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Kapitel 14

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Die junge Frau erwachte erschöpft und verärgert in dem Raum, wohin der Leibwächter der Hexe sie getragen hatte. Kopfschmerzen plagten Etaila und der erste Eindruck, dem sie ausgesetzt war, während der muskelbepackte Kerl vor ihr auftauchte, war der, man habe sie entführt. Der Grund war ihr allerdings schleierhaft.

Sie erinnerte sich nur an Fetzen, unwichtige Bruchstücke, die kaum einen Sinn ergaben.

„Ihr seid geschwächt, bleibt liegen, ich werde Hilfe für Euch holen.“

Der Mann sprach freundlich zu ihr, bemühte sich sichtlich um sie, oder aber gab es nur vor. Und Etaila musste die starke Eingebung abschütteln, ihm das Schwert, das er am Gürtel trug, zu entreißen und ihm damit eins überzuziehen. Das alles hier war befremdlich für sie. Wo war sie gelandet? Sie musste erst ihren Verstand ordnen.

Noch lebhaft konnte sich die Söldnerin daran erinnern, dass sie einen Auftrag angenommen und einige Händler auf den Weg in den Süden begleiten sollte. Man hätte sie, dort angelangt, mit genügend Geld bezahlt, ein lukratives Geschäft und eigentlich ohne viel Risiko für die Bewacher. Wenn nicht diese Falle gewesen wäre und das, was sich in ihrem Kopf währenddessen abgespielt hatte. Das, was in ihrem Verstand im Halbdunkel verborgen blieb. Das, was sie nicht freilassen wollte.

Nein, das konnte, das durfte nicht sein, ich muss mir das, was geschehen ist, eingebildet haben.

Entschlossen verdrängte der Gast die aufkommenden Erinnerungen. Magie, so ein Schwachsinn, niemals!

Sie glaubte, tot sein zu müssen. Eine dunkle Eingebung sagte ihr, dass alles verloren war, dass sie auf dem Schlachtfeld zu liegen hatte und nicht in einem warmen Bett.

Aber genau das Gegenteil war ihr bestimmt worden.

Dieses Gefühl bestätigte sich, es gab keinen weiteren aus ihrem Trupp, der sich in der Nähe befand. Sie konnte natürlich nicht wissen, dass ihre Kameraden, die noch Fähigen, kopflos geflohen, jetzt wieder in der nächsten Handelsmission steckten und sich die Wunden leckten.

Der groß gewachsene Kerl, der einen nicht sehr intelligenten Eindruck vermittelte, stand weiterhin vor ihr, ganz so, als müsse sie ihm Zustimmung zum Verlassen erteilen.

Sie würde sich nicht rühren, bis die Hexe einträfe.

Was sollte sie auch anderes tun.

Der Thärde hatte recht damit, dass die Neue unglaublich schwach war, als hätte sie sich einen Weg aus einer Gruft freigeschaufelt.

Es gab bereits ein Problem bei der Beantwortung der Frage, wo sie sich überhaupt aufhielt.

„Was suche ich hier. Wo habt ihr mich hingebracht?“, bat Etaila mit einer erschreckend dünnen Stimme um Auskunft.

Man konnte vom Bett aus die Denkfalten des Thärden spielen sehen. Was sollte er ihr erzählen? Es war auch egal, die Hexe würde es besser bewerkstelligen. Sie war um ein Vielfaches einfühlsamer, diplomatischer. Er hingegen war eindeutig der falsche Gesprächspartner für das verfrühte Kennenlernen.

„Sie wird Euch über alles aufklären, bleibt nur hier und ruht Euch aus.“

Er verließ den Raum, eilte mit schnellen Schritten zum Dorfplatz.

Ungeduldig wartete Etaila ab. Es entsprach einfach nicht ihrer Natur zu verharren und doch schien sie kaum eine Wahl zu besitzen. Man hielt sie nicht gefangen. Die Tür, die vor ihrer Nase zugeschlagen wurde, blieb unverschlossen. Es tauchte auch niemand auf, der sie beaufsichtigte. Sie war keine Geisel, so dumm konnte keiner bei einer normalen Gefangennahme vorgehen. Es bestand sogar die Möglichkeit, dass man sie gerettet hatte. In ihrem Schädel schwirrten so viele gegensätzliche Gedanken, dass sie nicht imstande war, diese zu sortieren.

Sie geduldete sich und nach einer gefühlten Ewigkeit erschien die ältere Frau mit silbernem Haar und mit noch sorgenvollerem Gesicht als dem des vernarbten Beschützers.

Tregardis hielt sich, skeptisch schauend, abseits im Raum auf und schwieg fortan. Das Kennenlernen verlief nun viel entspannter. Beide Frauen reichten sich zuerst die Hände zum Gruß.

„Ihr seid wach, das ist gut", sagte die Hexe mit freundlichem Tonfall.

„Ja, ich grüße Euch. Mir ist nur nicht klar, was ich hier suche", kam als Antwort von der Söldnerin zurück.

Venya zögerte eine Antwort hinaus und betrachtete den Neuankömmling neugierig wie ein seltenes Tier, das in die Falle geraten war. Sie betrachtete dabei die verbrannten Finger der Geretteten. Es waren nicht die einer geschonten Maid, die in der Nähe von Sturmfels lebte, Kinder gebar, sie aufzog und nie eine Klinge halten musste. Wenn es solche überhaupt geben konnte, hier in diesem wilden Land.

„Ihr dient dem Schwert, habe ich recht?“

Sie machte eine Pause.

„Ihr seid eine Kämpferin aus Courant oder einer der umliegenden Siedlungen, und Ihr seid nun fern eurer Heimat.“

Etaila versuchte die Überraschung, die ihr ins Gesicht geschrieben stand, zu verbergen - mit wenig Erfolg.

„Wie könnt Ihr das wissen? Wir kennen uns nicht, haben uns noch nie gesehen. Ward Ihr dabei, als man über uns herfiel?“

Venya trat einige Schritte näher und schaute sie mit einem ernsten Gesichtsausdruck an.

„Ich habe Augen im Kopf. Nein, wir haben Euch lange nach dem Überfall gefunden. Euer Aussehen verrät mir den Beruf, den ihr ergriffen habt. Außerdem erahne ich auch die Fragen, die Euch auf Eurer Zunge brennen. Ihr wollt bestimmt wissen, wo Ihr seid und warum und ob Ihr in Gefahr schwebt - und ob sich noch weitere Überlebende an diesem Ort befinden.“

Etaila nickte, genau um diese Themen ging es ihr.

„Wir -“, sie zeigte auf Tregardis, der sich irgendwie überflüssig vorkam, weil er nur zum Danebenstehen gezwungen war, „haben Euch gerettet. Eigentlich hat mein Leibwächter hier neben mir Euren Körper übersehen und Ihr konntet uns nicht finden. Ich möchte Euch nicht verwirren. Jedenfalls bleibt Ihr bisher die einzige Überlebende, die es in unser Dorf in der Nähe des Dyfro geschafft hat, und das ohne nennenswerte Verletzungen. Ihr werdet Euch bald besser fühlen.“

Die Söldnerin aus Courant blieb dennoch misstrauisch in Anwesenheit ihrer sogenannten Helfer.

„Ihr seid also meine Retter. Aber wem gehört Ihr an? Wo genau bin ich gelandet?“

Tregardis fing an, ein wenig zu stammeln, und das Oberhaupt der Gemeinschaft unterbrach ihn barsch.

„Wir unterstehen keinem Lehnsmann. Wir sind nur ein zusammengewürfelter Haufen von gestrandeten Siedlern. Manche meiner Leute sind ziemlich eigenartig, das werdet Ihr noch früh genug herausfinden. Und unser Dorf steht in einem Wäldchen mit, ehrlich gesagt, schlechtem Ruf, in der Nähe der Burg Sturmfels. Wir fanden Euch einen halben Tagesritt entfernt von den Hügeln der Grenze zum Siedlerland.“

Etaila erinnerte sich; ein Mosaikstein ihrer versprengten Erinnerung kam hinzu.

„Ich wollte die Handelsstation der Festung erreichen. Sie liegt am Hafen. Hat wirklich keiner aus der Gruppe es sonst hergeschafft? Seid Ihr gewiss? Wir waren zahlreich.“

Venya schüttelte entschieden den Kopf. Sie konnte nur wiederholen, was Tregardis gesehen hatte: Viele flohen, nur ungenaue Spuren gab es. In ihrem Verstand bahnte sich bereits die Vorahnung von kommendem Ärger an. Etaila reichten die spärlichen Informationen nicht aus.

Sie wusste, was jetzt passieren würde, doch durfte die Hexe nicht lügen, so schwer ihr das auch fiel.

„Wieso bin ich die Einzige hier? Wir waren acht Krieger und mehr als ein Dutzend Händler. Sie waren alle schwer bewaffnet; ich kann doch unmöglich die Einzige hier sein und noch dazu fast unbeschadet.“

Sie schaute Tregardis an, der ihr ehrlich vorkam, ein wenig beschränkt, aber rechtschaffen.

Und sein sturer Blick verriet ihr, dass sie keine Auskunft von ihm bekäme, selbst wenn sie den groß gewachsenen Kämpfer anschreien sollte.

Venya trat näher, setzte sich auf einen Hocker vor ihr und versuchte, ein möglichst entspanntes Gesicht aufzusetzen, was ihr nur halbwegs gelang.

„Ihr müsst mir jetzt glauben. Das, wovon ich Euch erzähle, wird wahrscheinlich schwer verständlich sein. Ich habe keine andere Wahl, Ihr solltet es so früh wie möglich erfahren.“

Und nachdem sie den Mut gefasst hatte, sagte die Hexe: „Ich kann unmöglich damit warten, Euch die Wahrheit zu verraten.“

Wut blitzte in den Augen der Söldnerin auf. „Was soll das heißen, was wollt Ihr mir mitteilen?“ Es reichte ihr. Sie riss die Decken herunter und stand auf. Mit festem Willen schritt sie in Richtung Tür. Von draußen hörte sie die Geräusche einer lauten und beschäftigten Dorfgemeinschaft. Um was auch immer für eine Gemeinschaft es sich handelte, vielleicht Räuber, die alle ihre Begleiter erschlagen hatten und nun ein Spiel mit Etaila spielten. Jedenfalls malte sie sich so etwas in ihren schlimmsten Vorstellungen aus.

Tregardis stellte sich vor dem Ausgang auf, er wirkte nicht bedrohlich, eher neutral. Wies aber bestimmt darauf hin, dass die Anführerin dieser Gruppe ihr Einiges zu sagen hatte und sie gefälligst so lange verweilen sollte.

Langsam drehte sich Etaila zu der älteren Frau in schlichter Kleidung um und gewann ein wenig Beherrschung zurück. Schon alleine deswegen, weil sie keine Ahnung hatte, wie es jetzt weiterging.

„Ihr bedientet Euch der Magie. Es muss während des Überfalls passiert sein. Die Macht, die jahrelang in Eurem Blut geschlummert hat, erwachte in diesem Augenblick voller Gefahr. Und Ihr habt einige Sweddar mithilfe von magischem Feuer umgebracht oder verjagt. Das hat gereicht, um Euer Leben zu erhalten. Seid froh; in vielen anderen Situationen waren die Wirker eines Feuerzaubers im gleichen Atemzug selbst verbrannt worden. Ihr entkamt beinahe unbeschadet dieser Falle und gleichzeitig seid Ihr nun eine Außenseiterin. Das tut mir leid. Eure Begleiter, die Ihr vielleicht kanntet, werden nun Fremde oder Feinde sein, denn Ihr seid von nun an ein Magusketzer.“

Sie schaute die Hexe verblüfft an und wollte ihren Ohren nicht trauen.

„Wisst Ihr, was Ihr mir erzählt? Das ist mein Todesurteil, falls ihr recht habt, und wenn ich weiterhin hierbleibe, vielleicht selbst für Euch. Das heißt, wenn Eure Worte stimmen und das keine Lügen waren.“

Jetzt wurde die Hexe ungehalten und sogar der stille Soldat konnte sie nicht mehr im Zaum halten.

„Schaut auf Eure Hände“, verlangte die Hexe, ehe ein handfester Streit bevorstand.

Etaila gehorchte mehr aus Neugierde und entdeckte die leichten Verbrennungen an den Fingerspitzen. Man hätte ihr diese natürlich auch im Schlaf zufügen können. Sie erinnerte sich an zu wenig und traute keiner Menschenseele.

„Das ist richtig: Es kommt einem Todesurteil gleich, sofern man uns findet. Doch solltet Ihr mir vergeben, denn eines müsst Ihr wissen. Die magische Essenz, die schon seit der Geburt durch Eure Venen fliest, wird jetzt aktiv werden.

Ihr denkt daran, zu fliehen, aus Angst davor, dass Verrat droht und Ihr an die Silbernen ausgeliefert werdet, falls wir Lügner sind! Wie viele vor Euch in ähnlichen Situationen könnt Ihr nie in Euer altes Leben heimkehren. Jederzeit kann die Macht, die in dem Blut der Magiewirker schlummert, wiederaufleben. Ihr müsst lernen, es halbwegs zu beherrschen, zu unterdrücken. Das heißt, wenn Ihr mir vertraut und von mir erlernen wollt. Und ich sag das lieber sofort und abermals: Ihr dürft nicht mehr zu Euren Freunden oder zu Eurer Familie zurück. Dieser Weg führt jeden Ketzer geradewegs in eine der vielen Festungen des Ordens und an noch schlimmere Orte, die Euer Volk für Magier übrig hat.“

Da verstand die Söldnerin auf einen Schlag und fühlte sich hundeelend.

„Ihr wollt mir damit sagen, dass Ihr Magiewirker versteckt haltet. Ist dieses Dorf voll von ihnen?“

„Nein, das würde ich nicht behaupten. Wir alle haben das gleiche Schicksal wie das Eure und wir sind nicht wenige. Wir verstecken uns nicht in Höhlen, sondern versuchen, frei zu leben, was uns Thetyr versagt. Ein friedliches Dasein mit unseresgleichen zu führen und nicht allein, gehetzt von Ordensrittern und sich selbst überlassen oder in Gefangenschaft einer Ordensfestung. "

Wieder ging der jungen Frau derselbe Gedanke durch den Kopf: Was war, wenn dies alles eine Lüge war und ihre Gastgeberin sie hinters Licht führte? Sie überlegte, überlegte am Rand der Panik. Das konnte nicht sein. Nach einem Überfall der Sweddar durfte sie keine Ausgestoßene sein, die mit sämtlichen Banden brechen sollte.

Plötzlich stand die Hexe vor ihr und umklammerte ihre Handgelenke, zog die inneren Handflächen nach oben zum Gesicht der Söldnerin. Etaila war dazu gezwungen, ihre Hände erneut zu betrachten.

„Was glaubt Ihr, wie das hier passierte? Nehmt Ihr wirklich an, dass ich lüge? Was hätte ich davon? Versucht Euer Gedächtnis wieder zu finden und Ihr werdet verstehen, was Euch widerfahren ist.“

Venya löste den Griff. Die Söldnerin begriff, dass sie kooperativ bleiben musste - jedenfalls erst einmal.

„Kommt Tregardis, wir lassen sie allein.“

Wortlos öffnete der Thärde die Tür, die Hexe verabschiedete sich knapp von der jungen Frau und ließ diese nachdenklich und verwirrt allein.

Mit einer Geste gab die Hexe ihrem Beschützer stumm den Auftrag, ihr zu folgen und trat hinaus, ging vor bis zum Hauptplatz der Ortschaft. Hier waren sie einigermaßen ungestört.

Es gab noch etliches zu bereden, das man lieber nicht verschob.

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