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Der Tempel der Polizei mit seinen Gängen und Katakomben und klassischen Peristylen lag ruhig und friedvoll. Es herrschten Ordnung und Symmetrie, edle Einfachheit und stille Größe, belebt durch verschiedene, einfallsreich und überraschend arrangierte Steinarten. Auf einem viereckigen Hof stand die grüne Statue eines nackten Mannes, der einen ganz kleinen Kopf hatte und in ein Gewirr von Nattern trat; er symbolisierte die Gerechtigkeit. Und einen runden Hof umstanden achtundachtzig schwere Säulen, die einträchtig ein Gesims mit einer Dachrinne trugen. Eine Szenerie, geeignet für die Oper, für die Freimaurer oder für allerlei Mondscheinzeremonien. Ein Tempel des Friedens, wo jedermann behutsam auftrat und wo man kein lautes Wort hörte.

Und dennoch herrschte in diesem Haus kein Frieden.

Zwischen dem Polizeipräsidenten der Hauptstadt, Baum, und dem Reichspolizeichef Rane gab es nichts als Haß und Feindschaft, deren Ursachen nur wenige kannten, deren Auswirkungen aber in allen Gängen, Peristylen und geheimen Räumen zu spüren waren. Überall wurde ein stiller, erbitterter Krieg geführt. Überall wurde intrigiert und konspiriert, überall wurden Fallen und Fußangeln gestellt. Überall wurde geflüstert, gelauscht, spioniert.

Die geheimnisvolle Abteilung D gehörte offiziell zur Kriminalpolizei der Hauptstadt, obwohl die Agenten der Abteilung auch Informationen über Leute in der Provinz sammelten. Sie selbst glaubten tadellos zu arbeiten, doch auf Veranlassung des Reichspolizeichefs war neuerdings eine konkurrierende „Sicherheitspolizei“, von den Eingeweihten kurz „Sipo“ genannt, aufgebaut worden. Und während die Abteilung D vorläufig dem herzenswarmen Jüten unterstand, hatte der Reichspolizeichef Polizeianwalt Drössaa zum Leiter der Sipo berufen. Im Zusammenhang mit dieser geheimnisvollen Neubildung war die noch geheimnisvollere Zivilorganisation oder ZO mit ihrem inneren Kreis, ihrem äußeren Kreis, ihrem Mobilkreis und mit ihren Verbindungen zu den entferntesten Häfen, Wäldern und Dünen des Landes erfunden worden.

Das merkwürdige Polizeipräsidium war mit Geheimnissen gesättigt. Gewöhnliche, unbescholtene Bürger erfuhren nie, was in den Katakomben des Hauses vor sich ging. Aber Egon Charles Olsen sollte es beschieden sein, hinter die Kulissen zu sehen.

In der Abteilung D begann es zu dunkeln. Kommissar Horsens erhob sich und knipste eine elektrische Lampe an; sie hatte die Form einer altgriechischen Fackel, wie man sie von den Reliefs der Grabmäler her kennt. Dann ging er zum Fenster, zog die Gardinen zu und stellte die beiden leeren Bierflaschen in eine Ecke. Er klopfte seine Pfeife in einen klassischen Aschenbecher aus und ordnete die Papiere auf dem Schreibtisch. Danach rieb er sich die Hände, daß es knackte. Alles wirkte so, als wollte er es seinem Gast gemütlich machen. In ihm herrschte Weihnachtsstimmung. Sein wettergebräuntes Gesicht leuchtete förmlich vor lauter Ehrlichkeit und Zuneigung.

Der Regen schlug an die Scheiben. Vom Hafen her hörte man die Dampfschiffe tuten und von der Langen Brücke her das Klingeln, wenn sie für ein Schiff hochgezogen wurde. Es war schön, drinnen zu sein. In der Abteilung D war es gemütlich, man fühlte sich geborgen.

Der Kommissar machte sich an der Heizung zu schaffen und meinte seufzend: „Ach ja, es wird jetzt zeitig dunkel. Es ist erst vier Uhr. Aber wir haben ja auch bald Weihnachten. Warten Sie, da ist sicher noch etwas in der Kanne, Olsen!“ Er goß Olsen Kaffee ein. „Stellen Sie die Tasse ruhig auf den Tisch! Machen Sie es sich bequem, Olsen!“ Er wollte gerade sagen: Fühlen Sie sich wie zu Hause!, doch er besann sich rechtzeitig. Noch war die Abteilung D nicht Olsens Zuhause.

Olsen betrachtete mißmutig den kalten Kaffee.

„Vielleicht möchten Sie lieber eine Flasche Bier? Wie ist es, Olsen? Bestimmt sind noch ein paar im Schrank.“ Der Kommissar holte sie, den Öffner fand er auf dem Schreibtisch. „Zum Wohl, Olsen! Und Glückwunsch! Herzlichen Glückwunsch!“ Sie tranken gleich aus der Flasche. Kommissar Horsens wischte sich den Mund ab, stopfte sich die Pfeife, Olsen reichte ihm Feuer.

„Danke schön, Olsen, vielen Dank!“ Der Kommissar lächelte milde. „Ja, Unterinspektor Henningsen sagte also, daß er Sie gut leiden könne. Er sagte auch, Sie seien tüchtig gewesen, wenn es galt, ihm kleine Auskünfte zu beschaffen, die für die Ordnung und Disziplin dort im Staatsgefängnis von Nutzen sein konnten. An so einem Ort muß ja Disziplin herrschen! Sie berichteten ihm also über die Gespräche der Gefangenen?“

„Ja“, sagte Olsen.

„Und über die Verletzungen der Vorschriften?“

„Ja.“

„An so einem Ort wird selbstverständlich viel Böses geredet. Die Leute sind ja nicht freiwillig dort. Konnten die Gefangenen Unterinspektor Henningsen gut leiden?“

„Nein.“

„Der Unterinspektor ist doch sonst ein sehr netter Mann?“

„Er wurde ,Apfelmörder‘ genannt.“

„ ,Apfelmörder‘? Na so was – ein sonderbarer Spitzname! Weshalb nannte man ihn denn ,Apfelmörder‘?“

„Im Staatsgefängnis stehen ein paar große Apfelbäume, und einer davon ragt ein wenig über die Hofmauer. Manchmal waren ein paar Äpfel runtergefallen, wenn wir zu unserer Runde auf den Hof kamen. Man war ganz wild nach so einem Apfel, mochte er auch noch so grün und sauer sein. Aber sobald der Unterinspektor sah, daß ein Apfel runtergefallen war, ging er hin und trampelte ihn richtig breit. Das ärgerte die Gefangenen natürlich. Deshalb haben sie ihn ,Apfelmörder‘ genannt.“

„Nicht doch! So etwas tat er? Hat er die Äpfel wirklich zertrampelt? Nun ja, dort gibt es natürlich eine bestimmte Verpflegungsordnung. Und der eine soll nicht mehr haben als der andere. Haben Sie dem Unterinspektor erzählt, daß er ,Apfelmörder‘ genannt wurde?“

„Ja.“

„Und das mochte er wohl nicht, was?“

„Nein.“

„Und die anderen Gefangenen? Hatten Sie mit denen nie Unannehmlichkeiten? War da keiner, der Sie verdächtigte, ein Zuträger zu sein?“

„Nein“, sagte Olsen und lächelte.

„Sie waren wohl routiniert und gaben sich keine Blöße?“

Olsen lächelte bescheiden, aber der Kommissar bemerkte in diesem Lächeln einen gewissen Berufsstolz. Horsens schob die Brille wieder nach oben und blätterte erneut in den Papieren. „Sehen Sie, Olsen, da war doch auch etwas zwischen Ihnen und dem Gutsbesitzer Skjern-Svendsen? Sie haben ja bereits etwas darüber zu Protokoll gegeben. Sie bekamen also eine Art Gehalt von ihm. Hundertfünfzig Kronen im Monat, wenn ich mich recht erinnere?“

„Ja, das war alles.“

„Und dafür sollten Sie sicherlich ein kleines Stückchen Arbeit leisten?“

„Ja.“

„Und das war keine schwere Arbeit. Der Gutsbesitzer wollte nur über etwas Bescheid wissen, nicht wahr?“

„Das war verdammt schwer. Er wollte etwas über seine Frau wissen.”

„Richtig. Er wollte wissen, was sie bei diesem Doktor Riege machte. Und das fanden Sie heraus?“

„Ich lieferte dem Gutsbesitzer regelmäßig Berichte. Ich hatte bei Riege zu tun und war deshalb häufig dort.“

„Sie dienten ihm als Versuchsperson für seine Experimente, nicht wahr? Jaja, die Polizei mußte sich auch ein wenig mit Dr. Riege beschäftigen, als sie diesen Mord untersuchte. Dr. Riege war schließlich in der Mordnacht bei der gnädigen Frau auf Frydenholm gewesen. Man hatte also auch ihn im Verdacht. Sie waren durchaus nicht der einzige, Olsen! Dieser Doktor ist ein sehr merkwürdiger Mann. Eine sonderbare Menagerie hat er in seiner Klinik da draußen, was?“

„Ja, das kann man behaupten.“

„Sie sahen da draußen wohl schreckliche Dinge vor sich gehen? Und Sie waren so etwas wie ein Privatdetektiv für den Gutsbesitzer?“

„Ja. In gewisser Weise.“

„Genau wie für Unterinspektor Henningsen?“

„Das kann man sagen.“

„Ja, Olsen, Sie besitzen recht brauchbare Fähigkeiten, das wissen wir.“ Der Kommissar warf über die Brille hinweg einen gütigen Blick auf Egon Charles Olsen. „Ausgezeichnete Fähigkeiten sogar! Nun frage ich mich nur, ob es nicht möglich wäre, diese Fähigkeiten zukünftig in den Dienst des Guten zu stellen.”

Schloss Frydenholm

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