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Verhaltens- und Sozialmodelle

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Während bei Bliss phylogenetische Aspekte des Lachens eher angedeutet bleiben, spielen sie bei biologisch und ethologisch motivierten Untersuchungen eine größere Rolle. Die dabei analysierten Zusammenhänge von tierischem und menschlichem Verhalten sind in Bezug auf die Körperlichkeit des Lachens insofern von Bedeutung, als entwicklungsbiologische Modelle eventuell Hinweise auf historische Prozesse der sozialen Bedeutung des Lachens geben können.

Die Ethologen Konrad Lorenz und Irenäus Eibl-Eibesfeld deuten das Lachen als ein instinktives „ritualisiertes Verhalten“, das einer ursprünglichen Drohbewegung (etwa dem Zähnezeigen) die Aggression nimmt und sie in ein spielerisches Necken (spielerisches Zubeißen) oder in Grußgebärden verwandelt. Solchen Gebärden liegen ethologisch aggressive Verhaltensweisen zugrunde, die aber mit Spielsignalen gekoppelt und somit entschärft werden.36 So Eibl-Eibesfeld:

Es ist ziemlich sicher, dass im Lachen Aggression steckt. Die rhythmische Lautäußerung erinnert an ähnliche Lautäußerungen, mit denen viele Primaten einer Gruppe gemeinsam gegen einen Feind drohen (‚hassen‘). Ein solches gemeinsames Drohen verbindet die Mitglieder einer Gruppe. (…)Außerhalb der Gruppe Stehende berührt ein solches Lachen eher unangenehm, ja, wenn es den Charakter des Auslachens trägt, wirkt es ausgesprochen aggressiv, herausfordernd. Lachen scheint in seiner ursprünglichen Funktion gegen Dritte zu verbinden. 37

Zum Gruppendrohen kommt in der Entwicklung des Lachens ein körperliches Merkmal hinzu, das sogenannte ‚entspannte Mundoffengesicht‘ („relaxed open mouth display“), dem eine spielerische Beißintention zugrunde liegt. Es ist bei jungen Primaten häufig anzutreffen und hier ein metakommunikatives Signal, welches das mit ihm verbundene Verhalten als Spottaggression oder Spiel kennzeichnet: „(…) a common pattern during play among primate infants, which is a metacommunicative signal, designating the behaviour with which it is associated as mock aggression or play.“38 Das entspannte Mundoffengesicht ist ein Merkmal ritualisierten Verhaltens, dessen Funktionen Vereinfachung, Wiedererkennbarkeit und Eindeutigkeit des Signals sind. Auch beim Menschen können solche ritualisierten Merkmale beobachtet werden: Neben dem gesprächsbegleitenden Lachen als Stimulus können auch bestimmte mimische und gestische Verhaltensweisen eine spielerische/scherzhafte Situation signalisieren (Zwinkern, Brauenziehen), wie etwa beim ironischen Sprechen. Initiallachen etwa evoziert in der Regel Reaktionslachen, und Lachpartikel in Äußerungen sind oft Lachsignale: was jetzt kommt, ist spielerisch gemeint, es darf gelacht werden.39

Der soziale Sinn einer spielerischen Markierung liegt vor allem in der Vermeidung eines Gesichtsverlustes: Gerade in Begegnungen mit Unbekannten und dominanten Partnern (auch in Geschlechterbeziehungen) können risikoreiche Handlungen als scherzhaft ausgegeben werden, um im Fall der Ablehnung Frustration und Rangminderung zu verhindern.40 In allen Fällen trägt das Lachen zum Abbau von Aggression bei. Das Lachen als körperliches, ritualisiertes Markierungssignal bei der Interaktion dient somit der Festigung der Gemeinschaftskohäsion durch Korrektur und Anpassung normüberschreitenden Verhaltens. Die wichtige Rolle des Lachens als Mittel der Kohäsionssteigerung von Gemeinschaften werde ich weiter unten noch genauer betrachten, und zwar im Zusammenhang mit Gemeinschaften der Vormoderne. Dort diskutiere ich auch die wichtigsten sozial ausgerichteten Theorien von Lachen und Komik. Festzuhalten ist einstweilen, dass die ethologische Lachforschung zwar anderen Erkenntnisinteressen als unseren nachgeht, ihre Befunde zur Rolle körperlichen Verhaltens in der Interaktion aber genutzt werden können.

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang noch die Arbeit des Psychologen und Verhaltensforschers Robert Provine.41 Mit Hilfe neurobiologischer Modelle und soziologischer Feldforschung versucht er, das Lachen als Verhaltens- und Kommunikationsform außerhalb gängiger Schemata wie Witz, Komik und Humor zu bestimmen: Lachen als lautlicher Bestandteil der Rede, der älter als die Sprache selbst ist und auf ritualisierte Kommunikationsformen verweist. 42 Im Anschluss an die Ethologie (v.a. van Hooff) erklärt Provine dies entwicklungsbiologisch: Erst der aufrechte Gang habe den Thorax befreit und es möglich gemacht, die für den Menschen typischen Lachlaute auszustoßen. Damit erklärt Provine auch den Kitzel als ältesten Lachstimulus: „From tickling, an ancient stimulus for laughter, we learn of laughters‘ descent from the ritualized panting of rough-and-tumble play“43

Die Ergebnisse von Provines Feldforschung bestätigen, dass Lachen ein vorprogrammierter Marker für Spiel und die Bestätigung sozialer Bindung ist: In Gesprächen konnte häufiger als reaktionsförmiges das redebegleitende Lachen und Lach-Sprechen (laugh-speak) festgestellt werden. Zahlreiche Formen des Lachens ohne Komik wurden identifiziert, bei denen Lachen als ungeplant, emergent und nicht zensierbar erscheint. Weitere Aspekte des Lachens als menschliches Sozialverhalten sind seine ansteckende Wirkung sowie seine therapeutische Funktion.

Provine hat sich mit seiner Anti-Humor-These zwar ein ergiebiges Terrain erarbeitet, indem er das Lachen als Phänomen ernst nimmt und es sehr weitläufig definiert (so ist auch ein einzelner Lacher „ha“ als Lachen zu bezeichnen). Andererseits bedeutet dies auch, dass der gesamte Sektor der professionellen Unterhaltung (der für unser Thema entscheidend ist) ausgeklammert werden muss: Das geplante, intentionale Erregen von Lachen, das Lächerlichmachen hat hier keinen Ort. Was die Übertragung des Lachens angeht, argumentiert er rein neurobiologisch und beachtet die psychosozialen Implikationen der Kommunikation zwischen Körpern kaum.

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