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Eines Tages hatte eine Dame die Redaktion der „Arbeiterzeitung“ angerufen und in aller Vertraulichkeit und höflichst gefragt, wie denn das Zeichen der Kommunisten aussähe.

„Das Zeichen der Kommunisten?“

„Ja. Die Kommunisten haben doch sicher ein Firmenzeichen oder Wappen oder wie man es nennen soll, etwas mit einem Hammer, nicht wahr?“

„Hammer und Sichel? “

„Ja, so ungefähr. Ich würde gern genau wissen, wie es aussieht. Hier ist Frau Professor Praahs. Ich bin Flemming Praahs’ Mutter. Sie kennen doch Flemming? “

„Nein.“

„Mein Sohn ist ein sehr eifriger Kommunist, müssen Sie wissen. Und jetzt wollen wir ihm zum Geburtstag eine Schreibtischgarnitur schenken, wissen Sie, so eine Lederunterlage und eine Schreibmappe und einen Löscher. Und da haben wir uns gedacht, das Zeichen der Kommunisten einprägen zu lassen, also Hammer und Sichel oder was die nun haben. Aber es muß unbedingt vorschriftsmäßig und korrekt sein. Wir finden das hübsch, wo er doch nun mal so eifrig mit dem Kommunismus ist.“

„Ja. Sehr hübsch.“

„Sie könnten mir wohl nicht eine genaue Zeichnung davon beschaffen, so wie es richtig sein soll?“

„Nein, ich glaube kaum.“ Der Redakteur saß da, das „Arbejderbladet“ und eine Tasse Kaffee vor sich. Im Kopf der Zeitung waren Hammer und Sichel abgebildet. Er betrachtete sie schwermütig. Das war sicherlich nicht vorschriftsmäßig. „Nein, ich glaube kaum“, wiederholte er.

„Sie wissen wohl auch nicht, wo man das finden kann? Haben die Kommunisten nicht irgendein Buch, wo so etwas angegeben ist?“

„Nein. Aber sehen Sie doch mal im Hof- und Staatskalender nach.“

„Glauben Sie wirklich, daß man es dort findet?“

„Oder im Handbuch für Heraldik“, sagte der Redakteur und knirschte mit den Zähnen.

„Ja, vielleicht finde ich es dort.“

„Ich denke schon.“

„Ja, dann werde ich es versuchen. Vielen Dank, und entschuldigen Sie die Störung!“

Der Redakteur stöhnte gequält. Ach du mein Gott und Schöpfer! Diese Intellektuellen! So etwas ließ man nun in eine Arbeiterpartei hinein! Es war bestimmt ein Segen für die Arbeiterklasse, wenn der junge Praahs Hammer und Sichel auf seinen Löscher geprägt bekam. „Das ,Zeichen der Kommunisten‘! Oh!“

Der Redakteur trank rasch seinen Kaffee aus und schob ärgerlich die Tasse zurück, die aus schwerem Porzellan war und im Laufe der Zeit schon einiges ausgehalten hatte. Freilich kannte er Flemming Praahs, aber er mochte ihn nicht leiden, den gepflegten, fröhlichen Studenten mit den runden Engelsbäckchen, ewig unreif und selbstzufrieden. Da kamen nun diese kleinen Studenten und ließen sich für einige Zeit zur Arbeiterklasse herab. Das ging meist vorbei, wenn sie ihr Examen in der Tasche hatten. Dann waren ihnen die Kommunisten einfach nicht kommunistisch genug, und sie schrieben sich als Mitglied der Regierungspartei ein.

Es kamen auch einige andere Leute, die gern Mitglied der Kommunistischen Partei werden wollten. Die Abteilung D des zweiten Inspektorats der Kopenhagener Polizei schickte ausreichend verkommene Leute, die vorschlugen, Bombenattentate zu verüben und Scheiben einzuwerfen. Ein Seemann, der niemals zur See gefahren war. Arbeitslose, die niemals gearbeitet hatten. Der eine wollte das Gerichtsgebäude in die Luft sprengen. Ein anderer bot der Partei belgische Militärrevolver an, das Stück für sechs Kronen. Auch ein kleiner Mann, der unter Freunden „die Banane“ genannt wurde, fand sich in der Griffenfeldsgade ein und wollte Kommunist werden und Taten vollbringen.

Student Praahs war mit Gelehrsamkeit und Schulweisheit zu den Arbeitern gekommen. Er studierte Staatswissenschaften, führte sich in der Mensa wie ein kleiner Lenin auf und wollte nun dem Proletariat den Weg ohne Abweichungen zeigen. Student Praahs mit dem Kindergesicht hatte sich vorgenommen, die Arbeiterklasse zu belehren. Es ist nur gut, wenn die Kinder Interessen haben, sagten seine freisinnigen Eltern immer und schenkten ihm Löscher und Schreibunterlagen mit Hammer und Sichel in Leder. Doch die Arbeiter enttäuschten stud. polit. Praahs und erkannten seine Schulweisheit nicht an. Als er endlich sein Examen bestanden hatte, wandte er sich voll Überdruß von ihnen ab; sie verdienten es nicht, ihn in ihren Reihen zu haben.

Flemming Praahs hatte trotz seiner bescheidenen Note eine Stellung bekommen; sein guter Vater kannte den Minister. Der Weg nach oben zu Pension und Ritterkreuz war geebnet. Zu Hause wurde das Ereignis mit einem Essen und schönen Reden gefeiert. Es wurde auch außerhalb des väterlichen Heims im Kreise kecker Studenten gefeiert.

Mit dem Leichtsinn der Jugendzeit war es nun vorbei, die fröhlichen Tage des Studenten waren dahin. Man sang beim Portwein in Skodsbprgs Bude in Gammelholm. Ojerum, jerum, jerum! Einer nach dem anderen waren sie abtrünnig geworden, die fröhlichen Studenten, waren sie zu ihren Ämtern und Ehefrauen gegangen. Nur Skodsborg war beständig, der ewige Student Skodsborg. „Es lebe Skodsborg! Es lebe auch Praahs, obwohl er jetzt das Studentenleben im Stich läßt und königlicher Beamter wird! – Warst du ein richtiger Student, laß Tag und Stund’ verwehen! Die herrliche Studentenzeit wird niemals ganz vergehen! Sie war doch eine Schale nur, die einen Kern umschloß. . . “

Sie tranken in aller Unschuld. Sie hatten keine Mädchen dabei, nur Skodsborgs Schwester Marie, die vom Broschürenschreiben lebte, mager war, verbissen dreinschaute und keinen über Gebühr in Versuchung führte. Sie wünschte, über Rosa Luxemburgs Spontaneitätstheorie zu diskutieren, aber Praahs sang: „Laßt doch die Politik jetzt laufen, wir wollen lieber einen saufen!“ Er saß da, froh und zufrieden, mit leuchtenden Augen und runden Engelsbäckchen. Seine Freunde hielten zu ihm. Sie waren keck und burschikos, obwohl keiner von ihnen mehr ganz jung war. „Besingt des Studenten glücklichen Tag!“

Flemming Praahs sang noch, als er in der Morgenstunde heimwärts steuerte, ein wenig unsicher auf den Beinen, aber sicher über die Richtung, die er einschlagcn mußte, um nach Hause ins Østerbro-Viertel zu kommen. Die Polizisten in Nyhavn sahen dem netten Herrn wohlwollend nach. Es war kalt, im Hafen schwammen noch Eisschollen, doch dem Studenten war warm, und er fand die Kälte angenehm. Alles war angenehm und erfreulich. Seine Schritte hallten laut in der leeren Straße, und er sang leise vor sich hin, während er voranschritt: „Vorbei, verweht, du goldne Zeit, so herrlich und so frei, mit Becherklang und Witz und Scherz, passé, verweht, vorbei!“

Am Ende der Amaliegade begegnete er einer Abteilung Soldaten. Sie kamen sicherlich vom Kastell und wollten zur Übung. Eins, zwei! Eins, zwei! Es begann, hell zu werden.

„Morgen, Jungs! Ihr seid in Ordnung! Ihr müßt jetzt arbeiten, und ich gehe nach Hause schlafen, haha!“

Ein Offizier stieß den gemütlichen cand. polit. unhöflich an. „Gehen Sie weiter! Schnell!“

Ja, aber . . . Was . . . Das waren ja . . . Sie hatten ja auch andere Uniformen! Das waren deutsche Soldaten! Flemming Praahs stand mit offenem Mund und sah ausländische Soldaten durch die friedliche Amaliegade marschieren. Wie im Traum sah er das. Stahlhelme, Stiefel, graugrüne Uniformen. Eins, zwei! Eins, zwei!

Was tut man, wenn man eines frühen Morgens fremde Truppen durch die Straßen marschieren sieht? Was tut ein cand. polit.? Was tut ein Bürger unter solchen Umständen? Er ruft die Polizei. Er meldet es den Behörden. Soviel Vertrauen hat ein Bürger in die Polizei. Flemming Praahs erinnerte sich eines Schildes, das er so oft gesehen und über das er sich immer amüsiert hatte – ein Schild an einer Tür des roten Ministerialgebäudes auf Slotsholm: „Nachtklingel des Generalstabs“ stand darauf. Dort mußte man klingeln, wenn der Feind zu nächtlicher Stunde kam.

Er blickte sich um, suchte die Polizei. Er lief. So ist es, wenn man im Traume läuft, dachte er. In der Bredgade sah er zwei Polizisten. „Hallo!“ rief er. „Hallo! Dort sind Deutsche! Deutsche sind in der Stadt!“

„Wirklich?“ fragte der eine Polizist. „Ist schon in Ordnung. Gehen Sie nur nach Hause!“

„Dort sind Soldaten!“ rief Praahs. „Sie marschieren mit Stahlhelmen durch die Straßen!“

„Jaja, ist ja gut. Sehen Sie nun zu, daß Sie nach Hause ins Bett kommen!“

„So wachen Sie doch auf, Mensch!“ schrie Praahs und packte den Polizisten an der Uniform. „Das ist Ernst! Hören Sie, die Deutschen sind in der Stadt! Durch die Amaliegade marschieren deutsche Soldaten! So tun Sie doch was, zum Teufel noch mal!“

Er hatte Tränen in den Augen.

„Wenn Sie sich nicht auf der Stelle ruhig nach Hause begeben“, sagte der eine Polizist, „dann tun wir etwas. Dann nehmen wir Sie nämlich fest!“

„Einen Augenblick – wie heißen Sie?“ fragte der andere Polizist unheilverkündend und traf Anstalten, sein Notizbuch herauszuholen.

„Mein Name ist cand. polit. Flemming Praahs, Sekretär im Sozialministerium. Ich habe nichts dagegen, festgenommen zu werden! Überhaupt nichts! Aber beeilen Sie sich!“

„Sie riechen nach Alkohol, Herr Praahs. Sie sollten lieber nach Hause gehen und sich zu Bett legen“, meinte der Polizist versöhnlich.

„Nein!“ rief Praahs. „Nein! In der Stadt geschehen wahnwitzige und unglaubliche Dinge, und Sie stehen hier und glotzen, wollen nichts unternehmen und sagen, die Leute sollen sich schlafen legen!“

„Na, dann kommen Sie mit!“

Die Polizisten setzten sich langsam mit cand. polit. Praahs in Bewegung. Viel zu langsam ging es zum Polizeirevier in der Store Kongensgade. „Beeilen Sie sich doch!“ trieb Praahs seine Bewacher an.

„Wir schaffen es schon.“

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