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Im Hotel d’Angleterre in Kopenhagen empfing der deutsche Kommandant in Dänemark, Fliegergeneral Leonard von Kaupisch, die Vertreter der dänischen Presse. Auch deutsche, italienische und amerikanische Journalisten waren erschienen.

Sie standen in einer Reihe, die Chefredakteure der großen Kopenhagener Tageszeitungen, mit Jens Angvis als Flügelmann. Redakteur Langeskov vom „Morgenbladet“ überragte sie alle. Er sah sich mit einem verlegenen Lächeln um. Neben ihm stand der kleine, dicke Redakteur vom „Fædrelandet“ 3 , ernst und verbissen, das Hakenkreuzabzeichen im Knopfloch. Auch Persönlichkeiten aus dem Kulturleben, wie Dr. Harald Horn und Franççois von Hahn, waren erschienen. Die beiden Literaten drückten einander herzlich die Hand und lächelten glücklich, als stünde etwas Feierliches bevor.

Die Geladenen mußten eine Weile warten, ehe sich der General sehen ließ. Über die Lage der Presse im okkupierten Dänemark waren ihnen schon vorher Direktiven vom Außenministerium zugegangen. Einigen bekannten außenpolitischen Mitarbeitern konservativer Zeitungen war verboten worden zu schreiben, solange die deutsche Besetzung andauerte. In freiwilliger Übereinkunft hatte sich die Presse mit einer Begrenzung der Pressefreiheit einverstanden erklärt und sich verpflichtet, eine Reihe von Bestimmungen einzuhalten, die in einem vertraulichen Rundschreiben des Ministerrats festgelegt waren.

Die Redakteure warteten schweigend. An den beiden Saaleingängen standen deutsche Wachposten, reglos, mit gegrätschten Beinen in Schaftstiefeln. Harald Horn betrachtete bewundernd ihre so völlig ausdruckslosen Gesichter. Die schöne Disziplin hatte jeden menschlichen Zug daraus verbannt. Prachtvoll, dachte der Literat.

Die Reihe der Redakteure richtete sich aus, als der General den Raum betrat. Der kleine Redakteur vom „Fædrelandet“ schlug die Hacken zusammen und hob den rechten Arm zu einem strammen Hitlergruß. Auch Harald Horn hob den Arm, doch als er sah, daß von Hahn die Hand unten ließ, zuckte er zurück und machte eine Bewegung, als wollte er sich die Nase reiben. Redakteur Langeskov neigte den Kopf zur Seite und lächelte dümmlich. Angvis bewahrte ein würdiges, ernstes Gesicht; er sah aus wie ein treuer alter Diener, der zum erstenmal die Anweisungen einer neuen Herrschaft entgegennehmen sollte.

Fliegergeneral Kaupisch war ein wenig korpulent, wirkte aber elastisch in der gutsitzenden blaugrauen Uniform und den blanken Reitstiefeln. Ihm folgte ein Offizier, der einen maschinegeschriebenen Bogen Papier in der Hand hielt. Er schlug die Hacken zusammen und reichte dem General das Schreiben. Der General verlas seine Botschaft an die dänische Presse.

„Diese Operation ist uns von England aufgezwungen worden. Aus den Aufrufen, die meine Flieger abgeworfen haben, kennen Sie bereits unseren Standpunkt und den Beschluß des Führers, sofort zuzuschlagen. Selbstverständlich sind wir seit langem über Englands Absichten unterrichtet. Wir konnten daher unsere Maßnahmen mit der Gründlichkeit treffen, die den deutschen Generalstab auszeichnet . . .

. . . Wir sind hier nicht eingerückt, um die Dänen zu töten, sondern im Kampf gegen andere, und das hat die dänische Regierung auch sofort verstanden. Eine Regierung und ein König, der, wie ich es einschätze, außerordentlich populär ist, und ich will hinzufügen: eine Bevölkerung, die sich außerordentlich verständnisvoll gezeigt hat. . .

. . . Der König hat mich heute empfangen. Wir waren uns in allen Fragen einig, die das Verhältnis Dänemarks zu unseren Truppen betreffen. Ich habe noch nicht sehr viel Zeit gehabt, mit der dänischen Regierung Verbindung aufzunehmen, aber mit den Befehlshabern der dänischen Streitkräfte habe ich Gespräche von Soldat zu Soldat geführt. Ich habe den Eindruck, daß sowohl das Heer wie auch die Marine die Tatsache, daß sie die Waffen behalten können, zu würdigen wissen, und ich bin überzeugt, daß sie auch weiterhin loyal bleiben werden.“

Die demokratische Presse lauschte schweigend der Rede.

Chefredakteur Angvis merkte sich die Worte des Generals wie ein routinierter Oberkellner, der eine Bestellung entgegennimmt und darin geübt ist, sich die Wünsche eines Gastes einzuprägen. Viele Jahre hindurch schon redigierte er das „Dagbladet“ mit bewunderungswürdiger Gewandtheit und Anpassungsfähigkeit. Auch die neuen Verhältnisse würden ihm keine Schwierigkeiten bereiten.

Das „Dagbladet“ war eine der größten unterhaltenden Zeitungen des Landes und konkurrierte hart mit der konservativen „Morgenposten“. In einer Polemik hatte der Konkurrent spöttisch auf die radikale Vergangenheit des „Dagbladet“ angespielt, aber diese Vergangenheit lag ein halbes Jahrhundert zurück. Noch hingen zwar in der Vorhalle die verblichenen Porträts Dr. Nathans und des gefürchteten Politikers Enslev, die „Dagbladet“ als ein radikales Kampforgan gegründet hatten, das mit neuem, bürgerlichem Freisinn im Kampf gegen den zählebigen Feudalismus begeisterte und verärgerte. Abgesehen von diesen alten Porträts, die man pietätvoll hängenließ, gab es im „Dagbladet“ nichts mehr, was an das Ärgernis der Vergangenheit erinnerte. Vielleicht sollte man die Porträts abnehmen, dachte Redakteur Angvis. Auf jeden Fall den Dr. Nathan.

„Es kommt darauf an, daß man in Dänemark auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen soweit wie irgend möglich der täglichen gewohnten Arbeit nachgeht“, schloß der deutsche General.

Die Audienz war beendet, die Redakteure konnten frei hinausspazieren auf den im Sonnenschein liegenden Kongens Nytorv. Langeskov und Angvis gingen nebeneinander die Hoteltreppe hinunter. „Das war ja kurz und schmerzlos“, sagte Langeskov. „Ubermorgen, beim Essen für die neuen Presseattachés, wird es schwieriger. Da muß ich die Rede halten.“

„Wir sind ja selbst die Gastgeber“, meinte Angvis. „Wir sind es, die eingeladen haben. Die beiden deutschen Herren sind Gäste der Redakteursvereinigung, da können sie doch nicht herausfordernd auftreten. Dr. Meißner soll übrigens recht sympathisch und vernünftig sein. Den anderen kenne ich nicht.“

„Zimmermann ist auch sehr gemütlich“, sagte Langeskov.

„Er ist ein Militär, und die sind immer korrekt und wohlerzogen. Das geht schon. Essen gehen immer!“

„Halten Sie Ihre Rede auf deutsch?“

„Ja. Mir bleibt nichts anderes übrig.“

„Dr. Meißner ist in Nordschleswig geboren und versteht gut Dänisch.“

„Er spricht ausgezeichnet Dänisch. Aber es wird höflicher wirken, wenn ich meine Rede auf deutsch halte“, gab Langeskov zu bedenken. „Die Dinge müssen ihren Lauf nehmen. Es sieht so aus, als wollten es die Deutschen mit einer milden Musterbesetzung versuchen. Es liegt in unserem Interesse, daß es gelingt.“

„Die Deutschen wünschen Produktion“, sagte Angvis. „Und Produktion verträgt sich nicht mit Unruhe. Sie werden uns ohne Zweifel gut behandeln, sie werden den Bauern hohe Preise für landwirtschaftliche Produkte garantieren. Sie werden unsere vielen Arbeitslosen beschäftigen. General Kaupisch meint es sicher aufrichtig, wenn er fordert, der täglichen gewohnten Arbeit nachzugehen.“

„Wir wollen hoffen, daß uns erlaubt wird, unsere Zeitungen in der kommenden Zeit ein bißchen vielseitiger zu gestalten. Wenn sie weiterhin so aussehen wie jetzt, verlieren wir einfach die Abonnenten.“

„Die Leute hören nicht auf, Zeitungen zu lesen“, meinte Angvis, „Sie werden unter allen Umständen die dänischen Zeitungen den deutschen vorziehen. Wir müssen Herrn Meißner verständlich machen, daß der Stoff etwas schmackhafter serviert werden muß. Er wird das bestimmt verstehen. Haben Sie übrigens bemerkt, daß niemand vom ,Arbejderbladet’ anwesend war?“

„Ja. Dabei weiß ich, daß das ,Arbejderbladet‘ eingeladen war wie alle anderen. Das ist natürlich ganz ungehörig und unhöflich, aber konnte man von dieser Seite etwas anderes erwarten?“

„Jetzt ist wohl kaum der geeignete Zeitpunkt für Demonstrationen“, sagte Angvis. „Wie lange, glauben Sie übrigens, wird das Kommunistenblatt erscheinen können?“

„Nicht lange. Das ist eines der Übel, von denen uns die neue Zeit befreien wird.“

Langeskov und Angvis überquerten Kongens Nytorv und gingen nebeneinander die Hauptgeschäftsstraße entlang. Vor dem Hotel d’Angleterre standen ein paar Neugierige und betrachteten die deutschen Posten und die Hakenkreuzfahne, die auf dem Hoteldach gehißt war. Die Polizei hatte den Bürgersteig vor General Kaupischs Quartier abgesperrt. Sonst war alles wie gewöhnlich. Die Straßenbahnen fuhren, und die Leute promenierten auf den Bürgersteigen. Es war Frühling, und die Sonne schien, aber die Bäume auf Kongens Nytorv hatten noch nicht ausgeschlagen. Bald würde der Fotograf des „Dagbladet“ ein Bild der allerersten Kastanienknospen auf dem Rathausplatz bringen können und mitteilen, daß die Bäume wie üblich zuerst vor den Fenstern des „Dagbladet“ ausgeschlagen hätten; von dort breitete sich der Frühling dann über das ganze Land aus.

Harald Horn begleitete François von Hahn. In der Drehtür des Hotels begegneten sie einem Mann, der Horn bekannt vorkam; von Hahn und der Mann grüßten einander herzlich. „Wer war denn das?“ fragte Horn. „Mir ist, als hätte ich den Mann schon mal irgendwo gesehen.“

„Das ist ein bedeutender Mann“, antwortete François von Hahn. „Er hat sein eigenes Büro im Hotel d’Angleterre und heißt Egon Charles Olsen.“

„Olsen? Ich habe ihn auf Frydenholm gesehen. Wie kommt er hierher?“

„Er wohnt hier?“

„Na aber, er war doch . . .“

„Ja, das ist richtig. Er kommt ab und zu nach Frydenholm“, bestätigte François von Hahn. „Herr Olsen ist ein Freund des Grafen. Sie haben Geschäfte miteinander.“

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