Читать книгу Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil V) - Hedwig Courths-Mahler - Страница 17

14. Kapitel.
Endlich bezwungen.

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Inhaltsverzeichnis

Auf dem Perron des Eisenacher Bahnhofes waren Rose-Marie mit ihrer Mutter und Hans Ramberg zusammengekommen.

Rose-Marie flog auf ihn zu, und er umfing sie aufjauchzend mit beiden Armen, aber als sie sich küssen wollten, wie in alter Zeit, da sahen sie sich eine Weile atemlos, wie gebannt, in die Augen.

Dunkle Glut überflog Rose-Maries Gesicht, und die beiden Augenpaare hingen weltvergessen ineinander.

»Rose-Marie, Rose-Marie, wie groß bist Du geworden, und wie schön!« stammelte der junge Mann fassungslos, und ein heißes, stürmisches Glücksgefühl wallte in ihm auf.

Sie löste sich verwirrt aus seinen Armen und sah in sein gebräuntes, männliches Gesicht.

»Ach, Hans-, und Du - Du hast Dich auch sehr verändert, Hans, Du bist ja ein Mann geworden. Musch, nun sieh’ doch nur, da ist Hans!«

Sie hatte sich abgewandt zur Mutter, die nun Hans herzlich begrüßte.

»Lieber Junge, was hast Du für breite Schultern bekommen, so stattlich siehst Du aus — ja, ja, aus Kindern werden Leute. Rose-Marie ist mir auch über den Kopf gewachsen!« sagte sie lächelnd.

Sein Blick flog aufstrahlend zu Rose-Marie hinüber, »die inzwischen ihrer Verwirrung Herr geworden war.

Wie ein holdes Wunder staunte er sie an. Hatte er auch schon das kleine wilde Mädchen lieb gehabt, hatte er auch schon in dem Backfisch seine künftige Frau gesehen, diese holde, erblühte Mädchenknospe füllte seine Seele mit stürmischem Entzücken.

»Musch war doch immer kleiner als ich, nicht wahr, Hans?« fragte Rose-Marie lächelnd.

Er atmete tief auf.

»Ja, Du sagtest wenigstens schon früher immer »kleine Musch!« Aber nun kommt, ich weiß hier in der Nähe ein kleines Café, wo wir sicher ungestört plaudern können. Wir haben uns soviel zu sagen!«

Sie gingen nebeneinander die Straße hinunter, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.

Unterwegs tauschten sie nur wenige Worte, aber als sie dann behaglich zusammensaßen, ging es ans Erzählen.

Musch war ein bißchen abgespannt und beschränkte sich bald nur auf das Zuhören.

Aber Hans und Rose-Maine fanden kein Ende. Und zuletzt erzählte Rose-Marie von Marianne Heydebrecht.

Hans wollte es erst nicht hören.

»Vergälle mir diese Stunde nicht mit Erinnerungen an diese Frau!« bat er.

Aber sie faßte seine Hand und sah ihn dringlich an.

»Doch, Hans, Du mußt mich anhören. Wenn Du wüßtest, wie sie leidet, wie sie einsam und verbittert ein freudloses Leben führt, seit Deine Mutter von ihr ging. Du darfst nicht härter sein, als Deine Mutter war!«

Da ließ er sie erzählen und sah dabei immer in ihre schönen, blauen Augen hinein.

Und was sie ihm mit ihrer warmen, klaren Stimme erzählte, blieb nicht ohne Wirkung auf ihn. Als sie zuletzt bat:

»Hans, Du darfst ihr nicht mehr grollen. Sei nicht schroff. Wenn Du ihr jetzt die Hand bötest, ich glaube, sie würde sie nicht zurückweisen.«

Er schüttelte den Kopf.

»Was Du mir erzählst, paßt so wenig zu dem Bilde, das ich mir von ihr gemacht habe. Aber ich glaube Dir, Rose-Marie, und will mich bemühen, meinen Groll zu besiegen. Aber ich kann ihr nicht die Hand bieten, mein Gelübde bindet mich. Auch läßt es mein Stolz nicht zu. Sie könnte ja glauben, daß es mir nur um das reiche Erbe zu tun ist. So gern ich Dir jeden Wunsch erfüllte, Rose-Marie, diesem kann ich nicht nachgeben!«

Sie seufzte auf.

»Ach, mein Gott, dann werdet Ihr ja nie zusammenkommen, ihr zwei harten Köpfe!«

»Sei nicht betrübt, Rose-Marie, das kann ich nicht sehen!«

Sie lächelte zu ihm auf.

»Nein, ich will die Hoffnung nicht aufgeben. Und wenn Dich Dein Wort bindet, dann muß ich eben Deine Großmutter so lange bestürmen, bis sie zuerst nachgibt. An ihr steinernes hartes Herz glaube ich nicht mehr. Aber eins versprich mir, Hans; wenn sie Dich selbst ruft, dann kommst Du gewiß, und so schnell als Du kannst!«

»Ja, Rose-Marie, Dir zuliebe verspreche ich das!dl«

Frau Gerhard fiel ihnen nun ins Gespräch.

»Rose-Marie hat es sich fest in den Kopf gesetzt, Dich mit Deiner Großmutter zu versöhnen, Hans. Allerlei Unbesonnenheiten hat sie schon losgelassen, ich muß immer wieder Einhalt tun!«

»Ja, Musch fällt aus einer Angst in die andere, aber Großtante ist gar nicht so schlimm Sie trägt mir nichts nach!«

Die Stunden vergingen schnell.

Hans hätte gern Rose-Marie gesagt, wie lieb er sie hatte und wie er sich danach sehne, sie zu seiner Frau zu machen.

Das Versprechen, das er Onkel Fritz gegeben hatte, zu warten, war nun erfüllt.

Rose-Marie war kein Kind mehr. Und er war in guter Stellung und imstande, seiner jungen Frau ein zwar bescheidenes, aber sorgenfreies Los zu bieten. Aber in Tante Henriettes Gegenwart konnte er unmöglich sein heiligstes Empfinden preisgeben.

Ein Alleinsein mit Rose-Marie ließ sich nicht herbeiführen. So mußte er in seiner Brust verschließen, was ihn bewegte. Aber die Damen versprochen ihm, jeden Monat einen Tag mit ihm in Eisenach zusammentreffen zu wollen.

Außerdem wollten sie fleißig ihre Korrespondenz fortsetzen, und Hans tröstete sich damit, daß er bald Gelegenheit finden würde, Rose-Marie Herz und Hand zu bieten.

Daß sie ihn liebte, wie er sie, glaubte er aus ihrem ganzen Wesen zu erkennen.

Sie hatte die schwesterliche Unbefangenheit verloren und errötete oft jäh unter seinen Blicken.

So brachte er die Damen, als die Zeit um war, an ihren Wagen.

Sie schieden voneinander, ohne sich, wie sonst, zu küssen. Aber in ihren Augen flammte es auf wie ein heiliges Feuer, als sie sich mit einem letzten Blick ansahen.

Still und verträumt saß Rose-Marie auf der Heimfahrt neben der Mutter im Wagen.

Musch schlief.

Das junge Mädchen aber sah mit großen, leuchtenden Augen in die grünende Waldespracht. In ihrem Herzen sang und jubelte die Lebensfreude.

* *

*

Mit keinem Wort erwähnte Marianne Heydebrecht am anderen Tage die Fahrt der beiden Damen nach Eisenach.

Aber der alte Gustav, der jetzt sehr zutraulich geworden war, erzählte Rose-Marie, daß die alte Dame wieder stundenlang vor dem Bilde ihrer Tochter gesessen und immer wieder gefragt hatte, ob die beiden Damen noch nicht zurück seien.

»Es geht etwas vor in unserer gnädigen Frau, Fräulein Rose-Marie, das können Sie mir glauben!« schloß er seinen Bericht. »Ich kenne sie nun vierzig Jahre und fühle es sozusagen selbst mit, daß sie unruhig und aufgeregt ist, wenn sie sich auch noch so sehr in der Gewalt hat!«

Rose-Marie hoffte mit dem gläubigen Herzen der Jugend, daß der liebe Gott endlich mit starkem Finger an das Herz der alten Dame klopfen würde.

Wieder gingen die Tage hin wie zuvor.

Immer mehr zog Marianne Heydebrecht Rose-Marie in ihre Nähe.

Sie blieb zwar schweigsam und verschlossen, auch den schroffen kurzen Ton hielt sie fest, aber Rose-Marie merkte doch, daß ihre Anwesenheit der alten Dame angenehm war.

Eines Nachmittags ging Rose-Marie mit ihrer Mutter im Park spazieren. Sie wußte nicht, daß die Gutsherrin kurz zuvor denselben Weg gegangen war.

Marianne sah aber die beiden Damen kommen, und da sie nicht mit ihnen zusammentreffen wollte, verbarg sie sich hinter ein dichtes Gebüsch, um Mutter und Tochter vorüberzulassen.

Nun befand sich jedoch eine Ruhebank vor diesem Gebüsch, und Henriette wünschte, sich darauf niederzulassen.

Wider Willen mußte Marianne nun länger in ihrem Versteck verharren, und wurde so Zeuge des folgenden Gesprächs:

»So, meine Herzensmusch,« sagte Rose-Worte zu ihrer Mutter, »nun ruhe Dich aus, dann gehen wir noch ein Stück weiter, nicht wahr?«

»Ja, Kind, nur ein Weilchen Ruhe!«

»Ach, Musch, wie schön ist es hier, wie einzig schön. Und wie traurig ist es, daß all diese Herrlichkeit einer Frau gehört, die keine Augen dafür hat, die mit ihrem wehen, einsamen, verbitterten Herzen an all diesen Gotteswundern vorbeigeht, ohne sie zu empfinden. Ruft nicht jedes Blättchen, jeder Käfer dem Menschen zu: »Freue Dich des schönen Lebens, es ist so kurz.«

Weißt Du, Musch, mein Herz tut mir schrecklich weh, wenn ich in Großtantes Augen sehe. Was liegt für Kummer und Herzeleid unter den kalten Blicken verborgen!«

»Du bist eine kleine Phantastin, Rose-Marie, ich sehe nichts in ihren Augen, wie Stolz und kühle Zurückhaltung!«

»O, Du siehst sie zu selten und gibst nicht so acht auf sie, wie ich. Sieh’, Musch, da kam ich nun hierher mit einem ganzen Herzen voll Groll gegen die hartherzige Großmutter unseres lieben Hans. Aber der Groll verflog schon in den ersten Tagen, nur einmal wurde er noch lebendig, als sie damals von Hans so häßliche Dinge glaubte. Aber dann habe ich mich selbst ausgescholten, sie kennt Hans eben nicht, sonst würde sie nicht denken, er trachte nach ihrem Erbe.

Und jetzt ist kein Fünkchen Groll mehr in mir, ich habe nur den brennenden Wunsch, ihr helfen zu können. Früher wünschte ich nur wegen Hans eine Versöhnung der beiden, aber jetzt wünsche ich es fast nur noch für Großtante.

Hans wird ja allein seinen Weg machen, er ist so tüchtig und fleißig, und er leidet nicht so unter dem Zerwürfnis, seit seine arme Mutter tot ist. Aber sie, ach, sie leidet schrecklich und findet nicht eher Frieden, als bis sie an ihrem Enkel gutmachen kann, was sie an ihrer Tochter versäumte.«

»Und doch wirst Du Dein Ziel nicht erreichen. Sie geht lieber ganz zugrunde, als daß sie nachgibt, glaube es mir und quäle Dich nicht mehr damit!«

Rose-Mark seufzte.

»Wenn nur Hans nicht seinem sterbenden Vater das unselige Gelübde abgelegt hätte, nie wieder einen Versöhnungsversuch zu machen.

Merktest Du nicht, er war tief bewegt, als ich ihm erzählte, wie gut Großtante ist, und wie furchtbar sie gelitten hat und noch leidet. Ich brauchte mir nicht viel Mühe mehr zu geben, ihn zu bitten, hierherzukommen und ihr ein gutes Wort zu sagen. Aber er darf ja nicht!«

»Du vergißt, daß Hans außerdem zu stolz wäre. Er hätte Furcht, für einen Erbschleicher gehalten zu werden!«

»Ach, lieber Gott, ja, es ist ein Kreuz mit zwei so harten Köpfen. Weißt Du, Hans ähnelt seiner Großmutter sehr. Nicht nur im Wesen, auch den stolzen, eigenwilligen Zug im Gesicht haben sie beide gemein!«

»Ja, er ist seinen beiden Eltern gar nicht ähnlich, viel eher seiner Großmutter. Aber Kind, wir wollen uns doch unseren Seelenfrieden nicht stören lassen. Und immer wieder bitte ich Dich, erzürne Großtante nicht!«

»Ach, Musch, sei doch nicht so ängstlich. Ich fürchte mich gar nicht mehr vor ihr, wenn sie auch noch so knorrig und schroff tut. Ich möchte sie dann bloß immer streicheln.

Weißt Du, was Vati in solchem Falle immer sagte: »Ihm ist ja selbst nicht wohl, sonst tät’ er mir nicht weh.« Daran denke ich immer, wenn sie mich einmal hart anläßt. Aber nun wollen wir jetzt nicht mehr daran denken. Sieh nur, wie die Sonne durch die Zweige lacht, ach, wie schön ist die liebe Welt!

Jetzt hätte ich nur noch einen großen Wunsch: ein tüchtiges Pferd unter mir und dann hinausjagen durch Feld und Wald. Du glaubst nicht, wie brennend ich mich oft nach einem frisch-fröhlichen Ritt sehne.

Manchmal riß ich mir am liebsten den ersten besten Gaul aus dem Stall und jagte mit ihm davon, wenn es sein müßte, ohne Sattelzeug und Zügel. Aber es geht jetzt nicht mehr wie zu Hause, daß ich wie ein wilder Bub’ auf dem Pferde sitze. Jetzt müßt ich schon artig ein Reitkleid dazu haben. Weißt Du noch, wie Du immer schaltest, wenn ich mit aufgelöstem Haar und zerrissenen Kleidern von solchem Ritt nach Hause kam?«

»Ob ich’s weiß, Du Wildfang, Was habe ich manchmal für Angst ausgestanden. Ich bin froh, daß Du kein Reitpferd hast. Den Ritt damals auf dem »Mordskerl« vergesse ich nie!«

»Und ich gäbe gleich, ich weiß nicht was, dafür, wenn ich wieder ein Reitpferd hätte. Da ich aber keins habe, so gehe ich jetzt sein artig und sittsam mit meiner Musch noch ein Stück in dem schonen alten Park spazieren. Bist Du ausgeruht?«

»Ja, wir können weitergehen!«

Mutter und Tochter gingen weiter, ahnungslos, daß Marianne Heydebrecht jedes Wort gehört hatte.

Diese verließ ihr Versteck erst, als die beiden in einem Seitenweg verschwunden waren. Und dann ging sie langsam, wie eine Traumwandlerin, nach dem Hause zurück.

Herz-Sammelband: Hedwig Courths-Mahler Liebesromane (Teil V)

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