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Psychologische Entlastungstheorien

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In weiten Bereichen stimmen die Entlastungsmodelle des Lachens mit den Inkongruenztheorien überein (Lachen als Reaktion eines wahrnehmenden Subjekts, kognitive Verarbeitung des Anlasses), sie konzentrieren sich aber vornehmlich auf die psychologischen Prozesse des Lustgewinns bzw. der Unlustvermeidung beim Lachen. So erkennt Ewald Hecker – im Anschluss an Kants und Vischers ontologische Auffassungen vom Lächerlichen als eines Hin- und Herschwankens zwischen Lust und Unlust – das Lachen als eine intermittierende, rhythmisch unterbrochene, freudige Gefühlserregung, der eine intermittierende Sympathicusreizung zugrunde liegt.30 Lachen erscheint so als ein Reflex, ein Schutzmechanismus des Körpers bei ambivalenten Situationen, die gleichzeitig angenehme und unangenehme Gefühle provozieren.31 Auch wenn Hecker damit das Lachen als Reaktion auf physische Reize wie den Kitzel und auf das Komische als analoge Strukturen miteinander in Verbindung bringen kann, und somit das Augenmerk auf den auslösenden Moment legt, so hat er keinerlei Versuche unternommen, den Lachreiz des fremden Körpers in sein System einzubeziehen.

Schon vor Hecker hatte Herbert Spencer die wichtigen Zusammenhänge von Physiologie und Psychologie beim Lachen erkannt. In seinem kurzen doch sehr einflussreichen Essay The Physiology of Laughter (1860) erscheint das Lachen als Phänomen psychischer Entlastung im Sinne der Entladung einer zuvor akkumulierten übergroßen psychischen Spannung bzw. eine Abfuhr nervöser Energie.32 Spencer geht davon aus, dass starke Emotionen wie Angst und Aggression „nervöse Energie“ produzieren, welche akkumuliert wird und in der Lachsituation abgeführt werden kann. Das Lachen stellt sich ein, wenn die Aufmerksamkeit eines emotional „aufgeladenen“ Organismus durch einen wenig bedeutenden Vorfall abgelenkt wird, der weniger emotionalen Aufwand benötigt („descending incongruity“).33 Spencer erklärt dies mit Hilfe von energetischen Metaphern des Strom- und Wasserkreislaufes, die den emotionalen „Stau“ und nachfolgende Entladung von Spannung plausibel machen können. Der Lachanlass erhält in dieser Perspektive die Funktion eines Reizes für die Öffnung eines muskulär-motorischen Ventils, durch welches überschüssige Energie entweichen kann.

Das energetische Modell Spencers ist zwar stark kritisiert worden, hat als Denkmodell für die Relation von nervösen, motorischen und energetischen Aspekten des Lachens jedoch seine Berechtigung. Leider ist das Prinzip des energetischen Ausgleichs nur auf die einzelmenschliche Psyche anwendbar, und nicht auf die energetischen Prozesse zwischen anwesenden Körpern, was es für unsere Zwecke nur wenig brauchbar macht. Trotzdem muss sein Einfluss auf die nachfolgenden psychologischen Erklärungsmodelle des Lachens bis zu Freud konstatiert werden.34

Etwas anders als Spencer versteht Sylvia H. Bliss in ihrem Aufsatz mit dem vielsagenden Titel The Origin of Laughter die psychologischen Mechanismen des Lachens. Ausgehend vom Konflikt zwischen natürlichen und sozialen Trieben sieht sie im Lachen das Ergebnis einer plötzlich aufgehobenen Repression: „Laughter is the result of suddenly released repression, the physical sign of subconscious satisfaction.“35 Diese Aufhebung der Triebunterdrückung stellt sie in einen an Darwin angelehnten phylogenetischen Rahmen, in welchem der Mensch schrittweise seine Triebe und Instinkte verdrängt hat. Bei Bliss wird eine Schwäche vieler psychologischer Ansätze deutlich, dass nämlich das Lachen lediglich als ein „physisches Zeichen“ innerpsychischer Vorgänge gewertet wird. Die sichtbaren physiologischen Phänomene sind nur ein Ausdruck der dahinter liegenden seelischen Vorgänge, welche jedoch nur skizzenhaft beschrieben werden können.

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