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Wahrnehmung des Komischen
Оглавление„A jest’s prosperity lies in the ear
of him that hears it, never in the tongue
of him that makes it (…)“
Shakespeare: Love’s Labour’s Lost V, 2
Die These, dass das Komische nicht an sich existiert, sondern in der Wahrnehmung derer, die es hören und sehen, zieht sich von Shakespeare über Jean Pauls Vorschule der Ästhetik („das Komische wohnt nie im Objekt, sondern im Subjekte“) und Charles Baudelaire („Le comique, la puissance du rire, est dans le rieur et nullement dans l’objet du rire“) bis zu Gérard Genette: „insister sur le caractère subjectif de l’effet du comique (...), un caractère que chacun éprouve tous les jours et que la plupart des théories du comique oublient tout aussi souvent“.21
Danach gibt es keine komischen Objekte oder Strukturen, sondern es gibt nur komische Relationen, in denen die Wirkung des Komischen allein am lachenden Subjekt erfasst werden kann.22 Derjenige, der auf der Bananenschale ausrutscht, nimmt das Ereignis meist keineswegs komisch, nur derjenige, der anwesend ist und es wahrnimmt. Das Komische ergibt sich hier nicht einfach aus der Betrachtung, sondern aus einem Akt der Aufmerksamkeit, es ist „purement attentionel“, wie Genette es ausdrückt.23 Auch in dem Falle, dass wir es mit einer geplanten Inszenierung, dem willentlich Komischen, zu tun haben (comique intentionnel) muss die Aufmerksamkeit beim Adressaten gegeben sein, um sein Ziel, das Lachen, zu erreichen: „Le comique volontaire, lui, est évidemment intentionnel – mais, pour atteindre son but, il doit aussi devenir attentionnel chez son destinataire.“24
Genette relativiert damit die alte Trennung zwischen willentlicher und unfreiwilliger Komik, indem beide, das Inszenierte wie das Ungeplante, erst durch die Aufmerksamkeit des wahrnehmenden Rezipienten zur Komik werden. Diese eher banale Feststellung hat jedoch weit tragende Konsequenzen für unseren Gegenstand, denn die Komik des seinen Körper benutzenden professionellen Possenreißers oder Schauspielers ergibt sich in diesem Verständnis aus dem Zusammenspiel von Inszenierung und Emergenz. Er benutzt seinen Körper als Werkzeug, um das Lachen des Rezipienten zu erregen, d.h. sein Körper fungiert als eine Art physiologisches, psychologisches und kognitiv wirkendes Ansteckungsorgan. Am Grunde des komischen Lachanlasses liegt eine Art Wahrnehmungsstimulus des anderen, dessen Aufmerksamkeit gebannt und dessen Wahrnehmung so motiviert werden soll, damit er lacht. Wir können den komischen Vorgang deshalb auch als eine kommunikative Handlung bezeichnen, die in dem Moment gelingt, wenn sie Lachen auslöst. Ein wichtiger Aspekt dieser Wahrnehmung des komischen Vorgangs ist der Überraschungseffekt, die Verblüffung. Sie ist kein Bestandteil des Vorgangs selbst, sondern ein von ihr ausgelöster Effekt im Rezipienten.25
Dieser Zusammenhang macht deutlich, dass das Komische als isoliertes Phänomen nicht zugänglich ist. Es wird allein vom jeweiligen Horizont der Lachenden her verständlich: Sie und ihre Relationen zum komischen Vorgang müssen stärker in die Untersuchungen zur Komik einbezogen, wenn nicht zum zentralen Gegenstand der Komikforschung werden. Deshalb sind Plessners Überlegungen zum Lachen und zur Desorganisation des Körpers im Lachen so wichtig für die Erfassung von körperlich motivierter Komik. Es reicht hier auch nicht aus, wie Walter Haug vorschlägt, die Kollision von Normen oder die Unvollkommenheit des Daseins vom Objekt ins Subjekt zu verlagern:
Im Komischen gewinnt der Mensch Distanz zu seiner eigenen Unvollkommenheit. Er kann lachend mit ihr fertig werden. Das Komische ist also nicht etwas objektiv Gegebenes, sondern es ist eine subjektive Möglichkeit, sich der wesensmäßigen Unvollkommenheit des Menschen zu stellen.26
So richtig dieser aus einer Plessnerschen Perspektive heraus formulierte (gewissermaßen vom Lachen zur Komik verschobene) Satz auch sein mag, er besagt noch nicht sehr viel. Es fehlt ihm der Aspekt der Übertragung der komischen Handlung, des komischen Gedankens, vor allem fehlt ihm der Bezug zum Lachen. Haug hätte auch erwähnen müssen, dass das Komische zumindest eine subjektive Möglichkeit ist, mit dem Gegebenen etwas anzufangen, mit ihm zu arbeiten, es zu bearbeiten (das was Freud in Bezug auf den Witz als Witzarbeit bezeichnet hat). Was passiert mit dem von der Wahrnehmung komisierten Körper im Akt der Wahrnehmung? Wird er, wie Freud vermutet hat, objektiviert und somit zu einem verkehrten Körper? Und entsteht die Komik gar aus dieser Objektivierung des Verkehrten?
Dieses sind nur einige Fragen, die sich stellen, wenn man der Prämisse der Komik als Resultat von aufmerksamer Wahrnehmung folgt. Bevor ich mich mit ihnen beschäftige, muss noch eine wichtige Unterscheidung des Komischen angesprochen werden: die zwischen körperlicher und sprachlicher Komik.