Читать книгу Darwin heute - Harald Lesch - Страница 39

Kunstschönes – Das Handicap-Prinzip

Оглавление

Nun erstreckt sich unser Wohlgefallen aber auch auf andere Erscheinungen. Warum gefallen uns Gebäude, Gedichte, Musikstücke, Bilder, Plastiken, Tänze, Kunstflug, Kunstreiten, Kunstspringen, Kunstturnen, also das Kunstschöne? Manche vermuten auch hier evolutionäre, also biologische und damit genetische Wurzeln und sprechen dann von DARWIN’ scher Ästhetik. Solche evolutionären Wurzeln sind allerdings nur schwer nachzuweisen, weil der Zusammenhang mit der natürlichen oder der sexuellen Auslese selbst dann nicht offensichtlich ist, wenn es ihn tatsächlich gibt. Deshalb ist die Evolutionäre Ästhetik in diesem Bereich noch nicht weit fortgeschritten.

Noch etwas weiter gehen Versuche, Kunstsinn und Musikalität allgemein evolutionsbiologisch zu erklären. Tatsächlich sind Kunst und Musik selektionstheoretisch gesehen zunächst eher paradox: Sie mögen ja unterhaltsam sein; aber wie sollten sie zum Überleben des Individuums oder zur Ausbreitung seiner Gene beitragen können? Kosten sie nicht nur Zeit, Kraft, Geld und andere Ressourcen und halten von lebens- oder paarungswichtigen Aktivitäten ab?

Hier greift das so genannte Handicap-Prinzip. Letztlich geht es auf DARWINS Prinzip der sexuellen Auslese zurück; ausdrücklich formuliert wurde es aber erst 1975. Um Sexualpartner zu gewinnen, muss man sie beeindrucken; dafür muss man ihnen zeigen, dass man genügend Ressourcen hat; und um das zu belegen, muss man sie deutlich erkennbar verbrauchen oder – noch besser – verschwenden! Paradebeispiele sind der Pfauenschwanz und das Elchgeweih. Damit zeigt der Mann dem Weibchen, dass er sich solch aufwendigen, im Alltag sogar hinderlichen Schmuck leisten kann, also kräftig, gesund und wohl auch sonst gut ausgestattet ist. Weitere Beispiele sind das Brunftgeschrei des Hirschs, der Gesang der Lerche, der Tanz des Birkhuhns, das Winken der Winkerkrabbe, das Leuchten des Glühwürmchens.

Dieses Handicap-Prinzip soll nun auch für die Entstehung der Kunst gelten: Gerade weil Kunst und Musik dem Ausübenden keine unmittelbaren Überlebensvorteile bringen, belegen sie, dass der ins Auge gefasste Partner sich solchen Luxus leisten kann. Und eben das macht ihn attraktiv. Kunst und Musik dienen in diesem Fall also nicht dem Wohle des Individuums, sondern der Verbreitung seiner Gene. Das schließt natürlich nicht aus, dass Kunst noch weiteren evolutionären Zwecken dient, etwa dem Zusammenhalt der Gruppe, der Identitätsfindung des Einzelnen, der Beschwörung oder Besänftigung von Göttern, Geistern, Ahnen oder Jagdtieren. Dazu bedenke man, dass Regentänze zwar keinen Regen bringen, wohl aber das Wir-Gefühl stärken, also eine soziale Funktion haben.

Darwin heute

Подняться наверх