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Kapitel 12

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Regen prasselte gegen das Dach, vielleicht das einzige dichte in anständigem Zustand, im Umkreis von mehreren Kilometern, der gesäumt war mit klapprigen Katen. Er hatte die Frau, so wie sie angezogen war, in zwei Decken eingewickelt und sie auf eines von drei Betten in dem großen Raum mit der Feuerstätte gelegt. Seine Auftraggeberin achtete auf ihrem Anwesen immer auf genügend Platz für Verletzte, denn sie war auch die Alleinige im Bereich von einer Tagesreise, die sich um Kranke kümmern wollte und dies meist ohne Bezahlung tat. Sie versorgte auch Wanderer in Not, die nicht zur Gemeinschaft zählten, wenn diese als Gegenleistung ihr Maul hielten und keine Informationen der Siedlung preisgaben. Und sie hatte so einige vor dem Tod bewahrt, die aus Sturmfels kamen und sich dort nicht einen einzigen Heiler aus dem örtlichen Tempel leisten konnten.

Der Thärde hatte bei dieser Mildtätigkeit schon oft mit dem Kopf geschüttelt. Ein solch unvorsichtiges Verhalten war für sein Gemüt schlicht unpassend und dumm.

Aber er wollte sich nicht in ihre Entscheidungen einmischen.

Er setzte sich, erleichtert, heute nicht mehr arbeiten zu müssen. An Plackerei mangelte es in der Abgeschiedenheit dieser Wildnis nie.

Tregardis hatte sich von dem Lederpanzer befreit, den er immer außerhalb trug. Darunter kleidete er sich mit einem übergroßen löchrigen Wollhemd. Man durfte hier draußen nicht wählerisch mit seiner Kleidung sein. Es gab keinen Sold, der ihm erlaubte, bessere zu erwerben; und nähen hatte er nie gelernt.

Viele Situationen lehrten ihn, dass eine gepflegte Rüstung Leben retten oder die eine oder andere schwere Verletzung ersparen konnte. Doch erinnerte er sich, dass er in den letzten Jahren seltener zu den Waffen griff. Die Person, die ihn befehligte, floh meistens bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr und erwartete von den Untergebenen das Gleiche. Daran hatte er sich noch immer nicht gewöhnt. Sein Schwert war mittlerweile genauso sinnlos geworden wie seine einst so teure Rüstung. Er zog das einfache durchgeschwitzte Hemd aus. Im Schein einer Öllampe strahlte sein rechter, stark vernarbter Arm samt Schulter auf. Diesen Körperteil hatte er in gewalttätigen Konflikten oft zum Parieren von Schlägen genutzt, manchmal auch ohne viel Schutz.

Er war stolz auf seine Narben. ‚Je mehr Narben, desto besser der Kämpfer‘, so hieß es bei seinem Volk. Die Thärden hatten seit ihrer Landung an den fjordenreichen Küsten vor etlichen Jahrhunderten nie längere Kampfpausen genossen. Sie waren Krieg und Raubzüge gewohnt.

Und er hatte oft großes Glück gehabt, wie er dankbar dachte. In seiner letzten Dienstzeit hatte er unter Hauptleuten gedient, die so aussahen, als würden ihre Visagen nur noch von Wundmalen zusammengehalten. Er war meistens zu flink gewesen, um heute mit einem verunstalteten Gesicht herumzulaufen oder im Sarg in der Tiefe der Erde zu vermodern.

Diese Zeit lag weit hinter ihm.

Gähnend rutschte Tregaris auf einem Schemel neben der Frau hin und her und fing langsam an, sich zu ärgern. Es gab bei der Neuen keine Notwendigkeit, sie zu bewachen. Sie schlief und das mittlerweile fest wie ein Hundewelpe. Er seufzte, denn er hasste es, den Aufpasser zu spielen. Doch eine Wahl blieb ihm nicht: Befehl bleibt Befehl, auch wenn ein altes Weib ihm diesen erteilt hatte.

Wieder ein lang gezogenes Gähnen.

Er würde sich entspannen und dem Regen lauschen. Alles war besser, als zu dieser Jahreszeit auf den Feldern zu arbeiten und die Ernte einzubringen - das Letzte, das Venya ihm aufbürden konnte.

Dann fing Etaila unvermittelt an, ein weiteres Mal im Schlaf zu reden, leise und gestikulierend. Der Thärde verstand kein einziges Wort, spürte aber die Angst, die von der schlafenden Fremden ausging.

Was hatte sie bloß erlebt? Womit plagte sie ihr Verstand?

Gleichzeitig fiel ihm auf, wie hübsch die junge Frau aussah. Der Thärde genoss selten das Privileg, junge Frauen kennenzulernen und noch seltener eine, die von einer derart wilden Schönheit gezeichnet war.

Trugbild der Schatten

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