetaphern, um das Lachen zu beschreiben, diese zielen in ihrer abstrakten Anwendung jedoch auf eine Generalisierung: Mit „some deformed thing“ scheinen viele Arten des Normfernen und Minderen gemeint zu sein.21 Hobbes’ Ausführungen beruhen im Grunde auf der Wahrnehmung eines Vergleichs im sozialen Leben.22 Sie gehen nicht auf die Wurzeln dieser Wahrnehmung ein, sie unterscheiden auch nicht zwischen Körper und Aussehen, Geist und sozialer oder ethnischer Herkunft des lächerlichen Gegenübers, sie rechnen nicht mit seiner Täuschung und Verstellung (im Falle des Possenreißers), sondern sind ganz auf den lustvollen Affekt des Lachens selbst bezogen. Im Körper erkennt Hobbes keinen eigenständigen Lachanlass.

Ganz ähnlich verhält es sich mit einer anderen Variante des Vergleichs, den sogenannten Katastrophentheorien, bei denen das Lachen nicht aus Überlegenheit, sondern aus überwundener Angst resultiert.23 So formuliert Charles Baudelaire in seinem Essay Vom Wesen des Lachens (1855): „Fest steht (…), daß das menschliche Lachen aufs engste mit der Katastrophe eines frühen Falles, einer physischen und moralischen Erniedrigung verknüpft ist.“24 Am Beispiel des Sturzes veranschaulicht Baudelaire, dass Lachen nicht nur der Schadenfreude, sondern der Freude an der eigenen Vermeidung des Sturzes entspringe. Auch bei dieser subjektbezogenen Theorie geht es um die Verarbeitung einer sinnlichen Wahrnehmung, bei der die somatischen Bezüge des Vorgangs nicht in Erscheinung treten. Hierzu gehört schließlich auch die These, dass Lachen aus einem Gefühl der Unterlegenheit heraus entsteht (Verlegenheitslachen), ein Versuch, Lachen über die Selbstwahrnehmung (und hier wiederum nicht über den eigenen Leib) zu erklären.

Das wahrnehmende Subjekt steht auch bei den Inkongruenztheorien im Mittelpunkt. Die erste Inkongruenztheorie wurde von Schopenhauer formuliert: Das Lachen entstehe plötzlich in der Wahrnehmung einer „Inkongruenz zwischen einem solchen Begriff und dem durch denselben gedachten realen Gegenstand, also zwischen dem Abstrakten und dem Anschaulichen.“25 Mit diesem Konflikt zwischen Verstand und Intuition schließt Schopenhauer indirekt an Kants berühmte Definition des Lachens als eines Affektes, der aus der „plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts“ entstehe, an.26 Kant hatte im Lachanlass etwas „Widersinniges“ bemerkt, eine Inkongruenz von Erwartung und ihrer Enttäuschung. Kants und Schopenhauers Inkongruenzthesen machten deshalb Karriere, weil sie sich auch zur Bestimmung des Komischen als einer plötzlichen Nebeneinanderstellung oder „Bisoziation“ (Koestler) inkompatibler Regeln, Codes oder Logiken eigneten, deren Erscheinen eine anfängliche Verwirrung auslösten, gefolgt von einer raschen Anpassungsleistung und einer Auflösung des Problems. Es handelt sich dabei um einen zweistufigen kognitiven Wahrnehmungsprozess, der über die Erkenntnis eines Widerspruchs als Spiel mit der Vorstellung (Kant) verläuft und gerade durch seine Absorption von Aufmerksamkeit Lachen hervorruft. Dabei spielt der Körper, bei Kant etwa eine bedeutende Rolle als Resonanzboden, wenn die Belebung durch das Lachen als eine körperliche und als „Spiel von der Empfindung des Körpers zu ästhetischen Ideen“ bezeichnet wird.27

An Körperliches als Lachanlass jedoch scheint Kant weniger gedacht zu haben; auch ihm schwebt das Komische einer heiter gestimmten Konversation als Idealfall für das Lachen vor, wie sein Beispiel eines witzigen Missverständnisses zeigt.28 Inkongruenztheorien nennen zwar hin und wieder auch Körperliches als gegensätzlich, doch der eigentliche Auslöser des Lachens ist eine Vorstellungsleistung bei der Wahrnehmung der Inkongruenz. Kritiker haben angemerkt, dass die Inkongruenzthese nicht mehr als ein Aspekt des komischen Vorgangs ist, eine bindende Spannung, die auf einen Widerspruch im Sozialen hindeutet, und der für die Situation konstitutiv ist.29 Auch vor diesem Hintergrund ist es erklärlich, dass keine Überlegenheits- oder Inkongruenztheorie ein methodisch brauchbares Instrument für die Untersuchung körperlicher Lachanlässe enthält.

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