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Kapitel 15
ОглавлениеDer Regen hatte seit dem frühen Morgen aufgehört, das Unwetter hatte sich mit geringen Schäden gelegt und man setzte Angelegenheiten der Dörfler fort wie zuvor. Nur Tregardis war wegen der vielen aufgebrummten Arbeiten sauertöpfisch gestimmt - dem Ausbessern der windschiefen Bauwerke, Reparaturarbeiten, bis ihm die Finger bluteten.
Ihnen war völlig klar, dass ihnen, ohne geschickte Handwerker in ihren Reihen, irgendwann die ständig ausgebesserten Dächer auf die Köpfe fallen würden.
„Glaubt Ihr, es ist eine gute Idee, sie frei von Bewachung drinnen zulassen?“
Tregardis sah skeptisch aus. Für ihn wirkte der Führungsstil seiner Vorsteherin mal wieder ein wenig zu naiv und zimperlich.
„Vermutet Ihr, dass sie verschwinden will? Sie kennt die Wahrheit und wird bald herausfinden, dass sie reichlich Glück besitzt, weil wir sie zuerst gefunden haben und nicht die anderen.“
Sie versank kurz in sorgenvollen Gedanken, kam jedoch schneller als erwartet zu einem Entschluss.
Sie stoppte vor einem unscheinbaren jungen Mann, der gerade frisches Wasser aus einem Brunnen beförderte. Sie war auf den unauffälligen Boten angewiesen, denn er war der Einzige in ihrer Gemeinschaft, der sich lange unter den Menschen aus Sturmfels aufhalten konnte, ohne Aufsehen zu erregen.
Er war einer der wenigen innerhalb ihrer Reihen, der nicht durch einen magischen Makel auffiel.
Oft hatte die Hexe ihn als Überbringer von Nachrichten nach Mondave geschickt und erinnerte sich jetzt an die wichtige Botschaft, die er weitervermittelt hatte.
Hastig fragte Venya Tregardis, wo sich Coldwyn mittlerweile befände. Er müsse Roderik schon gesprochen haben, gab der Krieger knapp zu verstehen. Er hatte die Pflicht, sich zu beeilen, die erste Meldung hatte der Jüngling vor einer Woche verschickt. Wenn der Magier nicht trank, war er absolut zuverlässig. Hoffentlich riss er sich diesmal zusammen. Sie musste Kompromisse eingehen bei der Auswahl ihrer Helfer; das war leider nur zu oft der Fall.
„Dann ist er in ein paar Tagen hier, das ist gut, wir brauchen jetzt jeden Schutz.“
„Ich werde dir später eine Nachricht geben und du wirst sie noch am nächsten Tag in Sturmfels in der Händlergilde abgeben. Melde dich nachher bei mir.“
Der Bote nickte. Venya wusste, dass sie sich auf die meisten ihrer Leute verlassen konnte, und dem Boten von vielleicht sechzehn Jahren konnte sie ihr Leben anvertrauen.
„Was habt Ihr vor?“, fragte Tregardis.
„Wir brauchen Gewissheit. Ich will herausfinden, was in der Stadt vor sich geht. Ich kenne dort einige, die ihr Ohr bei den Amtsträgern haben und wissen, ob es bald ernste Probleme mit den Bürgern geben wird und nicht nur Unstimmigkeiten wie bisher.“
„Und Ihr wollt wirklich, dass sich der sogenannte Zauberer um diese Schwertkämpferin kümmert?“ Der Thärde klang eine Spur missmutig bei dem Gedanken, den Rotschopf wieder bei sich zu haben. Für ihn und seinen Sinn für Disziplin war der trinkfreudige Coldwyn eine reine Demütigung.
Und Venya vermochte zwar, sich vorzustellen, dass der Thärde dem Magier nicht traute, was sie nicht ändern konnte. Doch die Umstände verlangten, ihn herbeizurufen und sie müssten zukünftig zusammenarbeiten, ob es ihnen gefiel oder nicht.
„Wozu ihn? Wenn Ihr glaubt, dass die Söldnerin Hilfe benötigt, dann werde ich meine Pflicht nicht vernachlässigen, das habe ich noch nie getan.“
Sie drehte um und schaute Tregardis mit dem Blick an, der ausdrückte, dass die Hexe jetzt nicht irgendeine anstrengende Diskussion mit ihm führen würde.
„Das glaube ich Euch, aber nicht ich bin jene, die Schutz braucht. Unser neuer Gast wird mehr brauchen als ein scharfes Schwert an der Seite.“
„Ihr glaubt also, dass sie Ärger verursacht.“ Er runzelte die Stirn. Er verstand die Angelegenheit nicht ganz und Venya wollte ihm auch keinen Umstand nennen, weswegen sie so auf Sicherheit erpicht war. Diese Vorahnung klang so waghalsig, dass sie es bisher nicht gewagt hatte, den Grund auf Pergament zu bannen oder andere zu kontaktieren. Nur Roderik wusste, worum es ging. Sie selbst wagte kaum daran zu denken, wen genau das Schicksal in ihre Obhut gebracht hatte.
Konnte das möglich sein, nach zwanzig Jahren komplizierter Studien und Beobachtungen? Hatte sie wirklich dem Zufall diese Begegnung zu verdanken? Venya war mit Magicka verbunden. Wenn sie spürte, dass sich ihr ein Mensch mit magischer Essenz näherte, dann reagierte sie wie ein Magnet auf Eisenspäne.
Und ähnlich erging es den Elfen des Orseon.
„Ich kann Euch nicht sagen, warum ich alle wichtigen Personen um mich herum wissen möchte. Ihr und der Magier aus Mondave solltet jedenfalls miteinander auskommen, falls uns unser Gast nicht verlässt. Und das hoffe ich, denn sie braucht mehr als uns beide.“
„Sie ist Euch bereits unentbehrlich, als hättet Ihr dieses Erlebnis vorausgeahnt.“
Sie musste lachen. Wie konnte Tregardis nur so richtigliegen? Das war Menschenkenntnis, die er in kleineren Brocken anwendete, wenn auch äußerst selten erfolgreich.
„Ja, ich habe gehofft, sie kennenzulernen. Aber ich muss jetzt gehen, um meinem Boten einen Brief mitzugeben. Es ist sehr bedeutsam.“
„Schon gut, wenn Ihr nicht mehr herausrücken wollt."
Die Hexe ließ den Thärden nicht viel schlauer zurück und der fand sich vorerst damit ab, nicht in alles eingeweiht zu werden.