Читать книгу Tierschutzrecht - Hansjoachim Hackbarth - Страница 51
1.3Rechtfertigung eines Verstoßes gegen § 2 TierSchG bei Vorliegen eines vernünftigen Grundes
ОглавлениеDie Rechtfertigung eines Verstoßes ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des Gesetzes und ist auch nur zu prüfen, wenn ein Verstoß gegen § 2 Nr. 1 bis 3 TierSchG angenommen wird. Hier ist auf die Grundsätze des § 1 TierSchG zu verweisen, nach denen der Gesetzgeber mit dem TierSchG den Tieren nicht jegliche Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens ersparen will.
Unter einem vernünftigen Grund wird im Hinblick auf die menschliche Wertordnung ein verständiger und daher beachtlicher Grund verstanden, welcher in einer Güter- und Pflichtenabwägung in Relation zum Schutzgut des Tierschutzgesetzes zu setzen ist und kein zwingender Grund zu sein braucht. Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist daher auch bei dieser Norm abzuwägen, ob die Einschränkung der Haltungsanforderungen nach § 2 TierSchG nicht einen vernünftigen Grund hat und somit eine Ahndung ausscheidet.
Einer der häufigsten Konfliktfälle im Bereich der Tierhaltung ist die Beurteilung der Frage, inwieweit die Erfordernisse einer ökonomisch betriebenen, rationalisierten und automatisierten Landwirtschaft eine Einschränkung des Wohlbefindens der Tiere zulässig machen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Tierschutz in diesem Streitfall der absolute Vorrang einzuräumen ist. Um § 2 TierSchG jedoch nicht leer laufen zu lassen, werden betriebswirtschaftliche Interessen nicht als vernünftiger Grund angesehen, wenn der derzeit praxisübliche Minimalstandard bei der Tierhaltung unterschritten wird.
Die Beurteilung des Vorliegend der Voraussetzungen des § 2 TierSchG sowie ggf. eines vernünftigen Grunds obliegt dem örtlich zuständigen beamteten Tierarzt ge. § 15 TierSchG. Er hat insofern eine vorrangige Beurteilungskompetenz (VGH München 16.5.2017 9 ZB 14.733).
Dieses Beispiel macht deutlich, dass das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des vernünftigen Grundes zu einer bedeutenden Einschränkung der Haltungsforderungen des § 2 TierSchG führt.