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Der scurra bei Plautus
ОглавлениеDer komische Typus des ‚parasitären‘ Possenreißers ist bereits in der griechischen Komödie ausgebildet worden, „obviously designed to provoke amusement“, wie Corbett es formuliert.22 In Xenophons Symposion (nach 380) etwa wird der Possenreißer (gelotopoios / γελωτοποιός) Philippos als ein Spaßmacher vorgestellt, dessen Lacherfolge nicht in seinen Witzen, sondern in seiner unnachahmlichen Körperkomik liegen: Nach der Aufführung einer akrobatisch geschulten Tanzgruppe parodierte Philippos deren Tanz, dass „jeder Teil seines Körpers, den er bewegte, noch lächerlicher wirkte als er ohnehin schon war.“ Wenn die körperliche Imitation von Personen hier Lachen hervorruft, so werden am Ende des Symposiums auch Grenzen erkennbar, als Philippos das Nachäffen der Anwesenden von Sokrates aus ethischen Gründen versagt wird.23 Xenophons Beispiel betont besonders zwei Elemente: erstens ist es die Hauptaufgabe des Possenreißers, Lachen zu erregen; wenn dies nicht gelingt, hat er seine Funktion verfehlt. Zweitens verfügt der Possenreißer sowohl über sprachliche als auch körperlich-gestische Mittel, um Lachen zu erregen; letztere sind ersteren unter Umständen überlegen, aber auch deutlicheren Grenzziehungen unterworfen. Unterdessen ist Philippos nicht der einzige Lustigmacher Griechenlands, der sich parodierender Imitationen von Körperbewegungen bedient: Eudikos ahmte Boxer und Ringer nach, Agathokles, der Tyrann von Syrakus, übte sich selbst in dieser Kunst, wenn er bei den Volksversammlungen Anwesende nachahmte.24
In der römischen Komödie, die stark von der Stegreifspieltradition beeinflusst ist, hat der Possenreißer die Aufgabe, sein Publikum mit einer von übermütigem, vitalem Lachen gekennzeichneten Komik zu unterhalten.25 Die Possenreißer der Komödien des Plautus gehen einerseits auf die theatralen Wurzeln des scurra als saltator und ioculator zurück,26 sind andererseits aber stärker urban und sozial gezeichnet. Corbett unterscheidet in seiner Arbeit zum scurra bei Plautus typologisch zwischen „theatrical scurra“ und „professional jester“. Der erste ist ein professioneller Unterhalter im Sinne von Xenophons Philippos, ein Possenreißer, der im Theater und bei privaten Festen auftritt, um die Anwesenden zum Lachen zu bringen. Der zweite ist eher ein urbanus assiduus civis, ein geistreich-urbaner, witziger, aber auch bösartiger Spötter, der sich in die Angelegenheiten anderer einmischt, alles durcheinanderbringt, und durch seine üble Nachrede rechtschaffene Leute in Verruf bringt – bestens geeignet als Katalysator für die Intrigenstruktur der plautinischen Komödien. Dazu gehört etwa der Typus des aufgeblasenen Schwätzers und Gerüchteverbreiters im Trinummus, dessen falsa verba die anderen Figuren zu unsinnigen Handlungen verführen,27 oder der römische Sklave Tranio in der Mostellaria, welcher aufgrund seiner Neigung zum Verprassen der Mittel seines Herrn und seines bösen Mundwerks als „urbanus vero scurra“ bezeichnet wird,28 vor allem aber der Typus des wohlhabenden iuventus, der seine Sklaven bzw. parasiti selbst nachahmt und übertreffen will und somit zu einem „constant practinioner of the iocularia“ wird.29
Allerdings überlagern sich in den Komödien des Plautus beide Typen häufig, sodass der skandallüsterne Spötter und arrogante Angeber auch Entertainer-Qualitäten aufweist, wie etwa Tranio, dessen Aktivitäten deutlich theatral konnotiert sind, wenn sie als „deliciae populi“ und er damit als Publikumsliebling charakterisiert wird.30 Selbst die Nachahmer der professionellen scurrae, die wohlhabenden jungen Städter Roms (circulatores), die mit rituellem Tanz und Gesang vertraut sind, befleißigen sich theatraler und körperlicher Komik, vor allem der imitatorischen Komik, um ihre Widersacher zu verspotten und zu erniedrigen. Sie sind auch das Verbindungsglied zu Ciceros Auffassung des scurra, denn die Komödien des Plautus waren die entscheidenden Prätexte für Ciceros Rhetorik, wo der scurra eine wichtige Figur darstellt.