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1.2. Lachen und Komik – Unterscheidung und Verhältnis

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Komik, Lachen und Humor sind in der Theorie immer wieder vermischt und häufig metaphorisch oder je nach Bedarf verwendet worden. So heißt die Studie Bergsons zwar „Das Lachen“, doch vom ersten Moment an handelt sie vom Komischen: „Vom Komischen im Allgemeinen“; „Komische Formen und Bewegungen“; „Umfang des Komischen“; „Situations- und Wortkomik“; „Charakterkomik“. Für Bergson, und das gilt in hohem Maß für die philosophisch-ästhetische Tradition insgesamt, bilden Lachen und Komik eine untrennbare Einheit; wer über das Lachen schreibt, hat die Komik im Sinn. Nicht viel anders verhält es sich in der Literaturwissenschaft, die sich allermeist mit der Verwendung einsinniger Strukturverhältnisse (Komik erzeugt und ist die Ursache von Lachen) zufrieden gibt und auf eine methodische Trennung der Begriffe verzichtet.

Indessen deutet alles darauf hin, dass Lachen und Komik trotz ihrer komplexen Zusammenhänge unterscheidbare Phänomene und methodisch folglich als zwei unterschiedliche Untersuchungsgegenstände anzusehen sind.1 Wie verhalten sich Lachen und Komik zueinander? Zunächst ist hier festzustellen, dass das Lachen der primordiale Begriff ist, und das aus mehreren Gründen: Komische Vorgänge und Handlungen werden mit Lachen quittiert, das Lachen ist notwendige Antwort für das Komische und geradezu sein Maßstab, doch wurde neben dem Komischen eine Vielzahl anderer Lachanlässe festgestellt und untersucht. Neben verwandten Phänomenen wie Witz und Humor auch Freude und Spiel (etwa bei Kindern), Verlegenheit und Verzweiflung, Kitzel, Nervosität und Entlastung nach einer Anspannung usw.2 Die Konversationsanalyse hat ergeben, dass Lachen Sprechakte wie Angeberei, Herausforderungen, anzügliche und emotionsgeladene Äußerungen begleitet, dass es bei Fragen, unterstützenden Aussagen, oder Bemerkungen zum Gruppenverhalten vorkommt. „There appears to be growing acknowledgement that many factors, internal and external, affect or stimulate laughter. Treating it solely as a response to a stimulus produces only incomplete understandings.“3

Lachen ist der Komik auch deshalb vorgeordnet, weil es zu den transhistorischen und transkulturellen anthropologischen Ausdrucksformen des menschlichen Körpers gehört; die Komik dagegen ist historisch und kulturell gebunden und stark variabel. Daraus folgt als methodische Konsequenz, dass einerseits Lachtheorien, die nur die Komik betrachten, unvollständig sind, und andererseits Komiktheorien nicht ohne das Lachen, ihren Referenzpunkt, auskommen. Walter Haug hat es mehrfach in Bezug auf Literatur und Kultur des Mittelalters betont: Die Voraussetzung für eine Theorie des Komischen ist eine Theorie des Lachens.4 Daran ändert auch nichts, dass Komik zuweilen auch nur ein Lächeln, Schmunzeln oder Freude/Amüsiertheit auslöst, und kein Lachen. Denn dies sind schwächere Varianten des Lachens, die von der subjektiven Wahrnehmung des Komischen abhängen (ich komme später darauf zurück).

Wenn wir über das Komische und sein Verhältnis zum Körper sprechen, tun wir das immer in Abhängigkeit der Bedingungen des Lachens, und somit der kulturellen, historischen und vor allem situativen Kontexte, in welchen dieses erscheint. Daher ist das Komische auch nicht objektivierbar, sondern als Referent einer lachenden Antwort ein stark relationales Phänomen. Dass es keine identischen Strukturmuster der Komik geben kann und somit auch keine objektiven ästhetischen Voraussetzungen für ontologisch ausgerichtete Komiktheorien,5 hatte schon Siegfried J. Schmidt bemängelt, der es als obsolet ansah, eine übergreifende Komiktheorie zu erstellen. Denn diese sei nur möglich, wenn es gelänge, anthropologische, psychologische und soziologische Gesetzmäßigkeiten zu finden, die eine ahistorische Personen- und Konstellationstypik aufzustellen erlaubten, welche zeitlos gültige Strukturen komischer Gegebenheiten und Wirkungen darstellen könnte. Stattdessen verweist auch Schmidt auf die Relevanz kultureller Kontexte und mahnt die historische, soziokulturelle Relativität des Komischen an. Ein kontextdeterminierter Begriff wie Komik sei aus logischen Gründen nicht ahistorisch definierbar. Man könne höchstens Strukturmuster erarbeiten, mit deren Hilfe komische Kommunikationsprozesse analysiert werden können.6

Es ist also keineswegs so, dass Lachen nur als einfacher Indikator von Witz oder Komik angesehen werden darf (wie in ästhetisch ausgerichteten Komiktheorien häufig der Fall) und somit als quantité negligeable, als Neben- oder Zusatzprodukt des Komischen.7 Lachen und Komik (als Lachanlass) gehören in einen interaktiven Zusammenhang, in eine die Komik erst konstituierende Kommunikationssituation.8 Diese „Kommunikationssituation des Komischen“ ist nicht nur durch das Lachen als Antwort auf das Komische charakterisiert, und insofern als Vorgang und prozesshafte Abfolge, sondern sie wird vom Lachen geradezu bestimmt und eingerahmt. Das Lachen in seinen verschiedenen Ausprägungen ist gewissermaßen nicht nur der Respons, sondern auch der Ton der Komik, ihre Modulation.

Komik kann somit immer nur über ihre kulturellen und historischen, vor allem aber über ihre situationalen und okkasionalen Bedingungen definiert werden. Das Lachen ist hierbei die wichtigste, sodass sich für jede Frage nach dem Komischen zunächst die Frage nach seiner Einbettung in Lachkontexte stellt. Dagegen setzen die meisten ästhetischen Komiktheorien das Lachen voraus, ohne die jeweilige Relation des Komischen zu ihm zu untersuchen: Indem sie auf das literarische Kunstwerk, hauptsächlich auf die schriftliterarischen Formen der Komödie, den komischen Roman bzw. kürzere Prosaformen (Schwank, Novelle, Anekdote, Witz usw.) bezogen sind, thematisieren sie das Lachen, wenn überhaupt, nur am Rande. Häufig ist es auch der Schriftfassung zum Opfer gefallen.9 Keine Frage, dass mit dem Lachen als körperliche Ausdrucksform auch der menschliche Körper selbst stark vernachlässigt wird; an seiner Stelle geht es um Handlungs-, Situations- und Figurenkomik usw., also um Unterformen eines ontologisch gefassten Komischen.

So spielt der Körper auch in den vielleicht elaboriertesten komiktheoretischen Ansätzen des Bandes VII der Konstanzer Forschergruppe Poetik und Hermeneutik mit dem Titel Das Komische kaum eine Rolle. Dies hat auch damit zu tun, dass im Vorwort trotz aller Vorbehalte die explizite Frage nach dem „Generalisierungspotential des Komischen“ noch immer im Fokus steht. Karl-Heinz Stierle versucht etwa, die Struktur des Komischen aus der Struktur der Handlung zu entwickeln, indem er zunächst Komik der Handlung und Komik des Sprachhandelns als eine spezifische Form des Handelns miteinander in Beziehung setzt. Damit ist er zwar ein Wegbereiter eines performativen Verständnisses von Komik, doch auch dieser Ansatz bleibt einem übergeordneten Strukturbegriff von Komik verhaftet.

Die Schwierigkeiten, Komik strukturell zu fassen, beginnen bereits mit der wichtigen Frage nach dem Verhältnis von lebensweltlicher und ästhetischer Komik.10 In Anknüpfung an Étienne Souriaus Vorschlag, das Lächerliche der Lebenswelt und das Komische der Kunst zuzurechnen,11 betont Hans Robert Jauß die „ästhetische Einstellung“ als rezeptionsästhetisches Mittel, das für die Komik zum definiens wird, indem „das lebensweltlich Lächerliche (...) der ästhetischen Einstellung ans Licht der Komik treten kann.“12 Komik liegt nach Jauß also immer dann vor, wenn die ästhetische Einstellung in der „Gegensinnigkeit einer Situation“ einen komischen Konflikt zwischen zwei verschiedenen Daseinsebenen entdeckt. Dadurch gewinne die ästhetische Einstellung „die Freiheit eines Abstands, der uns mit der bedrohlichen Situation wenigstens auf der ästhetischen Ebene fertig werden läßt.“13 Eine überlange Nase, eine zufällige Ähnlichkeit, oder die fremde Kleidung eines Außenseiters sind demnach nicht komisch, sondern nur lächerlich, sie rufen ein soziales Lachen, ein Verlachen hervor. Komisch ist eine Situation nach Jauß aber erst dann, wenn die ästhetische Einstellung eine zufällige oder geheime Gegensinnigkeit an ihr entdeckt, was auch zur Folge hat, dass sie nicht unbedingt mit Lachen, bzw. mit dem Lachen aller quittiert werden muss.14 Eine auf solche Weise vom Lachen entkoppelte Komik kann auch die soziale Schärfe des Lachens nicht mehr besitzen, denn sie wird durch die ästhetische Einstellung quasi herausgefiltert. Dies erklärt Jauß mit Hilfe der Komiktheorie Joachim Ritters: Die Gegensinnigkeit einer Situation beruht darauf, dass am Konflikt der verschiedenen Daseinsebenen das „Nichtige im offiziell Geltenden“ teilhat. Das Nichtige sorgt dafür, dass der Konflikt nicht mehr ernsthaft und somit entschärft ist.

Damit entkoppelt Jauß nicht nur das Komische vom Antwortcharakter des Lachens, sondern er schlägt das performative Element der Komik, welches bei Aristoteles noch theatral gefasst war, existenzphilosophisch dem Nichtigen zu.15 Abgesehen davon, dass Jauß den logischen und kommunikativen Status der „ästhetischen Einstellung“ und wer sie wann besitzt nicht näher erläutert (außer der Erwartung der Gegensinnigkeit), möchte ich am Beispiel des klassischen körperlichen Lachanlasses, nämlich des Sturzes zeigen, dass der Versuch, die Komik als ästhetisches Phänomen sozusagen heilig zu sprechen, zum Scheitern verurteilt ist.

Wann ist der Sturz eines ungeschickten Menschen komisch?, fragt Jauß im Hinblick auf Souriaus Einschätzung, dass ein Sturz an sich nicht genügt, um Lachen auszulösen, sondern dass es der Interferenz mit einer zweiten Ebene bedarf, nämlich der Wahrnehmung als einer Form von „unwillentlicher Akrobatik“ oder inszeniertem Missgeschick etwa beim Clown.16 Jauß fragt zunächst mit Recht nach der Instanz, die solche Interferenzen perzipiert und aufdeckt, kümmert sich dann aber nicht um die Probleme der Wahrnehmung. Stattdessen bestimmt er mit der ästhetischen Einstellung eine Instanz, die Vorleistungen für die Wahrnehmung des Komischen erbringt, „damit im Verhalten des Stürzenden oder in der Umständlichkeit des Clowns das Komische aufscheinen kann.“17

Warum soll aber die komische Wahrnehmung eines Sturzes einer „ästhetischen Einstellung“ und nicht einer allgemein perzeptiven, mimetischen oder praktischen Einstellung geschuldet sein? Jauß gibt darauf keine Antwort, schlimmer noch, weder erläutert er seinen Begriff (wer besitzt wann und in welchem Rahmen eine ästhetische Einstellung, und was heißt das?), noch diskutiert er ihn im Licht des Wahrnehmungsproblems. Jauß überträgt lediglich das Rezeptionsmodell der Komödie auf alle komischen Situationen: In der Komödie kann durchaus von einer „ästhetischen Einstellung“ als Rahmungsfaktor der Rezeption gesprochen werden, wohingegen es bei textferneren Formen wie etwa bei den Verkörperungen und Aufführungen von Gauklern und Possenreißern im Mittelalter schon durch die fehlende Illusionsbildung problematisch werden dürfte. Auch deshalb ist ein ontologischer Komikbegriff für jene zahlreichen, zwischen Lebenswelt und Kunst angesiedelten Performances gerade im Mittelalter ungeeignet. Noch im Stegreiftheater gehören inszenierte Stürze zum Programm: In Perruccis Kompendium über die lazzi der Commedia dell’arte kann man nachlesen, wie intensiv sie geübt und ausgespielt wurden.18

Denn Stürze gehören zu den ältesten Lachanlässen des mimischen Theaters, sie werden um des Lachens willen inszeniert. Hier greifen die Jaußschen Kategorien nicht: Sind solche inszenierten Stürze noch Lebenswelt oder schon Kunst? Nur wenn das Letztere zutrifft, könnte man nach Jauß von Komik sprechen, und dann müsste ein Sturz nicht nur Gegensinnigkeit ausdrücken, sondern auch die Zugehörigkeit zu verschiedenen Daseinsbereichen (was im Witz durchaus funktioniert, nicht aber bei körperlicher Komik). Zudem ist in Commedia-Aufführungen die ästhetische Rahmung kaum oder nur schwach ausgebildet, zumindest schwächer als in der klassischen Komödie.

Für vormoderne (und genauso wenig für postmoderne) Aufführungen ist Jauß’ Konzept der ästhetischen Einstellung auf gar keinen Fall zu gebrauchen; inszenierte Stürze sind vielmehr performative als ästhetische Mittel der Aufführung. Ohne den ästhetischen Rahmen der Komödie taugen sie nicht zur Illusionsbildung. Und schließlich: Wenn Jauß’ Vorschläge triftig wären, dann dürften wir über die Komik der Komödie gar nicht lachen, sondern nur schmunzeln, da wir „auf der ästhetischen Ebene mit ihr fertig werden“. Es ist deshalb auch nicht überraschend, wenn der menschliche Körper in seiner anthropologischen Kontingenz in Jauß’ Konzept nicht vorkommt und gewissermaßen als Kategorie ausgeschlossen wird. Wie wir am Beispiel des Sturzes gesehen haben, geht er völlig in Handlungs- und Situationskomik auf, er wird Komiktheorien unterworfen, die von der sprachlichen Semantik ausgehen (Ritters „geheime Zugehörigkeit des Nichtigen zum Dasein“).19

Für Jauß entstammt das Komische dem Bereich der Kunst und setzt ästhetische Einstellung voraus; es ist gewissermaßen ein rezeptionsästhetischer Effekt. Damit hat er das Komische von aller sozialen Verantwortung enthoben, es kann mit dem Verlachen nicht mehr in Verbindung gebracht werden, es erscheint restlos entschärft, unterhaltend und erbaulich, idealisiert. Es ist auch nicht vom Lachen oder seinen situativen Kontexten abhängig, sondern erscheint wesenhaft an eine Art Ästhetisierung durch einen unspezifisch bleibenden Betrachter gebunden – die ästhetische Rahmung des Lächerlichen macht es zur Komik. Dagegen muss auch grundsätzlich eingewandt werden, dass der Rückgriff auf ästhetische Systeme keine ausreichende Klärung erbringt, weil sie zumeist aus Prämissen abgeleitet sind, deren generelle und ausnahmslose Geltung selten zweifelsfrei angenommen werden kann und deren Überschreitung oder Verletzung das Phänomen des Komischen zu einem guten Teil überhaupt erst konstituiert.

Was die Diskussion der Jaußschen Komiktheorie immerhin zeigt, ist zweifelsfrei die Tatsache, dass bei der Bestimmung von Komik ihre Wahrnehmung die entscheidende Rolle spielt. Der komische Vorgang ist nicht an sich komisch, sondern erst in der Wahrnehmung der Anwesenden und Beteiligten. Hier stellt sich nun die Frage, ob nach Jauß und Stierle das Komische nicht die Erfahrung des Handelnden, sondern die des Betrachters betrifft, oder ob die Wahrnehmung des Komischen nicht den Betrachter sozusagen zum Handelnden oder zumindest zum Teilhaber macht. Zweifel an der Jaußschen These sind zumindest angebracht; für Plessner etwa ist das Komische eine Qualität seiner Erscheinung, es ist also etwas, das im Kommunikationsprozess emergiert. Komik ist auch keine Äußerung, wie in semantisch orientierten Arbeiten vielfach behauptet, sondern ein Ereignis, das sich in seiner Gegensinnigkeit als prozesshaft und kontingent herausstellt. Daher ist es so labil und lässt sich strukturell nur sehr schwer fassen. Die Wahrnehmung des Komischen muss ebenfalls der Differenz von Lebenswelt und Kunst Rechnung tragen, denn es ist etwas anderes, ob ich über „vorgefundene Komik“ (Freud), eine komische Performance oder einen (gemachten) komischen Text lache.20 Und die Frage nach der Wahrnehmung muss bezüglich eines Vorgangs, eines Ereignisses gestellt werden, in dem sich semantische und performative Elemente überlagern können, um Ambivalenz oder Widersprüchlichkeit auszulösen.

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